17. Januar 2010

Marginalie: Was tun mit dem entlassenen Sexualstraftäter Karl D.?

In einer Vorabmeldung zum "Spiegel" der kommenden Woche berichtet "Spiegel- Online" über die Situation im Dorf Randerath, jetzt ein Stadtteil von Heinsberg nah der holländischen Grenze. Dort lebt, wie man weiß, der nach der Verbüßung seiner Strafe entlassene Sexualstraftäter Karl D. bei der Familie seines Bruders Helmut.

Die Lage ist verfahren.

Laut psychiatrischer Begutachtung gilt D. weiter als gefährlich. In Sicherungsverwahrung kann er aber nicht genommen werden; so hat es der BGH entschieden. Und zwar mit einer Begründung, an der nicht zu rütteln ist: Nachträglich darf eine Sicherungsverwahrung nur angeordnet werden, wenn "neue Tatsachen" vorliegen. Das aber ist bei Karl D. nicht der Fall. Seine Gefährlichkeit, die jetzt wieder von Gutachtern bestätigt wurde, war auch schon bekannt, als er verurteilt wurde.

Was also tun? Karl D. in die geschlossene Abteilung einer psychiatrischen Anstalt einweisen? Auch das geht nicht, denn er ist zwar ein Sadist, aber für seine Taten voll verantwortlich. Kein Fall für eine Zwangseinweisung in die Psychiatrie.

Also hat man zu einer Notlösung gegriffen, die in "FAZ.Net" am 13. Januar so beschrieben wurde:
Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird Karl D. weiter rund um die Uhr bewacht. "Wir haben keine andere Möglichkeit. Wir werden die Observationsmaßnahmen in der Art und in dem Umfang wie bisher weiter fortsetzen", sagte der Kreisdirektor Peter Deckers. Es gebe keine Alternative, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten.
Solange diese Maßnahme aufrechterhalten wird, sind die Mädchen und Frauen im Dorf Randerath und seiner Umgebung vermutlich einigermaßen sicher vor Karl D. Aber was bedeutet das eigentlich für die Familie seines Bruders, der ihn aufgenommen hat? Dazu die Vorabmeldung des "Spiegel":
In der Auseinandersetzung über den Verbleib des Sexualstraftäters Karl D. hat das Jugendamt der Stadt Heinsberg versucht, den neunjährigen Sohn seines Bruders Helmut aus der Familie zu nehmen. In deren Haus war Karl D. nach der Haftentlassung im vergangenen März untergekommen. Begründet wurde der Eilantrag auch mit den täglichen Demonstrationen vor dem Haus: Dieser Trubel sei nicht gut für das Kindeswohl.
Das ist wieder einmal ein Beispiel dafür, wie weit heute in unserem Nanny- Staat die Unverschämtheit der Ämter bereits geht. Immerhin gibt es noch Richter in Heinsberg; der Antrag des Jugendamts wurde abgelehnt.

Aber das eigentliche Problem ist damit ja nicht aus der Welt. Die Vorabmeldung verweist auf einen ausführlichen, gründlich recherchierten Artikel, der ab Montag im gedruckten "Spiegel" zu lesen ist. Dort wird nicht nur die Situation im Haus des Bruders von Karl D. geschildert ("die Polizei 'macht mir, meiner Frau, meinem Sohn hier das Leben zur Hölle'"; so der Bruder Helmut), sondern auch die Angst im Dorf:
Petra Kahlen hat zwei Töchter, 16 und 20 Jahre alt. Sie erlaubt den beiden nicht mehr, allein aus dem Haus zu gehen. "Alle Mütter haben Angst", sagt sie. Ihre ältere Tochter joggt nicht mehr draußen, sondern auf dem Laufband im Keller. (...) "Ich gehe an dem Haus nicht mehr allein vorbei", sagt ihre jüngere Schwester. (...) Der Leiter der Grundschule hatte in einem Elternbrief davor gewarnt, Kinder allein zur Schule zu schicken. Kurzstrecken im Dorf sind jetzt Fahrstrecken mit dem Auto.
Wie soll das weitergehen? Die Polizei wird nicht jahrzehntelang das Haus bewachen können. Die Bürgerintiative, die regelmäßig vor dem Haus demonstriert, wird das vermutlich nicht über Jahre tun.

Es gibt keine Handhabe, den uneinsichtigen Karl D. - er hat im Gefängnis jede Therapie abgelehnt - dazu zu bringen, freiwillig in eine psychiatrische Anstalt zu gehen. Es gibt keine Handhabe, den Bruder dazu zu bringen, ihn aus dem Haus zu werfen. Und auch dann würde das Problem Karl D. ja nur an einen anderen Ort verlagert werden.

Was also tun? Niemand scheint eine Lösung zu kennen.



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