Fragt der Ausbilder den Rekruten: "Warum soll der Soldat den Vorgesetzten grüßen?" Anwortet der Rekrut: "Recht haben Sie, Herr Feldwebel. Warum soll er eigentlich?"
Warum sollen in Deutschland keine türkischen Universitäten eingerichtet werden? Ja, warum sollen sie denn eigentlich nicht? Fragte gestern in der "Süddeutschen Zeitung" deren Feuilletonchef Thomas Steinfeld. Titel: "Türkische Wahrheiten".
Für den unbedarften Medienkonsumenten ist die Sache klar: Der Ministerpräsident Erdogan hat das anläßlich eines Besuchs in Deutschland vorgeschlagen, auf dem er deutlich, nein überdeutlich gemacht hat, wie er sich die Zukunft der türkischen Einwanderer wünscht:
Sie sollen keine Deutsche werden. Sie sollen, auch wenn sie demnächst seit fünf, sechs Generationen in Deutschland leben, Türken bleiben. Mit "ihrer eigenen Sprache", der türkischen. Mit "ihrer Kultur".
Sie sollen sich vor allem - das wäre ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sagt Erdogan - um keinen Preis assimilieren. Anders also als die bisherigen Einwanderer nach Deutschland, die Polen, Russen, Italiener, Spanier zum Beispiel, die im letzten Jahrhundert eingewandert sind. Anders als heute die Einwanderer nach Kanada, Frankreich, die USA, beispielsweise.
Kurz, Erdogan sieht die Türken in Deutschland überhaupt nicht als Einwanderer im üblichen Sinn dieses Worts. Sondern für ihn sind und bleiben es Türken, die sich lediglich dafür entschieden haben, ihren Wohnsitz in Deutschland zu nehmen. "Kolonisten", das wäre vielleicht das passende Wort für das, was ihm vorschwebt. So wie die Wolgadeutschen, sagen wir.
Dort - hier also - sollen die Kolonisten natürlich ihre "eigene" Infrastruktur haben, ihre wenn auch vielleicht nicht geographischen, so doch kulturellen Enklaven. Nicht nur Geschäfte und Moscheen, nicht nur Teestuben und Vereinsheime, sondern eben auch Schulen und Universitäten. Was man als Türke nun einmal braucht, um sich wie in der Türkei zu fühlen. Auch wenn man seit vielen Generationen die Türkei allenfalls noch aus dem Urlaub kennt.
Was ist davon zu halten?
Wer will, daß es so kommt, wie das Erdogan will, wer also den Zweivölker- Staat Deutschland will, der wird ihm die türkischen Schulen und Universitäten nicht verweigern. Denn sonst müßten ja die Türken deutsche Universitäten besuchen; mit der erheblichen Gefahr, sich dabei des Menschheits- Verbrechens der Assimilation schuldig zu machen.
Wer andererseits - und das scheint ja bis jetzt noch der deutsche Konsens zu sein - der Auffassung ist, daß die Einwanderung nach Deutschland so, wie das in jedem Einwanderungsland der Fall ist, zur Integration, zur Anpassung, schließlich zur Assimilation führen soll, der wird nicht mit Erdogan konform gehen können. Er wird sein Ansinnen ablehnen, für die Einwanderer aus der Türkei eigene Universitäten zu errichten.
Kommen wir nun zum Literaturchef Steinfeld und seinem Artikel.
Mit dem Thema kennt sich Thomas Steinfeld aus; er hat selbst jahrelang in Schweden und in Kanda Deutsch und Deutsche Literatur gelehrt. Er hat zur Ergänzung auch noch im Archiv nachgesehen und nennt erst einmal Zahlen: Wieviele deutsche Schulen es im Ausland gibt, wieviele deutsche Lehrer an diesen Schulen.
So auch in der Türkei, wie auch anders. Und dort sei gar eine deutsche Universität geplant. Es gebe doch auch an deutschen Universitäten Unterricht auf Englisch, schreibt Steinfeld weiter. Es gebe in Berlin ein französisches Gymnasium. "All diese Unternehmungen gelten als Beförderung der internationalen Verständigung, als Erfolge des Dialogs zwischen den Kulturen. Geht es aber um die Türkei und die Türken, gelten die Regeln nicht mehr. Die Aufregung wirkt um so absurder ...", und so fort.
Was soll man dazu sagen? Ist denn dem Literaturchef Steinfeld nicht bewußt, daß die deutschen Schulen im Ausland, daß die französischen, amerikanischen usw. Gymnasien in Deutschland nicht dazu dienen, einer dort in einer kulturellen Enklave ansässigen Minderheit Erziehung und Bildung in ihrer "eigenen" Kultur anzubieten?
