6. Januar 2010

Gorgasals Kleinigkeiten: Eine außerordentliche Wahl in Massachusetts. Und was sie über die Reform des Krankenversicherungswesens in den USA aussagt

Die USA werden politisch immer polarisierter. Haben die Demokraten ihren Erdrutschsieg von 2008 noch als Mandat verstanden, die USA wirtschaftlich und sozial grundlegend umzugestalten, gerät das Herzstück dieser Umgestaltung zunehmend unter Beschuss: die Mehrheit der US-Amerikaner ist gegen die aktuell geplante Reform des Krankenversicherungswesens.

Was hat das mit einer Wahl in Massachusetts zu tun?

Massachusetts ist einer der linkesten US-Bundesstaaten. Das dortige Krankenversicherungssystem mit Versicherungspflicht dient der Demokratischen Partei explizit als Vorlage für die aktuell angestrebte bundesweite Reform des Krankenversicherungswesens. Wie die USA als ganzes haben auch die Bundesstaaten sowohl ein Repräsentantenhaus als auch einen Senat - und in Massachusetts haben die Demokraten eine Mehrheit von 141 zu 19 Abgeordneten im Repräsentantenhaus sowie von 34 zu 5 Abgeordneten im Senat. Im Senat der USA ist Massachusetts seit 1979 ununterbrochen durch Demokraten vertreten. Darunter sind so bekannte Namen wie Ted Kennedy (der Bruder von John F. und Robert Kennedy und US-Senator 1962-2009!), Paul Tsongas (der 1992 die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokraten an Bill Clinton verlor) oder John Kerry (der 2004 gegen George W. Bush in der Präsidentenwahl antrat). In den letzten US-Senatswahlen gewann Ted Kennedy 2006 mit 69,3% der Stimmen, John Kerry 2008 mit 65,2%.

Massachusetts ist also fast eine Erbpfründe der Demokraten. Sollte jemals ein Republikaner in Senatswahlen in Massachusetts auch nur nahe an den demokratischen Kandidaten herankommen, käme das einem politischen Erdbeben gleich.

Nun ist aber Ted Kennedy am 25. August 2009 im Amt gestorben. Am 19. Januar 2010 findet die special election in Massachusetts statt, um seinen Nachfolger im US-Senat zu bestimmen. Die Bewerber sind Martha Coakley für die Demokraten und Scott P. Brown für die Republikaner. Und das Ergebnis sieht überraschend offen aus. Rasmussen berichtet, dass Coakley "nur" 50% zu 41% vorne liegt und stellt dabei explizit die Verbindung zur Krankenversicherungsreform her. Noch interessanter ist die Entwicklung der Umfragen: am 16. September 2009 stand es noch 54% zu 24%, am 4.-8. November 58% zu 27%. Brown hat also massiv zugelegt, Coakley deutlich nachgelassen.

Natürlich sieht es noch immer nach einem Sieg für die Demokratin Coakley aus. Aber auch ein nur knapper Sieg im urdemokratischen Massachusetts wäre ein Schuss vor den Bug der Demokraten in Washington: vielleicht ist das Mandat der Wähler von 2008 doch weniger radikal als geglaubt. Auch die Ankündigung eines demokratischen Senators aus North Dakota, Byron Dorgan, 2010 nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten, und ähnliche Entscheidungen von Demokraten im Repräsentantenhaus werden teilweise so interpretiert, dass sie lieber "aus freien Stücken" der Macht entsagen als gegen Republikaner verlieren.

Möglicherweise hat in den USA der Stimmungsumschwung weg von den Demokraten schon angefangen.



© Gorgasal. Quelle und Inspiration war neo-neocon. Für Kommentare bitte hier klicken.