31. März 2009

Zitat des Tages: Präsident Obamas verwirrende Strategie für Afghanistan. Nebst einem jiddischen Witz

If you're confused about President Barack Obama's "comprehensive strategy" for Afghanistan and Pakistan, ... don't feel dense. I'm confused, too, and so are several military experts I've been talking with.

(Wenn Präsident Obamas "umfassende Strategie" für Afghanistan und Pakistan ... Sie verwirrt, machen Sie sich nichts daraus. Auch ich bin verwirrt, und etlichen Militär- Experten, mit denen ich gesprochen habe, geht es nicht anders).

Fred Kaplan im Slate Magazine zu der Rede des US-Präsidenten am vergangenen Freitag, in der er seine Politik gegenüber Afghanistan und Pakistan erläuterte.

Kommentar: Auf dem bevorstehenden G-20-Gipfel wird es zwar vorrangig um die wirtschaftliche Krise gehen, aber auch Afghanistan wird ein zentrales Thema sein. Es ist also nicht nur für die Amerikaner interessant, wie sich der Präsident das künftige Vorgehen in dieser Region vorstellt.

Sie können die Rede Obamas hier nachlesen.

Wie man es von ihm kennt, spart er nicht mit vollmundigen Ankündigungen. Eine "comprehensive, new strategy for Afghanistan and Pakistan" kündigt er an, eine umfassende, neue Strategie. Diese sei "the conclusion of a careful policy review", der Abschluß einer sorgfältigen Überprüfung der Politik gegenüber diesen Ländern. Er werde, sagte Obama zu Beginn, "speak clearly and candidly to the American people", klar und freimütig zum amerikanischen Volk sprechen.

Klingt gut. Reden kann er eben, der Obama. Oder er hat vielmehr Schreiber unter Vertrag, die seinen pomphaften Stil beherrschen.

Und was hat er nun angekündigt, der Präsident? Eine "consensus policy that has something to please almost everybody", schreibt Kaplan. Eine Konsenspolitik, die für jeden etwas hat, das ihm gefällt. Wir kennen das von dem Wahlkämpfer Obama.



Worum geht es? Die USA stehen vor der Wahl zwischen zwei Strategien, die beide seit langem ihre Verfechter haben: Einer Strategie der Aufstandsbekämpfung (counterinsurgency, abgekürzt COIN) und einer Strategie der Terrorbekämpfung (counterterrorism, CT).

Vom Wort her hört sich das ähnlich an; aber es handelt sich um sehr verschiedene Strategien.

Anhänger von COIN (manchmal die COIN-dinistas genannt) vertreten die Meinung, daß man einen Aufstand nicht primär mit militärischen Mitteln bekämpfen kann. Zentral sei es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen, diese gegen die Aufständischen zu schützen, eine Infrastruktur zu schaffen, die der Bevölkerung hilft. Nur so ließe sich ein Aufstand "austrocknen".

Natürlich halten auch die COIN-dinistas die militärische Bekämpfung der Aufständischen für erforderlich, aber nur als eine der Maßnahmen innerhalb einer solchen umfassenderen Strategie. Belasse man es beim militärischen Kampf, dann - so diese Denkrichtung - hätte die Bevölkerung nur unter der Anwesenheit der fremden Truppen zu leiden und werde in die Arme der Aufständischen getrieben.

Die Anhänger von CT leugnen nicht, daß COIN schön wäre. Sie bezweifeln aber, daß es in Afghanistan machbar ist. Dazu fehle es an Geld, an Truppen und auch an Zeit. Sie sehen es als das einzige Ziel an, die Kaida militärisch zu besiegen. Damit sei der Sicherheit der USA Genüge getan.



Wofür hat sich Präsident Obama am vergangenen Freitag entschieden? Für beides. Oder für keines. Oder für irgend etwas dazwischen. Man weiß es nicht, würde Dittsche sagen.

Einerseits nämlich soll offenbar eine CT-Strategie verfolgt werden. Aus der Rede:
As President, my greatest responsibility is to protect the American people. We are not in Afghanistan to control that country or to dictate its future. We are in Afghanistan to confront a common enemy that threatens the United States, our friends and our allies, and the people of Afghanistan and Pakistan who have suffered the most at the hands of violent extremists.

