Eigentlich ist es ja schon 1982 im Orkus verschwunden, das "Pardon"- Teufelchen. Da nämlich wurde die Zeitschrift eingestellt. Aber vor drei Jahren fuhr der Kleine noch einmal heraus aus der Unterwelt. Es gab 2004 einen Neustart. Er wurde, wie es scheint, kein Erfolg. Nun also ist es mit "Pardon" offenbar endgültig vorbei.
Die Vignette zeigt einen Ausschnitt aus dem Titelbild eines der ältesten "Pardon"- Hefte, die ich noch habe. Es ist genau vierzig Jahre alt - das Heft vom September 1967. Untypisch insofern, als es ein politisches Titelbild trägt und nicht eines der Mädchenbilder, mit denen "Pardon" in diesen Jahren die Auflage gewaltig gesteigert hatte.
"Mit denen", aber nicht nur "durch die". Denn hinter dem reizenden Titelbild war viel Lesenswertes - satirische, manchmal auch literarische Texte, Cartoons, vor allem die Beilage "WimS", "Welt im Spiegel", dieser Geniestreich, gestaltet von Lützel Jeman (= Robert Gernhardt), F.W. Bernstein und F.K. Waechter).
Das erste "Pardon"-Heft, das ich gelesen habe, war das erste Heft der Zeitschrift überhaupt. Das war im Sommer 1962. Ich jobbte in den Semesterferien beim Ausgraben eines Römer- Kastells. Und da brachte jemand dieses Heft mit. Wir lasen alle darin und lachten und lachten. Schon über die grandiose Idee des (von Waechter entworfenen) Teufelchens, das seine Hörner entblößt, indem es höflich den Hut lüftet. Besser konnte man die Doppeldeutigkeit des Titels "Pardon" nicht visualisieren.
Dieser Humor war ganz anders als der damals gängige von Theo Lingen oder von "Bu", der die Witzseiten mit seinen Zeichnungen füllte. Er war dem ähnlich, was wir - zu Recht oder zu Unrecht - für "englischen Humor" hielten. Vieles erinnerte mich an den Humor von Lewis Carroll, an den absurden Witz in Limericks.
Im Lauf der sechzige Jahre änderte sich "Pardon".
Erst begann das Magazin auf der "Sexwelle" mitzuschwimmen; aus heutiger Sicht freilich mehr ein Gekräusel. Denn was so hieß, das war harmloser als das, was heute im Nachmittagsprogramm des TV läuft. Aber damals waren entblößte Busen auf dem Titel, war gar ein Nackte, die dem Chefredakteur Nikel im Genick saß (wie hier zu sehen), ein Stück fröhliche Befreiung vom Muff der Fünfziger.
Dann, ab Mitte der sechziger Jahre, wurde "Pardon" politischer.
Zwar schloß es sich nie der Agitations- Journalistik an, wie sie damals beispielsweise "Konkret" pflegte. Aber es erschienen doch viele kritische Artikel; allen voran die von Günter Wallraff, der in "Pardon" seine ersten Schreibversuche machte. (Der früheste Artikel von ihm, an den ich mich erinnere, beschrieb Anrufe bei Geistlichen, in denen er sich als Waffen- Fabrikant oder Waffen- Importeur ausgab und scheinheilig- heuchlerisch fragte, ob er das mit seinem Gewissen vereinbaren könne; der Moralist als Lügner, schon damals).
Ab Mitte der siebziger Jahre habe ich "Pardon" nur noch unregelmäßig gelesen. Das letzte "WimS" erschien im Januar 1976. Versuche, die Lücke durch andere Beilagen zu füllen - einen Comic-Beihefter, eine Beilage namens "Die Wahrheit", gefielen mir nicht mehr. Auch nicht das "Titanic", in das ein Teil der "Pardon"- Autoren abwanderte.
Im Rückblick will mir scheinen, daß im Lauf der siebziger Jahre die Zeit für ein Magazin von der Art von "Pardon" zu Ende ging.
Jede Zeit, jede Gesellschaft hat die Satire, die sie verdient. Der ätzende Witz des "Simplizissimus" paßte in die Zeit Wilhelms II. Der systemstabilisierende Humor des "Eulenspiegel" war ein Spiegel der DDR. Und "Pardon" paßte in die Aufbruchzeit der sechziger und frühen siebziger Jahre; die Zeit der "antiautoritären Bewegung"; die Zeit von Filmen wie "Zur Sache, Schätzchen" (1967); die Periode der wilden Kunst, wie man sie auf der Documenta 4 (1968) und der Documenta 5 (1972) sah; die Ära von Woodstock (1969).
Mit dem Ende dieser Periode eines fröhlich- anarchistischen Aufbruchs (der freilich schon den Keim für die die verbissene, teils kriminelle Politisierung ab Mitte der siebziger Jahre in sich trug) fehlte einer Zeitschrift wie "Pardon" sozusagen der Resonanzboden.
Und heute? Heute bewundere ich die Intelligenz, den schnellen Witz der "Comedians", die unsere Bildschirme bevölkern, von Olli Dittrich, Wigald Boning, Anke Engelke, Bernhard Hoecker, Kurt Krömer und wie sie alle heißen.
