Sebastian Kurz und seine
Übergangsregierung sind Geschichte. Der Nationalrat hat sämtlichen Mitgliedern
des Kabinetts um den ÖVP-Shootingstar das Misstrauen ausgesprochen. Ist der
32-Jährige in seinem (jedenfalls für einen Politiker und im Vergleich zum
Verfasser dieser Zeilen) zarten Alter bereits ein Gescheiterer?
Ich glaube nicht:
Eigentlich hätte es für Kurz nicht besser laufen können. Bei der Europawahl
fuhr seine Partei satte Gewinne ein – in dem österreichischen Bundesland, das
der endunterfertigte Autor (vor allen anderen) liebt, kamen die Schwarzen auf wahrlich
volksparteiliche 44 Prozent – und die motley
crew der Unterstützer des Absetzungsantrages – SPÖ, FPÖ und JETZT (Liste
Pilz) – dürfte nicht viel mehr einen als ihre Abneigung gegen Sebastian Kurz. Anders
gesagt: Das Volk hat für den jungen Kanzler gestimmt, eine Politikerelite gegen
ihn. Das ist eigentlich der perfekte Märtyrerstatus, wie ihn die Blauen so gern
für sich verbuchen würden.
Und wenn die nunmehr aufkeimende Vermutung Boden gewinnt, dass Kurz seinen Innenminister Herbert Kickl weghaben wollte, weil er argwöhnte, dass sein Regierungskollege von dem Video gewusst habe und dessen Wirken im BVT-Skandal von einem Wunsch nach Inbesitznahme der betreffenden Aufzeichnungen getragen gewesen sei, dann würde auch jeder verstehen, weshalb der scheidende Bundeskanzler eine Neubesetzung des Sicherheitsressorts zur Voraussetzung für eine Fortsetzung der Koalition aus ÖVP und FPÖ erhob.
Um einschätzen zu können,
in welch vergleichsweise komfortabler Position sich Kurz nunmehr befindet,
sollte man sich die möglichen Alternativszenarien vor Augen führen: Hätte der
Regierungschef das Bündnis mit den sogenannten Rechtspopulisten trotz Kickls
Verbleib im Amt gewahrt, wäre er vom ideologischen Gegner einschließlich eines
erklecklichen Teils der österreichischen und ausländischen Medien zerfleischt
worden. Hätte er das Misstrauensvotum überstanden, wäre er einige Monate lang
ein Bundeskanzler ohne Parlamentsmehrheit gewesen und hätte ihn die Majorität
im Hohen Haus somit auflaufen lassen können. So aber ist Kurz der Mann, der
nach seinem moralischen Kompass gehandelt hat und – wie sein von der katholischen
Kirche kanonisierter Vornamensspender – von den Pfeilen einer seinen
Überzeugungen feindlichen Machtphalanx durchbohrt worden ist.
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Während sich mit Kurz der
König selbst geopfert hat, wohlgemerkt aus einem riskanten Kalkül heraus, wird
dem interessierten Publikum, was die Urheberschaft an dem nunmehr
berühmt-berüchtigten Video betrifft, eine derart abstruse Geschichte
aufgetischt, dass es schon fast wehtut, sich mit dieser auseinandersetzen zu
müssen: Demnach sollen ein Wiener Rechtsanwalt, ein Detektiv und zwei „Sicherheitsexperten“
aus Abneigung gegen die FPÖ den Plan für die kompromittierende Filmaufnahme
geschmiedet haben. Als Lockvogel sei eine bosnische Agrarwissenschaftsstudentin
ausgesucht worden, die nicht nur mehrere Sprachen beherrsche, sondern mit ihrer
Fachkunde in puncto Forst- und Jagdwesen Johann Gudenus für sich habe einnehmen
können. Optisch habe man darauf geschaut, dass die vermeintliche Oligarchen-Nichte
in Straches Beuteschema passe. Die Tagesgage für die Protagonistin habe sich
auf 6.000 bis 7.000 Euro belaufen. Die ganze Aktion habe insgesamt 400.000 Euro
gekostet. Ein deutscher Verein habe schließlich den Streifen um 600.000 Euro,
bezahlt in Krügerrand-Goldmünzen, gekauft. Das schreibt nicht nur die Krone, sondern in den wesentlichen Zügen
und zugestandenermaßen in der Folge des Boulevardblatts zum Beispiel auch die Wiener Zeitung.
Mir erscheint diese Story
doch reichlich hanebüchen: Vier „Idealisten“ (salvierende Anführungszeichen)
geben für ihren privaten Kampf gegen rechts fast eine halbe Million aus, finden
die Idealbesetzung für den Vizekanzler-Köder, riskieren dabei (jedenfalls der
beteiligte Rechtsanwalt) ein zumindest temporäres Berufsverbot – dies alles mit
der Ungewissheit, ob Strache nicht doch den Braten riechen (oder der Lockvogel
ein doppeltes Spiel aufziehen) und sich das Ausgabenbudget dann als
Fehlinvestition erweisen würde. Vielleicht bin ich zu abgebrüht, aber das
klingt mir doch zu sehr nach einem linksaktivistischen Märchen. Ich halte die
Hypothese, dass der Film ein seinerzeit nicht mehr benutztes Relikt aus dem
Nationalratswahlkampf 2017 oder das Produkt geheimdienstlicher Arbeit ist, nach wie vor für am wahrscheinlichsten. Aber ich lasse mich natürlich gerne eines
Besseren belehren.
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Für 21 Uhr ist offenbar
eine Erklärung des Bundespräsidenten geplant. Interimskanzler soll – so meldet
jedenfalls die Kleine Zeitung – der bisherige
Finanzminister Hartwig Löger werden.
Noricus
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