So I want the American people to understand that we have a clear and focused goal: to disrupt, dismantle and defeat al Qaeda in Pakistan and Afghanistan, and to prevent their return to either country in the future. That's the goal that must be achieved.

Meine größte Verantwortung als Präsident ist es, das amerikanische Volk zu schützen. Wir sind nicht in Afghanistan, um das Land zu kontrollieren oder seine Zukunft zu diktieren. Wir sind in Afghanistan, um einem gemeinsamen Feind entgegenzutreten, der die Vereinigten Staaten, unsere Freunde und Alliierten und die Völker Afghanistans und Pakistans bedroht, die am meisten unter den Aktionen gewalttätiger Extremisten leiden.

Somit möchte ich dem amerikanischen Volk deutlich machen, daß wir ein klares und scharf ausgerichtetes Ziel haben: Die Kaida in Pakistan und Afghanistan zu zerstören, zu zerschlagen und zu besiegen und damit zu verhindern, daß sie in Zukunft in eines dieser Länder zurückkehrt. Das ist das Ziel, das erreicht werden muß.
Eine lupenreine CT-Strategie also. Nichts von Demokratisierung des Landes, vom Aufbau einer Infrastruktur. Obama beschreibt hier genau das, was einer der Anführer der CT-Fraktion, Vizepräsident Biden, fordert.

Nur hat der Präsident offenbar nicht nur auf diesen gehört, sondern gleich auch noch auf seine Widersacher, die COIN-dinistas. Später in der Rede sagte er nämlich das genaue Gegenteil. Kaplan faßt diese Passage so zusammen:
But lest you think Obama has opted for the minimalist, CT approach, listen to what else he said in his speech: "To succeed, we and our friends and allies must ... promote a more capable and accountable Afghan government." This will require "a dramatic increase in our civilian effort," and he called for sending the Afghans "agricultural specialists and educators, engineers and lawyers." He also said we must compel the Afghan government to reduce the "corruption that causes Afghans to lose faith in their own leaders."

Aber wenn Sie jetzt denken, Obama hätte sich für die den minimalistischen CT-Ansatz entschieden, dann hören Sie sich einmal an, was er er in seine Reder auch noch sagte: "Um erfolgreich zu sein, müssen wir und unsere Freunde und Alliierten ... daran arbeiten, daß es in Afghanistan eine fähigere und verantwortungsvollere Regierung gibt". Dies werde "einen dramatischen Anstieg unserer zivilen Anstrengungen" erfordern, und er rief dazu auf, den Afghanen "Experten für Landwirtschaft und Lehrer, Ingenieure und Juristen" zu schicken. Er erklärte auch, daß wir die afghanische Regierung zwingen müßten, die "Korruption (einzudämmen), deretwegen die Afghanen den Glauben an ihre eigenen Führer verlieren".
Das nun allerdings ist lupenreine COIN-Politik.

Was also? Kaplan faßt es kurz zuammen: "Well, it's not clear what he'll do" - es sei halt unklar, was Obama tun werde.

Das ist die Essenz der "klaren und freimütigen" Rede an das amerikanische Volk. Was Obama auf dem G-20-Gipfel auf dieser Grundlage von den Allierten, vor allem auch von uns Deutschen fordern wird - darauf darf man gespannt sein.

Vor allem darauf, ob er doch noch verrät, was er nun eigentlich will.



Einer meiner Lieblingswitze (Sigmund Freud hat ihn erzählt): Zwei Männer liegen im Streit. Sie gehen zum Rebbe, damit dieser entscheide. Der erste trägt seine Sache vor. Der Rebbe klärt und sagt dann: Du hast Recht. Dann tritt der zweite vor und schildert seine Sicht des Streits. Wieder denkt der Rebbe nach und sagt dann: Du hast Recht. Darauf wirft ein Dritter ein: Aber Rebbe, du kannst doch nicht Beiden Recht geben. Darauf der Rebbe: Du hast Recht.



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