8. Januar 2010

Marginalie: Elvis Presley


Elvis Presley 8. Januar 1935 – 16. August 1977


Am 12. Dezember 1956 brachte der "Spiegel" eine Titelgeschichte über Elvis Presley. Sie war zuvor mehrfach angekündigt und wieder verschoben worden; wegen der Ereignisse der vorausgehenden Wochen in Ungarn und im Nahen Osten.

Ich empfehle Ihnen, diese "Spiegel"- Story zu lesen. Sie gibt ein lebendiges Bild der Jahre, in denen Elvis Presley seine zuvor nie dagewesene Popularität erlangte: Als Rebell. Als Idol einer Jugend, die genug hatte von der soliden Nüchternheit ihrer Eltern; ja auch in den USA einer Kriegsgeneration.

Die Zwölf- bis Fünfzehnjährigen, die bei den Auftritten von Elvis tobten, schluchzten, in Extase gerieten, hatten den Krieg nicht mehr bewußt erlebt. Sie wollten - ähnlich wie später bei uns die Achtundsechziger - aus der Disziplin dieser Kriegsgeneration heraus; hinein in eine Welt dessen, was man später "Selbstverwirklichung" nannte.

Der "Spiegel" zitierte einen Elvis-Fan, der das sehr schön beschrieb:
"Wir leben heute im Atomzeitalter, alles hat Stromlinie - alles, nur nicht die Musik. Während wir in unseren Stromlinienautos fahren, in unseren ultramodernen Häusern wohnen, unsere Fingernägel grün und unser Haar lila färben, sitzen wir in all dieser modernen Umgebung und lauschen dem Jazz von 1924, als wäre er der letzte Schrei der Musik.

Vielleicht hat der Jazz eine sentimentale Bedeutung für unsere Eltern, aber uns bedeutet er gar nichts, deswegen glaube ich wirklich, daß die völlig hypnotische Verzauberung, die Elvis mit seinem dynamischen Gesang und Tanz ausübt, ein Produkt unserer selbst ist. Wir können uns zwar nicht auf die Bühne stellen und wie Elvis singen, aber wir können 'Amen' rufen."
Später wurde Elvis Presley zahm und sentimental. Aber 1956 war er das Symbol einer Rebellion der Jugend.

Die keineswegs auf die Musik beschränkt war. Im selben Jahr 1956 lief der Film "Die Halbstarken" mit Horst Buchholz und Karin Baal. Er traf das Lebensgefühl der jungen Leute ebenso wie Elvis. Wie Elvis machte auch er die Jugend im Wortsinn rebellisch. Es kam zu "Zusammenrottungen von Halbstarken" nach dem Besuch des Films.

Schülern von Gymnasien wurde zum Teil der Besuch des Films verboten; Lehrer nahmen vor dem Kino Aufstellung und kontrollierten das. Das Zusammenrotten der übrigen Besucher - Gymnasiasten waren damals eine kleine Minderheit - konnten sie nicht verhindern.

Das war zwölf Jahre vor 1968; in der angeblich so ruhig- beschaulichen Adenauer- Zeit.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Ollie Atkins; Fotograf des Weißen Hauses (1970). Ausschnitt. Als Werk der US-Regierung in der Public Domain.