30. November 2012

Überlegungen zur Freiheit (14): Deutschland im Würgegriff der Gesundheitsapostel. NRW verschärft das Rauchverbot

Vielleicht ist es an der Zeit, demnächst die Serie "Deutsch­land im Öko-Würgegriff" durch eine Serie "Deutsch­land im Würge­griff der Gesundheitsapostel" zu ergänzen. Aber auch zu Überlegungen zur Freiheit paßt das, worauf ich gern Ihr Augenmerk lenken möchte.

Ökologie und Gesundheit - das eine greift ins andere, wie schon vor drei Jahren zu konstatieren war, als die Umwelt­organisation "Greenpeace" sich gegen angeblich falsche Ernährung von Schulkindern ins Zeug legte (siehe Deutschland im Öko-Würgegriff (17): Jetzt wird der Gesundheitsbereich erobert; ZR vom 9. 8. 2009).

Nachdem man bei Klima und Umwelt alles im Griff hat, wird jetzt verstärkt von dem zweiten Passepartout Gebrauch gemacht, der Gesundheit. Fast alles, was Menschen tun, hat irgendwie Auswirkungen entweder auf die Umwelt oder auf die Gesundheit, im Idealfall auf beide. Da läßt sich also trefflich gängeln.

Zwei aktuelle Beispiele sind der jetzt eröffnete Kampf gegen die Dicken und Vorboten einer Prohibition, beispielsweise das Bestreben, Alkohol in der Eisenbahn zu verbieten. Aber auch der gute alte Kampf gegen das Rauchen ist noch ausbaufähig.



Jetzt ist das rotgrün regierte Land Nordrhein-Westfalen am Ausbauen. Wie überall in Deutschland existiert dort ein Rauchverbot in Restaurants. Kleine Kneipen, in denen es keine Restauration gibt, waren aber bisher ausgenommen. Es gab auch die Möglichkeit, in größeren Betrieben getrennte Raucherbereiche einzurichten.

Damit wird es künftig vorbei sein. Gestern hat der Landtag von NRW beschlossen, daß ab dem 1. Mai 2013 in Gaststätten generell nicht mehr geraucht werden darf. Auch nicht mehr in Festzelten, etwa beim Schützenfest. Auch nicht mehr in Raucherclubs, die es also nicht mehr geben wird. Auch nicht mehr bei Betriebs- und Vereinsfeiern, die als geschlossene Gesellschaft in Gaststätten stattfinden. Nur bei privaten Feiern wird eine Ausnahme gemacht.

Durch Nichtraucherschutz läßt sich das nicht begründen. In einem Raucherclub gibt es definitionsgemäß keine Nichtraucher. Auch als Bedienung in einem Raucherclub werden sich schwerlich Nichtraucher einstellen lassen. Dasselbe gilt für die Einraum-Eckkneipe, in der bisher in NRW noch geraucht werden durfte. Wer sich dort hineinbegibt, der ist entweder Raucher, oder er hat jedenfalls nichts dagegen, Rauch einzuatmen.

Ob ihn das schädigt oder nicht, ob er das Risiko in Kauf nimmt oder nicht, das ist allein seine Sache. Ein staatlicher Schutz von Nichtrauchern kann sich nur auf diejenigen Nichtraucher erstrecken, die geschützt werden wollen.

Wie also begründet die rotgrüne Regierung von NRW das Gesetz, dem der Landtag gestern zugestimmt hat? Aus der Einleitung zu dem Gesetzentwurf:
Am 1. Januar 2008 ist das Nichtraucherschutzgesetz Nordrhein-Westfalen in Kraft getreten, für Gaststätten gilt es seit 1. Juli 2008. Mit Wirkung zum 18. Juli 2009 wurde das Gesetz um Regelungen zu den so genannten Raucherkneipen ergänzt. Die drei Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes durchgeführte Prüfung der Auswirkungen des NiSchG NRW ist zu dem Ergebnis gekommen, dass in wichtigen Einzelbereichen, wie z. B. bei den Regelungen für Schulen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und Freizeiteinrichtungen, Bedarf an Nachbesserungen besteht. Gänzlich unbefriedigend bleiben die Regelungen für Gaststätten. Hier sind es vor allem die zahlreichen möglichen Ausnahmetatbestände, durch die ein umfassender Nichtraucherschutz nicht gewährleistet werden kann. Zudem erschweren es die vielfältigen Ausnahme­regelungen den örtlichen Ordnungsbehörden, wirksame Kontrollen durchzuführen.
Wieso ein "umfassender Nichtraucherschutz nicht gewähr­leistet werden kann", wird nicht erläutert. Die Begründung, wirksame Kontrollen seien bisher schwierig, ist jedes Obrigkeitsstaats würdig: Die Gesetzgebung wird dem Bedürfnis nach Kontrolle unterworfen

