5. Januar 2010

Gorgasals Kleinigkeiten: Regime Uncertainty und die wirtschaftliche Erholung

In einem sehr lesenswerten Artikel im Wall Street Journal machen sich Gary S. Becker, Steven J. Davis und Kevin M. Murphy - Wirtschaftswissenschaftler an der University of Chicago - Gedanken darüber, warum die Erholung von der kürzlichen Rezession in den USA so langsam verläuft. Beispielsweise erholten sich die Indikatoren nach der ähnlich schweren Rezession 1981/82 deutlich schneller. Neben dem offensichtlichen Grund der Finanzkrise, in deren Gefolge sich jetzt Banken sicherlich mehr Gedanken machen, welche Investitionen sie kreditfinanzieren als noch vor einigen Monaten, machen Becker, Davis und Murphy einen weiteren Einflussfaktor aus: die Unsicherheit über die regulatorischen Rahmenbedingungen.

2008 gewannen die Demokraten in den USA erdrutschartig nicht nur die Präsidentschaft, sondern auch deutliche Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat. Dieser Sieg wurde als Mandat der Wählerschaft zu tiefgreifenden Veränderungen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft gesehen: Yes we can! Entsprechend wurden die unter Bush begonnenen Bailouts für Versicherungen und Autohersteller verstärkt und ein massives mehr oder minder keynesianisches Konjunkturprogramm aufgelegt. Parallel dazu soll das Krankenversicherungswesen fundamental umstrukturiert werden und werden sowohl Steuererhöhungen für höhere Einkommen als auch "Klimaschutzmaßnahmen" wie Emissionsreduktionen diskutiert.

Wie wird nun ein Kleinbetrieb reagieren, wenn deutlich höhere Personalkosten drohen, weil er möglicherweise demnächst seine komplette Belegschaft zusätzlich krankenversichern muss? Er wird sein Wachstum vorerst auf Eis legen, zumindest bis klar ist, wie die Rahmenbedingungen für die nächsten Jahre aussehen. Analog werden Firmen jetzt weniger investieren, die unter Umständen von einem Emissionshandel betroffen sind, wie etwa Raffinerien. Alle Firmen müssen sich Gedanken darüber machen, wie die US-Zentralbank mit dem politischen Druck zu mehr Inflation umgehen wird. Schließlich wird auch jeder Haushalt größere Anschaffungen überdenken, solange nicht klar ist, ob die Steuern demnächst erhöht werden.

Solange völlig unklar ist, wo die wirtschaftspolitische und regulatorische Reise hingeht, kann niemand fundiert entscheiden, ob eine Investition sich auszahlen wird oder nicht. Angesichts dieser Unsicherheit ist es am sinnvollsten, Kapital liquide zu halten und nicht zu investieren.

Nun ist der Hinweis auf diesen Wirkzusammenhang nicht neu. Am überzeugendsten hat bisher Robert Higgs argumentiert, dass diese Regime Uncertainty, diese "regulatorische Unsicherheit", dafür verantwortlich war, dass die Große Depression in den Dreißiger Jahren so lange dauerte: schon unter den Präsidenten Hoover und Roosevelt war völlig unklar, wie weit die Umgestaltung des Wirtschaftslebens gehen würde und wie es danach um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stehen würde. Und in der aktuellen Krise hat schon die Regierung Bush alles getan, um Investoren und Konsumenten zu verunsichern.

So wichtig Reformen manchmal sind: Stabilität und Verlässlichkeit haben in der Wirtschaftspolitik einen Wert an sich. Hoffen wir, dass Politiker das irgendwann verstehen und den Rausch ihrer Gestaltungsbesoffenheit ausschlafen. Den wirtschaftlichen Kater erleiden wir alle.



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