26. Februar 2008

Gedanken zu Frankreich (23): Sarkozy nervt die Franzosen

Wir hatten das kürzlich schon: Kaum etwas ist so schwierig zu übersetzen wie Flüche, Sottisen, Schimpfereien, Obszönitäten. Wie überhaupt die Vulgärsprache, dieser Reichtum des Volks.

Schwer zu übersetzen, weil da jede Sprache ihren eigenen, mehr oder weniger unerschöpflichen Schatz an Bildern, an Metaphern, an Anspielungen hat. Keine Facette einer Sprache ist ausdrucksstärker und bildkräftiger als diejenige, deren wir uns bedienen, wenn uns der Mund übergeht, weil das Herz voll ist und wir eine schlechte Erziehung haben.

Als ich das kürzlich erwähnte, ging es um ein französisches Schimpfwort: "Connard" hatte ein französischer Schüler seinen Lehrer genannt. Dieser hatte ihm darauf eine Ohrfeige verpaßt und sieht jetzt, nachdem er schon zwei Tage in Haft genommen worden war, einem Verfahren wegen "schwerer Mißhandlung" entgegen.

In "connard" steckt "con", und das heißt dumm, blöd, idiotisch. Womit wir bei einer Meldung wären, die im Augenblick die Franzosen, nun gut, nicht erregt, aber doch beschäftigt. Bei uns hat sie es bis in "Spiegel Online", gebracht. Sogar der Pariser Korrespondent des gedruckten "Spiegel", Stefan Simons, hat zur Feder gegriffen, um zu beschreiben, was da passiert war.



Ich verlasse mich lieber auf den Bericht im Nouvel Observateur. Danach hat Sarkozy am vergangenen Samstag die jährliche Landwirtschafts- Ausstellung Salon de l'Agriculture besucht. Sarkozy nahm ein "Bad in der Menge" und drückte jede Hand, die er zu fassen bekam. Darunter die eines älteren Herrn, der sich das verbat. Es kam zu einem kurzen Wortwechsel, den der höchste Repräsentant Frankreichs, Nachfolger von de Gaulle und Mitterand, mit dem Satz beendete: "Casse-toi alors, pauvre con".

"Con", hier substantivisch verwendet, kennen wir schon. "Casser" heißt eigentlich "zerbrechen". "Zerbrich dich" - das ist die freundliche Aufforderung, sich wie das Rumpelstilzchen selbst zu zerreißen. Also, sagen wir im Deutschen, Leine zu ziehen, die Fliege zu machen, sich zu verpissen, sich zu verdrücken, abzuhauen. "Abhauen" ist die beste Übersetzung, die mir einfällt, weil im "Hauen" ja auch dieses Moment der Aggression steckt wie im "casser".

"Hau doch ab, armer Irrer" - das ist es, was Nicolas Sarkozy ungefähr gesagt hat. Nicht sehr höflich, aber auch nicht besonders schlimm. Zumal jener ältere Herr ihm in dem vorausgehenden Dialog entgegengerufen hatte "Tu me salis", du machst mich dreckig. Ja auch nicht sehr höflich.



Warum beschäftigt diese Lappalie die Franzosen so sehr, daß sogar der Korrspondent des gedruckten Spiegel, früher Peking, darüber glaubt berichten zu sollen?

Weil sie ihn leid sind, diesen Nicolas Sarkozy. Weil er ihnen bis zur Unterkante Oberlippe steht, dieser Sarkozy mit seiner Egomanie, seinem Machthunger, seiner Selbstentblößung, seiner Vulgarität.

Mal das öffentliche Geturtel mit Mme Bruni, mal die heimliche Hochzeit wie im Lore-Roman, mal die lächerliche SMS-Affäre mit Sarkozys Versuch, gerichtlich gegen eine Zeitschrift vorzugehen. Jetzt gerade versucht er, eine Entscheidung des Conseil Constitutionel auszuhebeln, der in seinen Funktionen unserem Verfassungsgericht entspricht.

On a ras le bol, es reicht den Franzosen. Und weil das ein weitverbreitetes Gefühl ist, wird jetzt schon eine harmlose, wenn auch etwas grobe Bemerkung Sarkozys zum Skandal.



Dabei hat er bei seinem Besuch dieser Landwirtschafts- Ausstellung etwas gesagt, das eigentlich viel mehr Aufsehen hätte erregen sollen: Er will die französische Küche in die Liste des Welt- Kulturerbes aufnehmen lassen.

Kein Witz. Es gibt seit 2003 eine Konvention über das Intangible Heritage, das ideelle Erbe. Also keine Gebäude, Brücken und dergleichen, sondern Sprachen, Sitten, Riten, Mythen, vom Untergang bedrohte handwerkliche Künste. Dergleichen.

Und da will Sarkozy also die französische Küche unterbringen, sie von der UNESCO anerkennen lassen, zwischen den Praktiken von Schamanen und dem Schmieden des Kris in Indonesien.

Begründung: "Nous avons la meilleure gastronomie du monde, enfin de notre point de vue". - "Wir haben die beste Küche der Welt, jedenfalls von unserem Standpunkt aus".

Von meinem Standpunkt aus, muß ich da Sarkozy entgegenhalten, kochte allerdings meine Großmutter die beste Küche der Welt. Vielleicht sollte ich bei der UNESCO auch einen Antrag auf Anerkennung als Weltkulturerbe stellen. Immerhin kochte sie eine sehr interessante Küche, die der Wenden und Sorben.

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