Es folgt in der Einleitung zu dem Gesetzentwurf ein Abschnitt "Lösung":
Aus Gründen eines konsequenten Gesundheitsschutzes, der Vollzugstauglichkeit des Gesetzes und der Wettbewerbsfähigkeit ist für den Gaststättenbereich ein uneingeschränktes Rauchverbot geboten. Die Ausnahmen für Brauchtumsveranstaltungen, Festzelte und Raucherclubs werden aufgehoben. Die Einrichtung von Raucherräumen ist nicht mehr möglich.
"Wettbewerbsfähigkeit" in diesem Zusammenhang zu nennen, grenzt an Zynismus. Denn diese Gesetzesänderung wird die Wettbewerbsfähigkeit zahlreicher kleiner Kneipen vernichten. Wer in der Kneipe nicht mehr wie gewohnt rauchen kann, der trinkt sein Bier eben mit Freunden zu Hause.

Und dann gibt es in dieser Einleitung noch einen besonders lesenswerten Abschnitt, überschrieben "Alternativen". Er enthält nur einen Satz:
Wegen des hohen Ranges des Gesundheitsschutzes ist ein konsequentes Gesetz, das Ausnahmen weitgehend reduziert, ohne Alternative.
Da haben wir ihn, des Pudels Kern: Der "hohe Rang des Gesundheitsschutzess".

Ihm wird alles andere untergeordnet. Die wirtschaftliche Existenz der kleinen Gastronomen. Der Genuß, die Lebensqualität derer, die nun einmal gern rauchen. Vor allem aber die Freiheit des Bürgers, sich zu entscheiden, welches Risiko er auf sich nehmen will und welches nicht. Der fürsorgliche Staat entscheidet für ihn.



Diskussionen zum Thema Rauchverbot werden in der Regel mit großem persönlichen Engagement geführt, auch in Zettels kleinem Zimmer. Das mag daran liegen, daß jede Partei für ein ureigenstes Recht eintritt - auf ihre Freiheit, auf den Schutz ihrer Gesundheit - und dieses von der anderen Partei bedroht sieht.

Mir scheint aber, daß "Raucher gegen Nichtraucher" die falsche Front ist. Auch Raucher können kein Interesse daran haben, Nichtraucher zu belästigen und damit den Vorwand für weitere staatliche Eingriffe in unsere Freiheit zu liefern. Auch Nichtraucher können - jedenfalls dann, wenn sie liberal denken - nicht wollen, daß der Staat unter dem Vorwand, sie zu schützen, immer mehr in das Leben der Bürger hineinregiert.

Die Trennlinie verläuft nicht zwischen Rauchern und Nichtrauchern. Sie verläuft zwischen Eiferern, die eine formierte, obrigkeitsstaatlich verwaltete Gesellschaft wollen, samt ihren Parteien und Organisationen auf der einen Seite und freiheitlich denkenden Bürgern auf der anderen.

Auch sie mit ihren Parteien; oder vielmehr ihrer Partei, der FDP. Diese immerhin hat im NRW-Landtag klare Worte gefunden:
Mit dem rot-grünen Rauchverbot werden aus Sicht der FDP die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger, Unternehmer und ehrenamtlicher Vereine in erheblichem Maß beschnitten. Die FDP kritisiert diese allumfassende Verbots-Politik als unverhältnismäßig, da sie das Anliegen des Nichtraucherschutzes überschreitet und im Ergebnis zu einer weitgehenden Diskriminierung von Raucherinnen und Rauchern führt. Die Regelung zu geschlossenen Gesellschaften erscheint den Liberalen zudem rechtlich zweifelhaft. Statt auf Bevormundung setzt die FDP auf Prävention und Aufklärung über die Risiken des Rauchens. Die klare Botschaft: Rot-Grün soll den Gesetzentwurf zurückziehen.
Was natürlich eine rhetorische Forderung war. Selbst 18 SPD-Abgeordnete, die gegen das Gesetz waren und das auch in einer persönlichen Erklärung mitteilten, haben gleichwohl zugestimmt. "Um des lieben Friedens willen", wie der WDR meldete.

Das ist es, worauf diejenigen vertrauen, die unsere Freiheit Schritt für Schritt untergraben wollen: Daß wir Bürger uns das gefallen lassen, um des lieben Friedens willen.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie findet man hier. Titelvignette: Die Freiheitsstatue in New York. Vom Autor Derek Jensen (Tysto) in die Public Domain gestellt.