30. August 2007

Randbemerkung: Kinderarbeit in Kambodscha

In den deutschen Medien habe ich es nicht gefunden, aber der "Nouvel Observateur" hat seit heute Mittag die Meldung: Eine kambodschanische Menschenrechts- Organisation, LICADHO, hat gestern einen Bericht über ihre Kampagne gegen die Kinderarbeit in Kambodscha vorgelegt.

Kambodscha? Eines dieser Länder, die bis in die sechziger Jahre so gut wie unbekannt gewesen waren, die dann für zwei Jahrzehnte - während des Vietnam-Kriegs, während und unmittelbar nach der Schreckensherrschaft der Khmer Rouge - im Fokus weltweiter Aufmerksamkeit standen und die danach wieder in den unbeleuchteten Hintergrund der Weltbühne verschwanden.

Als ich kürzlich etwas über politische Prozesse in Kambodscha gelesen habe und das hier kommentieren wollte, mußte ich erst einmal nachsehen, wie dort im Augenblick die politische Situation ist.

Also - so entnehme ich es der Wikipedia - : Nachdem die Vietnamesen 1978 durch ihren Einmarsch dem Schreckensregime der Khmer Rouge ein Ende gemacht hatten, begann eine Zeit des Bürgerkriegs; denn die Khmer Rouge gaben sich den Vietnamesen nicht geschlagen und kämpften als Guerrilleros weiter.

Das ging bis Ende der achtziger Jahre; erst 1991 trat ein von der UNO vermittelter Friedensvertrag in Kraft. Seit 1993 gibt es eine demokratische Verfassung, die aber - so sagen es jedenfalls Oppositionelle - keineswegs den dominierenden Einfluß der kommunistischen Herrenschicht gebrochen hat. Das Land wird von Transparency International als eines der korruptesten der Welt eingestuft.



Die LICADHO ist eine kambodschanische Menschenrechts- Organisation, die 1993 gegründet wurde; mit dem Ziel, die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern, Menschenrechts- Verletzungen zu dokumentieren, politisch Verfolgte zu unterstützen und vor allem für die Rechte von Frauen und Kindern einzutreten.

In dem gestern publizierten Bericht wird auf Aktionen hingewiesen, die LICADHO gegenwärtig in Kambodscha unternimmt, um auf das Problem der Kinderarbeit aufmerksam zu machen. Die Zahl der betroffenen Kinder wird auf über 1,5 Millionen (bei einer Bevölkerung von ungefähr 14 Millionen) geschätzt. Ungefähr eine Viertel Million Kinder arbeiten unter schwersten Bedingungen in Ziegel- Brennereien, Bordellen, Minen und in der Herstellung von Drogen.

Die Pressemitteilung enthält hauptsächlich Informationen über die einschlägigen Aktivitäten von LICADHO wie Demonstrationen und Kundgebungen sowie über die juristische Lage in Kambodscha, was Kinderarbeit angeht.

Weiterhin werden werden zwei Fälle aus diesem Jahr dokumentiert:
  • Ein 14jähriges Mädchen verlor bei der Arbeit in einer Ziegelbrennerei einen Arm, als es eine Maschine bediente. Es war von seinem Vater zur Arbeit in dieser Fabrik geschickt worden, weil dieser bei der Fabrik mit einer Million Riel (250 Dollar) verschuldet war. Das Kind mußte die Schule aufgeben, um die Schuld abzuarbeiten.

  • Ein 13jähriger Junge verlor vier Finger, als er eine Maschine zu bedienen versuchte. Es war sein erster Arbeitstag in der Ziegelfabrik, in der er arbeiten wollte, um sich das Geld für ein Fahrrad zu verdienen. Dieses brauchte er, um die weit von seiner Wohnung entfernte Schule besuchen zu können.
  • Man darf vermuten, daß diese Fälle nur deshalb aktenkundig geworden sind, weil die beiden Kinder Opfer von Arbeitsunfällen waren.



    Die Zahl der Opfer von Kinderarbeit weltweit wird von der UNICEF auf 218 Millionen geschätzt. Nicht eingerechnet die Kinder, die im Haushalt, im Geschäft der eigenen Familie arbeiten müssen. Nicht eingerechnet vermutlich die Kindersoldaten in Afrika.



    Karl Marx übrigens war ein Befürworter der Kinderarbeit:
    Allgemeines Verbot der Kinderarbeit ist unverträglich mit der Existenz der großen Industrie und daher leerer frommer Wunsch. Durchführung desselben – wenn möglich – wäre reaktionär, da, bei strenger Regelung der Arbeitszeit nach den verschiednen Altersstufen und sonstigen Vorsichtsmaßregeln zum Schutz der Kinder, frühzeitige Verbindung produktiver Arbeit mit Unterricht eines der mächtigsten Umwandlungsmittel der heutigen Gesellschaft ist.
    Karl Marx, Kritik des Gothaer Programms. Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei (1875)

    Für Kommentare und Diskussionen zu diesem Beitrag ist in "Zettels kleinem Zimmer" ein Thread eingerichtet. Wie man sich dort registriert, ist hier zu lesen. Registrierte Teilnehmer können Beiträge schreiben, die sofort automatisch freigeschaltet werden.