7. Januar 2008

US-Vorwahlen: Das Buschfeuer breitet sich rasend aus

So etwas habe ich noch nicht erlebt: Innerhalb von buchstäblich Tagen entwickelt sich ein politischer Prozeß, den niemand so erwartet hatte. Die Metapher des Buschfeuers scheint hier nicht übertrieben.

Soeben sind die Ergebnisse zweier weiterer Umfragen zu den Primaries in New Hampshire am Dienstag veröffentlicht worden. Die Daten wurden am Wochenende erhoben. In ihnen spiegeln sich also schon die Reaktionen auf den Sieg Obamas in Iowa. Die Umfrage von Today/Gallup sieht Barack Obama bei unglaublichen 41 Prozent; gegen 28 Prozent, die Hillary Clinton noch erreicht. Eine Umfrage von WMUR/CNN hat für Obama 39 und für Clinton noch 29 Prozent gemessen.

Damit gibt es, zusammen mit den bereits zuvor publizierten Umfragen von Rassmussen und von ARG, jetzt vier Erhebungen, die alle nach den Caucuses von Iowa stattfanden. Alle vier sehen Obama im zweitstelligen Bereich vor Clinton; mit einem Abstand von zwischen 10 und 13 Prozentpunkten. Daß Clinton an den beiden verbleibenden Tagen diesen Trend noch umkehren oder auch nur stoppen kann, ist sehr unwahrscheinlich. Auf der demokratischen Seite ist das Primary so gut wie entschieden.



Die Umfragen von Rasmussen und von ARG habe ich gestern am Schluß eines Artikels über mathematische Modelle der Ausbreitung von Meinungen erwähnt.

Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie, sagen Wissenschaftler gern, wenn man ihnen wieder einmal Realitätsferne vorhält. Hier haben wir ein eklatantes Beispiel: In Iowa vollzog sich, in New Hampshire setzt sich genau das fort, was in der Untersuchung von Watts und Dodds (2007), mit der ich mich gestern befaßt hatte, anhand von Modellen gezeigt wurde:

Nicht Meinungsführer, nicht die Presse, nicht Kommentatoren im TV bringen in der Regel einen solchen Umschwung, einen solches Buschfeuer zustande. Sondern es entwickelt sich etwas "im Volk" (in den Modellen simuliert durch Knoten, von denen jeder nur eine schwache Auswirkung hat, die aber sehr zahlreich und für Einwirkungen empfindlich sind). Es schaukeln sich sogenannte "Kaskaden" hoch. Aus kleinen Feuerchen hier, kleinen Feuerchen da wird der Flächenbrand.

Den zu entfachen hat Barack Obama verstanden. Nicht durch ein ausgefeiltes Programm, wie Clinton es versuchte. Nicht durch Erfahrung und Standfestigkeit, wie MacCaine sie in die Waagschale wirft. Sondern - ich habe mich gestern davon überzeugen können - durch das klassische Mittel aller Politiker seines Typs: Einfache Parolen ("No blue states, no red states, only the United States") und vor allem Charisma.

Was ist das, Charisma? Schwer zu sagen. Bei Obama, vielleicht generell, ist es eine Mischung aus Stärke und Attraktivität.

Sympathisch/unsympathisch und stark/schwach, das sind vielleicht die Grunddimensionen, nach denen wir (nicht nur) Politiker bewerten; der Psychologe Charles Osgood hat etwas Ähnliches schon in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts behauptet.

Obama wird, so ist jedenfalls mein Eindruck, als extrem sympathisch und als sehr stark wahrgenommen. So hohe Werte auf beiden Dimensionen dürfte keiner seiner Konkurrenten aufbieten können; weder bei den Demokraten, noch bei den Republikanern.

Was zählen dagegen die Positionen zu politischen Einzelfragen, was zählt Erfahrung, was zählt das prall gefüllte Schatzkästlein an Wissen, das Hillary Clinton für die Wähler bereithält?

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