In der vergangenen Woche habe ich zwei Berichte aus dem Iran gelesen. Jeder für sich ist mitteilenswert, aber ihr gemeinsamer Informationswert erscheint mir größer zu sein als die Summe der Informationen aus jedem einzelnen.
Der erste Bericht stammt von Markus Wolff und erschien in "Spiegel Online" vom 7. Januar. Wolff reiste als Reporter nach Teheran und gewann unter anderem diese Impressionen:
Er besucht den Inhaber eines Catering- Service ("Nicht die Buffets mit Kebab-Spießen und Tomatensalat, sondern mit Cognac abgeschmeckte Saucen, Kalbsfilet in Rotwein, Canapés mit Wildschweinwurst"). Er sieht sich in einem Flirt- Treff um ("Sie schoben ihre Sonnenbrille vom Nasenrücken in die Haare und wieder zurück und begannen irgendwann, mit den elegant gekleideten Mädchen zu sprechen").
Er besucht den Chef eines Jugend- Magazins, der ihm verrät, daß die Teheraner Jugend "billige Design- Drogen wie Crystal" konsumiere, und zwar "aus Langeweile". Am Ende geht er noch mit der Inhaberin eines Kosmetik- Salons aus, die sich dafür stadtfein macht:
Der zweite Bericht stand nicht in "Spiegel Online"; überhaupt nicht in der deutschen Presse, soweit ich sehe. Ich habe ihn aufgrund eines Hinweises (siehe Fußtext) bei der italienischen Nachrichtenagentur AKI gefunden. Er datiert einige Tage nach der Reportage von Markus Wolff:
Zwei Seiten des heutigen Iran? Zwei Seiten, die gleichermaßen journalistisches Interesse verdienen?
Vielleicht. Nur, wie beurteilt man eigentlich heute die Journalisten aus westlichen Ländern, die in den dreißiger Jahren - beispielsweise zu den Olympischen Spielen 1936 - ins Nazi- Deutschland fuhren und berichteten, sie hätten dort fröhliche, zufriedene Menschen vorgefunden? Die das taten, ohne auch nur mit einem Wort die Rassengesetze, die KZs, die Verfolgung von Demokraten zu erwähnen?
Der erste Bericht stammt von Markus Wolff und erschien in "Spiegel Online" vom 7. Januar. Wolff reiste als Reporter nach Teheran und gewann unter anderem diese Impressionen:
Schon aus dem Autofenster war zu sehen, dass es dem Mullah-Regime nicht gelungen ist, alle Freiheiten, die es vor der Revolution 1979 gegeben hatte, einzuschränken und die Stadt komplett zu islamisieren. (...) Die Männer auf den Gehsteigen trugen Gelfrisuren, die Frauen Make-up, zehenfreie Sandalen und farbige Kopftücher wie modische Accessoires. (...)Wolff besuchte dann eine Iranerin und berichtet:
Nachdem der indische Diener die Getränke serviert hatte, setzten wir uns auf die Veranda mit Blick auf den Pool. (...) Sie kritisierte die Mullahs und Präsident Ahmadinedschad, an dem sie weniger seine Politik als seine Unkultiviertheit störte, und zeigte anschließend auf ihrem Laptop Fotos von Freunden. Fröhliche, unverschleierte Menschen waren darauf zu sehen (...)Und so geht es weiter im Text. So geht es munter weiter im Bericht dieses Reporters vom fröhlichen, glücklichen Leben in Teheran.
Er besucht den Inhaber eines Catering- Service ("Nicht die Buffets mit Kebab-Spießen und Tomatensalat, sondern mit Cognac abgeschmeckte Saucen, Kalbsfilet in Rotwein, Canapés mit Wildschweinwurst"). Er sieht sich in einem Flirt- Treff um ("Sie schoben ihre Sonnenbrille vom Nasenrücken in die Haare und wieder zurück und begannen irgendwann, mit den elegant gekleideten Mädchen zu sprechen").
Er besucht den Chef eines Jugend- Magazins, der ihm verrät, daß die Teheraner Jugend "billige Design- Drogen wie Crystal" konsumiere, und zwar "aus Langeweile". Am Ende geht er noch mit der Inhaberin eines Kosmetik- Salons aus, die sich dafür stadtfein macht:
An meinem letzten Abend wollte sie mir nun mit einigen Freunden ihr Lieblingsrestaurant zeigen. "Ich ziehe mich nur kurz um", sagte sie. Wenig später kam sie zurück – verhüllt in einen langen, schwarzen Tschador. Wie ein Model drehte sie sich einmal um sich selbst und lachte über die eigene Verwandlung.
Der zweite Bericht stand nicht in "Spiegel Online"; überhaupt nicht in der deutschen Presse, soweit ich sehe. Ich habe ihn aufgrund eines Hinweises (siehe Fußtext) bei der italienischen Nachrichtenagentur AKI gefunden. Er datiert einige Tage nach der Reportage von Markus Wolff:
Tehran, 10 Jan. (AKI) - Iran's supreme court has confirmed that two youths, found guilty of rape will receive 100 lashes each before being cast off a cliff (...). "This is a chilling sentence," said Iranian human rights activist and lawyer Mohammad Ali Dadkhah. (...) As recently as last week in Iranian Balochistan, five minority Sunnis had their hands and feet amputated, he noted. All five Sunnis were found guilty of the crime of 'moharebeh' or enmity towards Allah.
Teheran, 10. Jan. (AKI) - Das höchste Gericht des Iran hat bestätigt, daß zwei Jugendliche, die der Vergewaltigung schuldig gesprochen worden waren, jeder 100 Peitschenhiebe erhalten werden, bevor sie von einem Felsen in die Tiefe geworfen werden (...). "Das ist ein grauenhaftes Urteil", sagte der iranische Menschenrechts- Aktivist und Rechtsanwalt Mohammad Ali Dadkhah. (...) Er wies darauf hin, daß erst vergangene Woche im iranischen Teil Belutschistans fünf Angehörigen der sunntischen Minderheit Hände und Füße amputiert worden waren. Alle fünf Sunniten waren des Verbrechens der 'Moharebeh', der Feindschaft gegen Allah, schuldig gesprochen worden.
Zwei Seiten des heutigen Iran? Zwei Seiten, die gleichermaßen journalistisches Interesse verdienen?
Vielleicht. Nur, wie beurteilt man eigentlich heute die Journalisten aus westlichen Ländern, die in den dreißiger Jahren - beispielsweise zu den Olympischen Spielen 1936 - ins Nazi- Deutschland fuhren und berichteten, sie hätten dort fröhliche, zufriedene Menschen vorgefunden? Die das taten, ohne auch nur mit einem Wort die Rassengesetze, die KZs, die Verfolgung von Demokraten zu erwähnen?
Dank an Dr. Franz Hoffmann für den Hinweis auf den Bericht von AKI. Für Kommentare und Diskussionen zu diesem Beitrag ist in "Zettels kleinem Zimmer" ein Thread eingerichtet. Wie man sich dort registriert, ist hier zu lesen. Registrierte Teilnehmer können Beiträge schreiben, die sofort automatisch freigeschaltet werden.