Sieht Steinfeld nicht oder will er nicht sehen, daß diese Schulen, daß auch die geplante deutsche Universität in der Türkei die genau umgekehrte Funktion haben: Denjenigen, die in ihrer eigenen Kultur verwurzelt sind - den Deutschen in Deutschland, den Türken in der Türkei - das Angebot zu machen, sich auch in einer weiteren Kultur umzusehen, deren Sprache, deren soziale Kompetenzen, deren Abschlüsse und Zertifikate zu erwerben?
Ob Thomas Steinfeld wirklich nicht wahrnimmt, daß es hier um sehr verschiedene Fälle geht; so verschieden, daß man sie nicht argumentativ in einen Topf werfen kann? Oder ist ihm das klar, und er will uns Leser nur ein wenig auf den Arm nehmen? Ich weiß es nicht.
Jedenfalls beläßt er es nicht dabei, dem "Kultur- Chauvinisten" Erdogan (so heute im TV die türkischstämmige Rechtsanwaltin und Bürgerrechtlerin Seyran Ates) nur in Sachen Universität argumentativ beizuspringen. Sondern er setzt noch einen drauf, der Literaturchef, indem er für den mangelnden Assimilationswillen von Türken in Deutschland nicht etwa diese selbst verantwortlich macht, sondern uns Deutsche.
Die "Klein-Türkei" in Deutschland, schreibt er, sei
Daß sie das selbst wollen könnten, aus freien Stücken, als autonome, für sich selbst verantwortliche Bürger; ganz so, wie (der ja auch vermutlich nicht durch deutsche Arroganz dazu getriebene) Erdogan es will - auf diesen Gedanken scheint Steinfeld gar nicht zu kommen.
"Türkische Wahrheiten" sind das nicht, die Steinfeld uns mitteilt. Bestenfalls Halbwahrheiten.
Warum sollen in Deutschland keine türkischen Universitäten eingerichtet werden? Ja, warum sollen sie denn eigentlich nicht? Fragte gestern in der "Süddeutschen Zeitung" deren Feuilletonchef Thomas Steinfeld. Titel: "Türkische Wahrheiten".
Für den unbedarften Medienkonsumenten ist die Sache klar: Der Ministerpräsident Erdogan hat das anläßlich eines Besuchs in Deutschland vorgeschlagen, auf dem er deutlich, nein überdeutlich gemacht hat, wie er sich die Zukunft der türkischen Einwanderer wünscht:
Sie sollen keine Deutsche werden. Sie sollen, auch wenn sie demnächst seit fünf, sechs Generationen in Deutschland leben, Türken bleiben. Mit "ihrer eigenen Sprache", der türkischen. Mit "ihrer Kultur".
Sie sollen sich vor allem - das wäre ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sagt Erdogan - um keinen Preis assimilieren. Anders also als die bisherigen Einwanderer nach Deutschland, die Polen, Russen, Italiener, Spanier zum Beispiel, die im letzten Jahrhundert eingewandert sind. Anders als heute die Einwanderer nach Kanada, Frankreich, die USA, beispielsweise.
Kurz, Erdogan sieht die Türken in Deutschland überhaupt nicht als Einwanderer im üblichen Sinn dieses Worts. Sondern für ihn sind und bleiben es Türken, die sich lediglich dafür entschieden haben, ihren Wohnsitz in Deutschland zu nehmen. "Kolonisten", das wäre vielleicht das passende Wort für das, was ihm vorschwebt. So wie die Wolgadeutschen, sagen wir.
Dort - hier also - sollen die Kolonisten natürlich ihre "eigene" Infrastruktur haben, ihre wenn auch vielleicht nicht geographischen, so doch kulturellen Enklaven. Nicht nur Geschäfte und Moscheen, nicht nur Teestuben und Vereinsheime, sondern eben auch Schulen und Universitäten. Was man als Türke nun einmal braucht, um sich wie in der Türkei zu fühlen. Auch wenn man seit vielen Generationen die Türkei allenfalls noch aus dem Urlaub kennt.
Was ist davon zu halten?
Wer will, daß es so kommt, wie das Erdogan will, wer also den Zweivölker- Staat Deutschland will, der wird ihm die türkischen Schulen und Universitäten nicht verweigern. Denn sonst müßten ja die Türken deutsche Universitäten besuchen; mit der erheblichen Gefahr, sich dabei des Menschheits- Verbrechens der Assimilation schuldig zu machen.
