6. Januar 2008

Anmerkungen zur Sprache (6): Amtlich angeordnete Sprachverlotterung

Die Meldung von heute, 14 Uhr 11, die mich zu dieser Anmerkung veranlaßt, bietet Ansatzpunkte für eine Kommentierung auf mancher Ebene.

Der Tatbestand: Schon wieder haben in der Münchner U-Bahn ausländische Jugendliche eine Gewalttat begangen. Diesmal waren es drei Täter, und die Opfer waren zwei junge Männer. Sie wurden niedergeschlagen und erhielten Tritte gegen die Köpfe; dieses Treten gegen den Kopf des am Boden liegenden Opfers scheint sich ja nachgerade als Modus Operandi dieser Art von Rohheits- Delikten abzuzeichnen.

Die offenbar bereits überführten Täter waren ein Iraker und zwei Palästinenser, die in Deutschland Asyl beantragt haben.



Man kann das unter dem sich aufdrängenden Gesichtspunkt diskutieren, wie lange es jetzt wohl dauern wird, bis der Asylantrag der drei abgelehnt ist und sie abgeschoben sein werden.

Man könnte es unter dem Gesichtspunkt kommentieren, wie die brutalen Umgangsformen aus Gegenden, in denen islamistische Terroristen ihr Unwesen treiben, offenbar jetzt auch auf dem Weg des Einreisens von Asylbewerbern nach Deutschland gelangen.

Manche werden vielleicht das Schicksal der drei in den Blick nehmen wollen und sich dafür interessieren, ob sie ihr persönliches Schicksal, in einem von Gewalt heimgesuchten Gebiet aufzuwachsen, auf den Weg in die Kriminalität geführt hat.

Mich interessiert der Aspekt, daß offenbar 13 Eintragungen in den Polizeiakten - so viele hatte einer der Festgenommenen - nicht zur Ablehnung eines Asylantrags ohne weitere Prüfung ausreichen.

Wann endlich wird die Asylgarantie aus dem Grundgesetz gestrichen, in dem sie nichts zu suchen hat? Wann endlich handhaben wir es wie alle anderen Staaten der Welt - ein Land kann sich aus freien Stücken entscheiden, jemandem Asyl zu gewähren; und ein freiheitliches Land sollte das großzügig tun. Aber es ist absurd, daß es seiner Souveränität selbst die Fessel anlegt, es kraft Verfassung tun zu müssen, sobald der Betreffende politische Verfolgung glaubhaft machen kann. Es ist ein rechtliches Unikum, daß damit das Asyl, das überall auf der Welt lediglich gewährt wird, in Deutschland qua Rechtsanspruch erstritten werden kann.



Das alles könnte man kommentieren (und zum letzten Punkt habe ich es ja jetzt ein wenig getan). Oder auch die scheinbare Serie solcher Taten.

Mir ist aber bei der Meldung noch etwas anderes aufgefallen. Etwas Sprachliches. Es hat mit dem Tatbestand nichts zu tun.

Man mag es angesichts der Brutalität des Verbrechens unangemessen finden, daß ich diesen sprachlichen Gesichtspunkt überhaupt erwähne. Aber er ist mir nun einmal aufgefallen, und er berührt eine Thematik, die ich in dieser Serie immer wieder aufgegriffen habe: Die amtlich angeordnete Sprachverlotterung.

"In der Münchener U-Bahn haben drei Jugendliche heute Morgen zwei junge Männer zusammen geschlagen" heißt es am Beginn der Meldung. "Zusammen geschlagen" und nicht etwa "zusammengeschlagen".

Bis zur sogenannten Reform der Rechtschreibung hätte man einen Tippfehler vermutetet; oder schlechte Sprachkenntnisse des Autors, die von der Schlußredaktion nicht korrigiert wurden.

Daß es nicht dasselbe ist, ob man jemanden zusammenschlägt oder ob man jemanden zusammen schlägt, gehörte damals ja noch zu dem, was man in der Grundschule lernte. So, wie es einen Unterschied ausmacht, ob nach der Sylvesterfeier zwei Gäste zusammen brechen oder ob sie, etwas bedenklicher, zusammenbrechen.

Dieser Unterschied ist von den ebenso ignoranten wie selbstherrlichen Verantwortlichen für die Sprachverlotterung, die als Reform bezeichnet wird, schlicht beseitigt worden; jedenfalls für viele derartige Wörter.

Warum? Ich habe keine Ahnung.

Vielleicht hielt man die deutschen Schüler für so borniert, daß sie den Unterschied ohnehin nicht erkennen würden können. Vielleicht fand man zusammengesetzte Wörter uncool.

Vielleicht - das halte ich für das Wahrscheinlichste - saß man mal wieder in einer dieser langweiligen Kommission zusammen, alle waren müde und unlustig, man diskutierte zusammengesetzte Verben und kam zu keiner Einigung. Und da schlug jemand vor: Sollen sie doch alle getrennt geschrieben werden. Dann is a Ruh. Die Hände hoben sich. So beschlossen. Man konnte endlich in den ICE oder ans Kalte Büffet.

Was glauben Sie, wieviele Entscheidungen von Kommissionen so zustandekommen. Zustandekommen? Zustande kommen.



Nachbemerkung und Widerruf: Eben hat mich meine Frau, die Deutschlehrerin ist, davon überzeugt, daß laut Duden, 24. Auflage vom April 2006, "zusammenschlagen" nun doch wieder zusammen geschrieben zusammengeschrieben wird.

Wie schön!



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Johann Gottfried Herder. Gemälde von Johann Ludwig Strecker (1775). In der Public Domain, da das Copyright erloschen ist. Links zu allen Folgen dieser Serie findet man hier.