Die Wahl von Vornamen gehört zu denjenigen sozialen Phänomenen, die zeigen, wie gesetzmäßig, wie jedenfalls streng kausal determiniert es auch in der menschlichen Gesellschaft zugeht: Scheinbar entscheidet jedes Elternpaar nach eigenem Gutdünken, wie der Sproß heißen wird; tatsächlich aber unterliegen Mama und Papa einem Trend, der die gesamte Sprachgemeinschaft bei der Wahl der Vornamen beeinflußt.
Das war es eigentlich, worüber ich eine Marginalie hatte schreiben wollen: Wie zum Beispiel nach drei Generationen Namen wiederkommen.
Nach dem Papa, der Mama nennt man manchmal noch die Tochter, den Sohn. Nach dem Opa, der Oma selten. Anna hieß ein junges Mädchen um 1900; also war das um 1960 ein unmöglicher Vorname. Dasselbe für Moritz. Eine Generation danach waren diese Vornamen wieder schick - da waren sie nicht mehr diejenigen der Großeltern, sondern die aus einer vergangenen Zeit. Die also wieder frisch waren.
Also, darüber hatte ich eine Glosse schreiben wollen. Dazu wollte ich herausfinden, welches denn die aktuellen Vornamen sind. Und dabei bin ich auf ein Ärgernis gestoßen, zu dem eine Meckerecke schon lange fällig ist: Die Dummheit der Bilder.
Jetzt also eine Meckerecke statt der geplanten Glosse.
Hier, bei der SZ sehen Sie die Seite, die diese Meckerei ausgelöst hat.
Ich hatte eine Liste sehen wollen. Stattdessen wurde mir eine "Bildstrecke" angeboten.
Was bekomme ich da? David, dazu ein Bild eines Babys. Dann soll ich weiterklicken und bekomme, nachdem die neue Seite geladen ist, wieder das Bild eines Babys zu sehen, jetzt mit "Yannick".
Und so fort. Wie ein Baby aussieht, weiß ich ungefähr.
Wenn ich eine Liste von zwanzig Namen aufrufen will, dann will ich nicht zwanzig Mal klicken müssen, um zwanzig Mal das Bild eines Babys zu sehen.
Also, was soll der Unfug?
Er ist, scheint mir, kein isolierter Unfug. Sondern das, was die SZ da ihren Lesern zumutet, ist Ausdruck eines allgemeinen Trends. Eines Trends weg von der Literalität, hin zum Bestaunen von Bildern. Eines Trends zweitens von der Literalität als Lesefähigkeit hin zu einer Bevorzugung gesprochener Sprache.
Gesprochene Sprache benötigt ungefähr 250 bis 350 Millisekunden pro Silbe. Lesen kann man mit ziemlich genau der doppelten Geschwindigkeit. Einen Text anzuhören, statt ihn zu lesen, ist schlicht Zeitverschwendung. Trotzdem greifen "Hörbücher" um sich. Ich habe das eine oder andere Mal versucht, so etwas anzuhören. Es ging nicht.
Es geht derart langsam, daß es mir selten gelungen ist, bei der Sache zu bleiben. Die Autoren haben ihre Texte halt für die doppelte Geschwindigkeit der Verarbeitung, des Verstehens, geschrieben. Sie vorzulesen ist, als würde man einen Formel-1-Wagen im Stadtverkehr einsetzen.
Immerhin, hier wird noch die Sprache verwendet, um Gedanken festzuhalten. Noch schlimmer ist es mit Bildern, mit Filmen. Auch in Blogs stoße ich immer häufiger auf You- Tube- Filmchen, statt daß man sich schriftlich ausdrückt.
Es ist wie mit der Bio-Landwirtschaft: Da hatte man mühsam Anbaumethoden entwickelt, die effizienter sind als die des Neunzehnten und aller vorausgehenden Jahrhunderte. Und nun wird es uns als das Bessere angeboten, wieder zur Methode der Vorfahren zurückzukehren.
Ebenso scheint es bei Sprache und Bildern zu sein.
Warum hat die Menschheit in ihrer Evolution die Sprache erfunden? Weil ein Satz mehr sagt als tausend Bilder. Bilder deuten an, Sprache sagt aus. Bilder sind vage, unbestimmt, irrational. Sprache ist bestimmt und rational. Manche vermuten, daß diese besondere Fähigkeit der Sprache, Sachverhalte darzustellen und nicht nur auszudrücken, überhaupt erst die menschliche Kultur ermöglicht hat.
Zweitens hat die Menschheit die Schrift erfunden, um diese Vorteile der Sprache voll nutzen zu können: Damit man sie konservieren und auf diese Weise Inhalte tradieren kann. Damit man sie schneller verarbeiten kann, beim Lesen. Schneller, als ihr zuhören zu müssen.
Und jetzt erwartet die Redaktion der SZ also vom Internet- Benutzer, daß er sich Babybilder anguckt, nur damit er erfährt, welches denn die beliebtesten Vornamen sind.
