Wo ist man besonders emotional? Kurz gesagt: In Amerika. Auf dem ganzen Kontinent Amerika, the Americas, von Alaska bis Feuerland.
Wo fehlt es am meisten an Emotionen? Kurz gesagt: Dort, wo früher der Sowjetkommunismus herrschte; von Kiew bis Wladiwostok. Und in Singapur.
Das ist, ganz im Groben, das Ergebnis einer weltweiten Umfrage von Gallup. Die einzelnen Resultate finden Sie bei der Washington Post dargestellt, die diese Daten schön übersichtlich als eine farbige Weltkarte aufbereitet hat.
Gallup hat es zu einer seiner Spezialitäten gemacht, Menschen weltweit nach ihrem Leben, ihrer Befindlichkeit, ihrem Urteil zu wichtigen Themen zu befragen; beispielsweise der Zufriedenheit mit der Politik der jeweiligen Regierung (siehe Zustimmung zur Politik der Regierung Merkel weltweit am höchsten; ZR vom 20. 4. 2012). Die Interviews umfassen zahlreiche Fragen; und Gallup publiziert diese Daten dann thematisch getrennt. Jetzt also wurden Ergebnisse zur Emotionalität veröffentlicht.
Es wurden zehn Fragen gestellt wie "Haben Sie gestern viel gelacht oder gelächelt?", "Hatten Sie gestern Ärger?". (Die vollständige Liste finden Sie unten). Je fünf Fragen bezogen sich auf positive und negative Emotionen.
Für ein Ranking der Länder nach Emotionalität wurden die Ergebnisse aller zehn Fragen gemittelt und als Prozentwert ausgedrückt. "50 Prozent" würde also zum Beispiel besagen, daß in dem betreffenden Land im Schnitt fünf der zehn Fragen bejaht wurden.
Unter den 15 Ländern mit der höchsten so gemessenen Emotionalität sind überwiegend solche in Nord- und Südamerika: Kanada, USA, Guatemala, Nicaragua, El Salvador, Costa Rica, Dominikanische Republik, Kolumbien, Ecuador, Bolivien, Peru, Chile; dazu die Philippinen (Spitzenreiter mit 57 Prozent), Bahrein und Oman.
Die Liste der 10 Letzten wird angeführt von Singapur mit 36 Prozent. Ansonsten befinden sich dort überwiegend Länder der ehemaligen Sowjetunion (Rußland, Weißrußland, Ukraine, Georgien, Litauen, Kasachstan und Kirgisien); dazu Madagaskar und Nepal.
Das sind, wie gesagt, Durchschnittswerte, die positive und negative Emotionen zusammenfassen; die also so etwas wie Emotionalität allgemein (und/oder deren Ausdruck) messen.
In der jetzigen Veröffentlichung von Gallup wird das leider nicht nach positiven und negativen Emotionen aufgeschlüsselt. Ich habe aber eine frühere Publikation vom Juni dieses Jahres gefunden, in der die Daten für die negativen Emotionen enthalten sind.
Hier sieht das Bild ganz anders aus als bei den Emotionen insgesamt.
Die drei höchsten Werte für negative Emotionen wurden in arabischen Ländern gemessen: Irak (59 Prozent), palästinensische Gebiete (43 Prozent) und Bahrein (41 Prozent). Ebenfalls in der Gruppe der 13 Länder mit den höchsten Werten befinden sich die islamischen Länder Türkei, Ägypten, Iran und Pakistan. Des weiteren sind in dieser Gruppe die Philippinen, Togo, Griechenland, Armenien, Serbien und Bolivien.
Die Länder, in denen Gallup am wenigsten negative Emotionen fand, ergeben eine Liste, die kaum regionale Schwerpunkte erkennen läßt: Somaliland, Usbekistan, Thailand, Kirgisien, Kosovo, Turkmenistan, Mali, Singapur, Mongolei, China, Trinidad und Tobago, Rußland, Thailand, Kasachstan.
Und Deutschland? Bei der Emotionalität insgesamt liegen wir mit 47 Prozent fast genau in der Mitte; gleichauf übrigens mit (unter anderem) Österreich, Italien und Japan. Bei den negativen Emotionen kommt Deutschland hingegen nur auf 19 Prozent. Nur 18 von 148 Ländern erreichten einen noch niedrigeren Wert.
47 Prozent Ja-Antworten insgesamt, 19 Prozent Ja-Antworten zu negativen Emotionen - daraus kann man leicht errechnen, daß in Deutschland im Schnitt 74 Prozent der Fragen zu positiven Emotionen bejaht wurden; also fast vier dieser fünf Fragen. Wir sind, so scheint es, ein glückliches Volk. An der Spitze bei den positiven Emotionen liegen übrigens drei lateinamerikanische Länder: Panama, Paraguay und Venezuela.
Man kann, wie anders, gegen eine solche Erhebung viel einwenden. Die Umfragen sind in den einzelnen Ländern unterschiedlich zuverlässig. Begriffe können bei einer Übersetzung andere Bedeutungsnuancen annehmen. ("In addition to sampling error, question wording and practical difficulties in conducting surveys can introduce error or bias into the findings of public opinion polls", räumt Gallup ein).
