23. März 2009

Kurioses, kurz kommentiert: Der gesteigerte Bekanntheitsgrad des Ministerpräsidenten Erwin Sellering. Wahre Dummheiten, im doppelten Wortsinn

Nach fünf Monaten im Amt lässt sich mein Bekanntheitsgrad bundesweit sicher noch steigern.

Der Ministerpräsident von Mecklenburg- Vorpommern, Erwin Sellering (SPD) gestern im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

Kommentar: Seinen Bekanntheitsgrad bundesweit zu steigern - das genau hat er mit diesem Interview in der Tat geschafft, der Erwin Sellering.

Vermutlich haben ihn die Dummheiten, die er da geäußert hat ("Ich verwahre mich aber dagegen, die DDR als den totalen Unrechtsstaat zu verdammen, in dem es nicht das kleinste bisschen Gutes gab"), mit einem Schlag bekannter gemacht, als es viele kluge Äußerungen in Jahren hätten tun können.

Kurioserweise nämlich ist es für einen Politiker manchmal günstiger, negative Schlagzeilen zu bekommen, als gar keine. Was man über Herrn X und Frau Y gelesen oder gesehen hat, das gerät oft schnell in Vergessenheit. Aber daß es jemand ist, den man kennt, das bleibt haften.

Natürlich wußte Sellering, daß seine abstruse Lobhudelei der DDR überwiegend negative Kommentare auslösen würde; bei den Kollegen von B.L.O.G. hat Rayson zu Recht auf die Parallele zu dem notorischen Spruch "Aber Hitler hat doch die Autobahnen gebaut" aufmerksam gemacht.

Aber endlich weiß jetzt jeder Zeitungsleser und TV-Zuschauer, daß es einen SPD-Politiker namens Erwin Sellering gibt.



Muß ich erläutern, warum Sellerings Äußerungen Dummheiten, warum sie abstrus sind? Vielleicht doch besser.

Er sagte neben dem oben Zitierten unter anderem dies:
Natürlich hatte die DDR Stärken. Viele Leute sagen mir immer wieder: Was ihr in den Kitas macht oder was nach dem Vorbild Finnlands in den Schulen getan wird, das kennen wir schon. Dinge, die wir jetzt zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung einführen, gab es schon in der DDR. Auch als überzeugter Anhänger unseres sozialen Rechtsstaates sage ich: Das eine war nicht völlig schwarz, das andere ist nicht völlig weiß.
Das ist, was man eine wahre Dummheit nennen kann. Im doppelten Wortsinn.

Denn in gewisser Weise ist ja wahr, was Sellering da sagt. Es ist ebenso wahr wie diese Aussagen:
Natürlich hatte das Dritte Reich Stärken. Es gab nach 1933 ein Wirtschaftswunder. Die Leute kamen wieder in Arbeit. Hitler hat die Autobahnen gebaut. Auch Arbeiter konnten sich dank KdF einen Urlaub leisten. Hitler hat das Heilpraktiker- Gesetz beschließen lassen, den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag gemacht und die Sicherungsverwahrung eingeführt; Dinge, die wir noch heute haben.
Auf dem Höhepunkt der Gewalt im Irak habe ich Äußerungen einer Irakerin gelesen, wie friedlich es doch unter Saddam Hussein gewesen sei. Da habe man an lauen Frühlingsabenden am Tigris gesessen und seinen Tee geschlürft.

Als Student hatte ich zwei Kommilitonen aus dem heutigen Namibia, das damals von Südafrika verwaltet wurde. Söhne deutscher Farmer, die von den paradiesischen Verhältnissen in ihrer Heimat schwärmten - alles friedlich, kaum Kriminalität; mit einem Lebensstandard des normalen Farmers, den sich in Europa nur die Reichsten leisten konnten.



Also, natürlich hat jede Diktatur, hat jeder Unrechtsstaat auch seine "Stärken". Insofern sind Sellerings Dummheiten wahr.

Sie sind zugleich aber wahre Dummheiten, denn solche "Stärken" mindern ja in keiner Weise den Charakter des Unrechtsstaats. Der Führer Adolf Hitler wird nicht weniger verabscheuenswürdig dadurch, daß er seinen Hund Blondie freundlich behandelt hat und sogar - jedenfalls berichtet das Traudl Junge - seinen Sekretärinnen ein guter Chef war. Und in Maos China hat es keine frei zugängliche Kinderpornografie gegeben; das mindert nicht seinen Charakter als barbarische Diktatur.

Da jedes politische System, da jeder Politverbrecher solche "Stärken" hat, da sie also triviale Sachverhalte sind, gibt es keinen Grund, eigens auf sie hinzuweisen. Jedenfalls nicht für einen Poliitiker.

Ein Historiker wird dergleichen konstatieren, aber ohne es zu werten. Bei einem Politiker wird es als der Versuch wahrgenommen werden, die betreffende Diktatur zu verharmlosen. So, wie wir es mit dem "Unter Adolf war nicht alles schlecht" seit Jahrzehnten von den Rechtsextremen zu hören bekommen.

Was also motivierte den Erwin Sellering zu seinen wahren Dummheiten? Man kann natürlich nur raten. Bekannt ist er jedenfalls jetzt, bundesweit. Und angebiedert hat er sich manchen DDR- Nostalgikern in seinem Bundesland vermutlich auch.



Für Kommentare bitte hier klicken.