Man wird wissen, warum. Vielleicht geht ja das Zeitalter der Literalität wirklich zu Ende. Vielleicht werden immer mehr Menschen immer dümmer, so daß sie lieber mit offenem Mund Bilderchen bestaunen, statt mit wachem Verstand Schrift zu lesen.
Das war es eigentlich, worüber ich eine Marginalie hatte schreiben wollen: Wie zum Beispiel nach drei Generationen Namen wiederkommen.
Nach dem Papa, der Mama nennt man manchmal noch die Tochter, den Sohn. Nach dem Opa, der Oma selten. Anna hieß ein junges Mädchen um 1900; also war das um 1960 ein unmöglicher Vorname. Dasselbe für Moritz. Eine Generation danach waren diese Vornamen wieder schick - da waren sie nicht mehr diejenigen der Großeltern, sondern die aus einer vergangenen Zeit. Die also wieder frisch waren.
Also, darüber hatte ich eine Glosse schreiben wollen. Dazu wollte ich herausfinden, welches denn die aktuellen Vornamen sind. Und dabei bin ich auf ein Ärgernis gestoßen, zu dem eine Meckerecke schon lange fällig ist: Die Dummheit der Bilder.
Jetzt also eine Meckerecke statt der geplanten Glosse.
Hier, bei der SZ sehen Sie die Seite, die diese Meckerei ausgelöst hat.
Ich hatte eine Liste sehen wollen. Stattdessen wurde mir eine "Bildstrecke" angeboten.
Was bekomme ich da? David, dazu ein Bild eines Babys. Dann soll ich weiterklicken und bekomme, nachdem die neue Seite geladen ist, wieder das Bild eines Babys zu sehen, jetzt mit "Yannick".
Und so fort. Wie ein Baby aussieht, weiß ich ungefähr.
Wenn ich eine Liste von zwanzig Namen aufrufen will, dann will ich nicht zwanzig Mal klicken müssen, um zwanzig Mal das Bild eines Babys zu sehen.
Also, was soll der Unfug?
Er ist, scheint mir, kein isolierter Unfug. Sondern das, was die SZ da ihren Lesern zumutet, ist Ausdruck eines allgemeinen Trends. Eines Trends weg von der Literalität, hin zum Bestaunen von Bildern. Eines Trends zweitens von der Literalität als Lesefähigkeit hin zu einer Bevorzugung gesprochener Sprache.
Gesprochene Sprache benötigt ungefähr 250 bis 350 Millisekunden pro Silbe. Lesen kann man mit ziemlich genau der doppelten Geschwindigkeit. Einen Text anzuhören, statt ihn zu lesen, ist schlicht Zeitverschwendung. Trotzdem greifen "Hörbücher" um sich. Ich habe das eine oder andere Mal versucht, so etwas anzuhören. Es ging nicht.
Es geht derart langsam, daß es mir selten gelungen ist, bei der Sache zu bleiben. Die Autoren haben ihre Texte halt für die doppelte Geschwindigkeit der Verarbeitung, des Verstehens, geschrieben. Sie vorzulesen ist, als würde man einen Formel-1-Wagen im Stadtverkehr einsetzen.
Immerhin, hier wird noch die Sprache verwendet, um Gedanken festzuhalten. Noch schlimmer ist es mit Bildern, mit Filmen. Auch in Blogs stoße ich immer häufiger auf You- Tube- Filmchen, statt daß man sich schriftlich ausdrückt.
Es ist wie mit der Bio-Landwirtschaft: Da hatte man mühsam Anbaumethoden entwickelt, die effizienter sind als die des Neunzehnten und aller vorausgehenden Jahrhunderte. Und nun wird es uns als das Bessere angeboten, wieder zur Methode der Vorfahren zurückzukehren.
Ebenso scheint es bei Sprache und Bildern zu sein.
Warum hat die Menschheit in ihrer Evolution die Sprache erfunden? Weil ein Satz mehr sagt als tausend Bilder. Bilder deuten an, Sprache sagt aus. Bilder sind vage, unbestimmt, irrational. Sprache ist bestimmt und rational. Manche vermuten, daß diese besondere Fähigkeit der Sprache, Sachverhalte darzustellen und nicht nur auszudrücken, überhaupt erst die menschliche Kultur ermöglicht hat.
Zweitens hat die Menschheit die Schrift erfunden, um diese Vorteile der Sprache voll nutzen zu können: Damit man sie konservieren und auf diese Weise Inhalte tradieren kann. Damit man sie schneller verarbeiten kann, beim Lesen. Schneller, als ihr zuhören zu müssen.
Und jetzt erwartet die Redaktion der SZ also vom Internet- Benutzer, daß er sich Babybilder anguckt, nur damit er erfährt, welches denn die beliebtesten Vornamen sind.
Man wird wissen, warum. Vielleicht geht ja das Zeitalter der Literalität wirklich zu Ende. Vielleicht werden immer mehr Menschen immer dümmer, so daß sie lieber mit offenem Mund Bilderchen bestaunen, statt mit wachem Verstand Schrift zu lesen.
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