Dies gesagt, bleiben die Daten dennoch interessant und laden zur Spekulation ein. Die Vermutung liegt nahe, daß die Ergebnisse von mindestens zwei Faktoren abhängen: Der tatsächlichen Befindlichkeit der Menschen in dem betreffenden Land und der Art, wie sie ihre Erfahrungen in einen Antwort auf die jeweilige Frage umsetzen ("Antwortbereitschaft").
Bei den negativen Emotionen lautete beispielsweise die genaue Formulierung "Did you experience the following feelings during a lot of the day yesterday?" - Haben Sie die folgenden Gefühle gestern ziemlich viel am Tag gehabt? Das "ziemlich viel" kann man verschieden interpretieren. Oder was ist genau mit "well-rested" gemeint? Ich habe das mit "Ausgeruhtsein" übersetzt. Wie muß man sich fühlen, um dieses Gefühl "ausgeruht" zu nennen?
Bei der jeweiligen Antwortbereitschaft dürfte das kulturelle Umfeld eine Rolle spielen. In der einen Gegend mag man zum Klagen neigen; anderswo gilt es als sozial erwünscht, das Positive hervorzuheben.
In jedem Fall scheinen die Befunde ein ziemlich geordnetes Muster zu zeigen: Unterschiede zwischen den Kontinenten, zwischen Regionen, vielleicht auch zwischen den politischen Systemen und Religionen.
Es scheint, daß man dort, wo der Sowjetkommunismus geherrscht hatte, besonders karg darin ist, Emotionen zu haben und/oder sie zuzugeben. In Amerika - auf beiden amerikanischen Kontinenten - ist das Gegenteil der Fall. Und auffällig viel an negativen Emotionen berichten die Bewohner vieler islamischer Länder. Die meisten von ihnen sind freilich auch Krisenländer, so daß die Religion nicht unbedingt ursächlich sein muß.
Die Ergebnisse für alle Staaten zur Emotionalität allgemein finden Sie hier; zu den negativen Emotionen hier.
Die zehn Emotionen, nach denen gefragt wurde, beschreibt Gallup so:
Wo fehlt es am meisten an Emotionen? Kurz gesagt: Dort, wo früher der Sowjetkommunismus herrschte; von Kiew bis Wladiwostok. Und in Singapur.
Das ist, ganz im Groben, das Ergebnis einer weltweiten Umfrage von Gallup. Die einzelnen Resultate finden Sie bei der Washington Post dargestellt, die diese Daten schön übersichtlich als eine farbige Weltkarte aufbereitet hat.
Gallup hat es zu einer seiner Spezialitäten gemacht, Menschen weltweit nach ihrem Leben, ihrer Befindlichkeit, ihrem Urteil zu wichtigen Themen zu befragen; beispielsweise der Zufriedenheit mit der Politik der jeweiligen Regierung (siehe Zustimmung zur Politik der Regierung Merkel weltweit am höchsten; ZR vom 20. 4. 2012). Die Interviews umfassen zahlreiche Fragen; und Gallup publiziert diese Daten dann thematisch getrennt. Jetzt also wurden Ergebnisse zur Emotionalität veröffentlicht.
Es wurden zehn Fragen gestellt wie "Haben Sie gestern viel gelacht oder gelächelt?", "Hatten Sie gestern Ärger?". (Die vollständige Liste finden Sie unten). Je fünf Fragen bezogen sich auf positive und negative Emotionen.
Für ein Ranking der Länder nach Emotionalität wurden die Ergebnisse aller zehn Fragen gemittelt und als Prozentwert ausgedrückt. "50 Prozent" würde also zum Beispiel besagen, daß in dem betreffenden Land im Schnitt fünf der zehn Fragen bejaht wurden.
Unter den 15 Ländern mit der höchsten so gemessenen Emotionalität sind überwiegend solche in Nord- und Südamerika: Kanada, USA, Guatemala, Nicaragua, El Salvador, Costa Rica, Dominikanische Republik, Kolumbien, Ecuador, Bolivien, Peru, Chile; dazu die Philippinen (Spitzenreiter mit 57 Prozent), Bahrein und Oman.
Die Liste der 10 Letzten wird angeführt von Singapur mit 36 Prozent. Ansonsten befinden sich dort überwiegend Länder der ehemaligen Sowjetunion (Rußland, Weißrußland, Ukraine, Georgien, Litauen, Kasachstan und Kirgisien); dazu Madagaskar und Nepal.
Das sind, wie gesagt, Durchschnittswerte, die positive und negative Emotionen zusammenfassen; die also so etwas wie Emotionalität allgemein (und/oder deren Ausdruck) messen.
In der jetzigen Veröffentlichung von Gallup wird das leider nicht nach positiven und negativen Emotionen aufgeschlüsselt. Ich habe aber eine frühere Publikation vom Juni dieses Jahres gefunden, in der die Daten für die negativen Emotionen enthalten sind.