Wer andererseits - und das scheint ja bis jetzt noch der deutsche Konsens zu sein - der Auffassung ist, daß die Einwanderung nach Deutschland so, wie das in jedem Einwanderungsland der Fall ist, zur Integration, zur Anpassung, schließlich zur Assimilation führen soll, der wird nicht mit Erdogan konform gehen können. Er wird sein Ansinnen ablehnen, für die Einwanderer aus der Türkei eigene Universitäten zu errichten.
Kommen wir nun zum Literaturchef Steinfeld und seinem Artikel.
Mit dem Thema kennt sich Thomas Steinfeld aus; er hat selbst jahrelang in Schweden und in Kanda Deutsch und Deutsche Literatur gelehrt. Er hat zur Ergänzung auch noch im Archiv nachgesehen und nennt erst einmal Zahlen: Wieviele deutsche Schulen es im Ausland gibt, wieviele deutsche Lehrer an diesen Schulen.
So auch in der Türkei, wie auch anders. Und dort sei gar eine deutsche Universität geplant. Es gebe doch auch an deutschen Universitäten Unterricht auf Englisch, schreibt Steinfeld weiter. Es gebe in Berlin ein französisches Gymnasium. "All diese Unternehmungen gelten als Beförderung der internationalen Verständigung, als Erfolge des Dialogs zwischen den Kulturen. Geht es aber um die Türkei und die Türken, gelten die Regeln nicht mehr. Die Aufregung wirkt um so absurder ...", und so fort.
Was soll man dazu sagen? Ist denn dem Literaturchef Steinfeld nicht bewußt, daß die deutschen Schulen im Ausland, daß die französischen, amerikanischen usw. Gymnasien in Deutschland nicht dazu dienen, einer dort in einer kulturellen Enklave ansässigen Minderheit Erziehung und Bildung in ihrer "eigenen" Kultur anzubieten?
Sieht Steinfeld nicht oder will er nicht sehen, daß diese Schulen, daß auch die geplante deutsche Universität in der Türkei die genau umgekehrte Funktion haben: Denjenigen, die in ihrer eigenen Kultur verwurzelt sind - den Deutschen in Deutschland, den Türken in der Türkei - das Angebot zu machen, sich auch in einer weiteren Kultur umzusehen, deren Sprache, deren soziale Kompetenzen, deren Abschlüsse und Zertifikate zu erwerben?
Ob Thomas Steinfeld wirklich nicht wahrnimmt, daß es hier um sehr verschiedene Fälle geht; so verschieden, daß man sie nicht argumentativ in einen Topf werfen kann? Oder ist ihm das klar, und er will uns Leser nur ein wenig auf den Arm nehmen? Ich weiß es nicht.
Jedenfalls beläßt er es nicht dabei, dem "Kultur- Chauvinisten" Erdogan (so heute im TV die türkischstämmige Rechtsanwaltin und Bürgerrechtlerin Seyran Ates) nur in Sachen Universität argumentativ beizuspringen. Sondern er setzt noch einen drauf, der Literaturchef, indem er für den mangelnden Assimilationswillen von Türken in Deutschland nicht etwa diese selbst verantwortlich macht, sondern uns Deutsche.
Die "Klein-Türkei" in Deutschland, schreibt er, sei
die Konsequenz einer arroganten Weigerung anzuerkennen, dass man mehr als zwei Millionen Einwanderer im Land hat. Über Jahrzehnte wurden diese Türken, ihre Kinder und sogar Kindeskinder, in Deutschland in einem rechtlich unsicheren Zustand gehalten. Man wird es ihnen nicht vorwerfen können, wenn sie daraus den Schluss ziehen, dass ihr Leben hier nicht fest gegründet ist, dass die Vorbehalte gegen sie jederzeit in offenen Rassismus umschlagen, dass sie wieder "nach Hause geschickt" werden können - und dass sie sich abschirmen.Jens Jessen läßt grüßen. So, wie dieser für den Angriff von zwei Jugendlichen auf einen Rentner nicht diese selbst verantwortlich machte, sondern die negativen Erfahrungen, die sie angeblich mit erwachsenen Deutschen gemacht hatten, so ist es jetzt bei Steinfeld die "arrogante Weigerung", überhaupt die Existenz der Einwanderer aus der Türkei "anzuerkennen", die diese sozusagen gegen ihren Willen dazu trieb, Türken bleiben zu wollen.
Daß sie das selbst wollen könnten, aus freien Stücken, als autonome, für sich selbst verantwortliche Bürger; ganz so, wie (der ja auch vermutlich nicht durch deutsche Arroganz dazu getriebene) Erdogan es will - auf diesen Gedanken scheint Steinfeld gar nicht zu kommen.
"Türkische Wahrheiten" sind das nicht, die Steinfeld uns mitteilt. Bestenfalls Halbwahrheiten.
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