Ich glaube, das ist das Medium, in dem heute die Musik des Humors und der Satire spielt. Gedrucktes kommt da nicht mit.
Die Vignette zeigt einen Ausschnitt aus dem Titelbild eines der ältesten "Pardon"- Hefte, die ich noch habe. Es ist genau vierzig Jahre alt - das Heft vom September 1967. Untypisch insofern, als es ein politisches Titelbild trägt und nicht eines der Mädchenbilder, mit denen "Pardon" in diesen Jahren die Auflage gewaltig gesteigert hatte.
"Mit denen", aber nicht nur "durch die". Denn hinter dem reizenden Titelbild war viel Lesenswertes - satirische, manchmal auch literarische Texte, Cartoons, vor allem die Beilage "WimS", "Welt im Spiegel", dieser Geniestreich, gestaltet von Lützel Jeman (= Robert Gernhardt), F.W. Bernstein und F.K. Waechter).
Das erste "Pardon"-Heft, das ich gelesen habe, war das erste Heft der Zeitschrift überhaupt. Das war im Sommer 1962. Ich jobbte in den Semesterferien beim Ausgraben eines Römer- Kastells. Und da brachte jemand dieses Heft mit. Wir lasen alle darin und lachten und lachten. Schon über die grandiose Idee des (von Waechter entworfenen) Teufelchens, das seine Hörner entblößt, indem es höflich den Hut lüftet. Besser konnte man die Doppeldeutigkeit des Titels "Pardon" nicht visualisieren.
Dieser Humor war ganz anders als der damals gängige von Theo Lingen oder von "Bu", der die Witzseiten mit seinen Zeichnungen füllte. Er war dem ähnlich, was wir - zu Recht oder zu Unrecht - für "englischen Humor" hielten. Vieles erinnerte mich an den Humor von Lewis Carroll, an den absurden Witz in Limericks.
Im Lauf der sechzige Jahre änderte sich "Pardon".
Erst begann das Magazin auf der "Sexwelle" mitzuschwimmen; aus heutiger Sicht freilich mehr ein Gekräusel. Denn was so hieß, das war harmloser als das, was heute im Nachmittagsprogramm des TV läuft. Aber damals waren entblößte Busen auf dem Titel, war gar ein Nackte, die dem Chefredakteur Nikel im Genick saß (wie hier zu sehen), ein Stück fröhliche Befreiung vom Muff der Fünfziger.
Dann, ab Mitte der sechziger Jahre, wurde "Pardon" politischer.
Zwar schloß es sich nie der Agitations- Journalistik an, wie sie damals beispielsweise "Konkret" pflegte. Aber es erschienen doch viele kritische Artikel; allen voran die von Günter Wallraff, der in "Pardon" seine ersten Schreibversuche machte. (Der früheste Artikel von ihm, an den ich mich erinnere, beschrieb Anrufe bei Geistlichen, in denen er sich als Waffen- Fabrikant oder Waffen- Importeur ausgab und scheinheilig- heuchlerisch fragte, ob er das mit seinem Gewissen vereinbaren könne; der Moralist als Lügner, schon damals).
Ab Mitte der siebziger Jahre habe ich "Pardon" nur noch unregelmäßig gelesen. Das letzte "WimS" erschien im Januar 1976. Versuche, die Lücke durch andere Beilagen zu füllen - einen Comic-Beihefter, eine Beilage namens "Die Wahrheit", gefielen mir nicht mehr. Auch nicht das "Titanic", in das ein Teil der "Pardon"- Autoren abwanderte.
Im Rückblick will mir scheinen, daß im Lauf der siebziger Jahre die Zeit für ein Magazin von der Art von "Pardon" zu Ende ging.
Jede Zeit, jede Gesellschaft hat die Satire, die sie verdient. Der ätzende Witz des "Simplizissimus" paßte in die Zeit Wilhelms II. Der systemstabilisierende Humor des "Eulenspiegel" war ein Spiegel der DDR. Und "Pardon" paßte in die Aufbruchzeit der sechziger und frühen siebziger Jahre; die Zeit der "antiautoritären Bewegung"; die Zeit von Filmen wie "Zur Sache, Schätzchen" (1967); die Periode der wilden Kunst, wie man sie auf der Documenta 4 (1968) und der Documenta 5 (1972) sah; die Ära von Woodstock (1969).
Mit dem Ende dieser Periode eines fröhlich- anarchistischen Aufbruchs (der freilich schon den Keim für die die verbissene, teils kriminelle Politisierung ab Mitte der siebziger Jahre in sich trug) fehlte einer Zeitschrift wie "Pardon" sozusagen der Resonanzboden.
Und heute? Heute bewundere ich die Intelligenz, den schnellen Witz der "Comedians", die unsere Bildschirme bevölkern, von Olli Dittrich, Wigald Boning, Anke Engelke, Bernhard Hoecker, Kurt Krömer und wie sie alle heißen.
Ich glaube, das ist das Medium, in dem heute die Musik des Humors und der Satire spielt. Gedrucktes kommt da nicht mit.
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