Hier sieht das Bild ganz anders aus als bei den Emotionen insgesamt.
Die drei höchsten Werte für negative Emotionen wurden in arabischen Ländern gemessen: Irak (59 Prozent), palästinensische Gebiete (43 Prozent) und Bahrein (41 Prozent). Ebenfalls in der Gruppe der 13 Länder mit den höchsten Werten befinden sich die islamischen Länder Türkei, Ägypten, Iran und Pakistan. Des weiteren sind in dieser Gruppe die Philippinen, Togo, Griechenland, Armenien, Serbien und Bolivien.
Die Länder, in denen Gallup am wenigsten negative Emotionen fand, ergeben eine Liste, die kaum regionale Schwerpunkte erkennen läßt: Somaliland, Usbekistan, Thailand, Kirgisien, Kosovo, Turkmenistan, Mali, Singapur, Mongolei, China, Trinidad und Tobago, Rußland, Thailand, Kasachstan.
Und Deutschland? Bei der Emotionalität insgesamt liegen wir mit 47 Prozent fast genau in der Mitte; gleichauf übrigens mit (unter anderem) Österreich, Italien und Japan. Bei den negativen Emotionen kommt Deutschland hingegen nur auf 19 Prozent. Nur 18 von 148 Ländern erreichten einen noch niedrigeren Wert.
47 Prozent Ja-Antworten insgesamt, 19 Prozent Ja-Antworten zu negativen Emotionen - daraus kann man leicht errechnen, daß in Deutschland im Schnitt 74 Prozent der Fragen zu positiven Emotionen bejaht wurden; also fast vier dieser fünf Fragen. Wir sind, so scheint es, ein glückliches Volk. An der Spitze bei den positiven Emotionen liegen übrigens drei lateinamerikanische Länder: Panama, Paraguay und Venezuela.
Man kann, wie anders, gegen eine solche Erhebung viel einwenden. Die Umfragen sind in den einzelnen Ländern unterschiedlich zuverlässig. Begriffe können bei einer Übersetzung andere Bedeutungsnuancen annehmen. ("In addition to sampling error, question wording and practical difficulties in conducting surveys can introduce error or bias into the findings of public opinion polls", räumt Gallup ein).
Dies gesagt, bleiben die Daten dennoch interessant und laden zur Spekulation ein. Die Vermutung liegt nahe, daß die Ergebnisse von mindestens zwei Faktoren abhängen: Der tatsächlichen Befindlichkeit der Menschen in dem betreffenden Land und der Art, wie sie ihre Erfahrungen in einen Antwort auf die jeweilige Frage umsetzen ("Antwortbereitschaft").
Bei den negativen Emotionen lautete beispielsweise die genaue Formulierung "Did you experience the following feelings during a lot of the day yesterday?" - Haben Sie die folgenden Gefühle gestern ziemlich viel am Tag gehabt? Das "ziemlich viel" kann man verschieden interpretieren. Oder was ist genau mit "well-rested" gemeint? Ich habe das mit "Ausgeruhtsein" übersetzt. Wie muß man sich fühlen, um dieses Gefühl "ausgeruht" zu nennen?
Bei der jeweiligen Antwortbereitschaft dürfte das kulturelle Umfeld eine Rolle spielen. In der einen Gegend mag man zum Klagen neigen; anderswo gilt es als sozial erwünscht, das Positive hervorzuheben.
In jedem Fall scheinen die Befunde ein ziemlich geordnetes Muster zu zeigen: Unterschiede zwischen den Kontinenten, zwischen Regionen, vielleicht auch zwischen den politischen Systemen und Religionen.
Es scheint, daß man dort, wo der Sowjetkommunismus geherrscht hatte, besonders karg darin ist, Emotionen zu haben und/oder sie zuzugeben. In Amerika - auf beiden amerikanischen Kontinenten - ist das Gegenteil der Fall. Und auffällig viel an negativen Emotionen berichten die Bewohner vieler islamischer Länder. Die meisten von ihnen sind freilich auch Krisenländer, so daß die Religion nicht unbedingt ursächlich sein muß.
Die Ergebnisse für alle Staaten zur Emotionalität allgemein finden Sie hier; zu den negativen Emotionen hier.
Die zehn Emotionen, nach denen gefragt wurde, beschreibt Gallup so:
Negative experiences include anger, stress, sadness, physical pain, and worry. Positive emotions include feeling well-rested, being treated with respect, enjoyment, smiling and laughing a lot, and learning or doing something interesting.Gefragt wurde jeweils, ob man das Betreffende am Tag zuvor erlebt habe.
Die negativen Erfahrungen umfassen Ärger, Stress, Traurigkeit, körperlichen Schmerz und Sorgen. Die positiven Emotionen umfassen Ausgeruhtsein, mit Respekt behandelt werden, Freude, viel Lachen und Lächeln sowie etwas Interessantes erfahren oder tun.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette vom Autor Mohs Rahman unter Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic-Lizenz freigegeben.