3. Mai 2019

"Klimanotstand"


Münster (Westf.), Tag 3 der Reiwa-Ära - 令和 の3日目 (Fr., d. 3.Mai 2019). Die judäische Klimastreikfront ist aus den Ferien zurück. (Eigenes Foto)

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Von Carl Schmitt (1888 bis 1988) ist ein Zitat im Gedächtnis geblieben, das, ungeachtet seiner üblen Rolle als "Kronjurist" und Rechtfertiger der diktatorischen Willkür im Dritten Reich in seiner Triftigkeit weiterhin Bestand für sich beanspruchen kann. Es findet sich zu Beginn seiner ersten Schrift, Politische Theologie - Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität, erschienen 1922, und lautet: "Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet" (S. 9). Von daher bitte ich um nähere Auskunft: Wann genau hat die Endzeitsekte namens "Fridays for Future", kurz FfF, um die bezopfte Erlöserin aus Schweden, die kindliche Kaiserin des Klimastreiks, in deren Zeichen seit ein paar Monaten jeden Freitagnachmittag der Schulunterricht boykottiert wird, in diesem Land noch mal die Regierungsgewalt samt der Befugnis zur Ausrufung des Ausnahmezustands übernommen? Um die Agenturmeldungen von gestern zu zitieren:

Als erste Stadt in Deutschland hat Konstanz den Klimanotstand ausgerufen. Wie ein Sprecher der Schüler-Bewegung "Fridays for Future" Konstanz am Donnerstagabend mitteilte, fasste der Gemeinderat auf deren Initiative hin dazu einen einstimmigen Beschluss. Die Stadt Konstanz stellt damit alle Entscheidungen unter einen Klima-Vorbehalt.Wie die Stadt im Internetdienst Twitter mitteilte, wurde die Stadtverwaltung beauftragt, zusätzliche Maßnahmen zur Umsetzung des Beschlusses auszuarbeiten. Sie soll nach Angaben von "Fridays for Future" auch künftig einen jährlichen Report über den Fortschritt bei der Vermeidung von CO2-Emissionen herausgeben.
Nach diesem Muster hatten zuvor bereits die Städte Vancouver, Oakland, London und Basel den Klimanotstand beschlossen. Die seit Monaten andauernden Schülerdemonstrationen von "Fridays for Future" können damit in Deutschland einen wichtigen politischen Erfolg verbuchen. "Die Ausrufung des Klimanotstandes durch den Konstanzer Gemeinderat ist ein wichtiges Zeichen für ganz Deutschland", erklärten die Organisatoren in der baden-württembergischen Stadt. (FOCUS)

Man muß das - obwohl es offenkundig sein sollte - wahrscheinlich immer wieder repetieren: es gibt keine Katastrophe, die sich hier auswirkt, die Wüste wächst nicht, schon gar nicht bis an die Ufer des Bodensees; verheerende Dürren oder Überschwemmungen sind nicht zu vermelden, kein Atoll ist, trotz jahrzehntelanger Ankündigung, in den Fluten des Pazifik oder des Indischen Ozeans versunken, sämtliche Termine, an denen der Menschheit ob ihres schändlichen Umgangs mit dem Klima, der Umwelt, der Atmosphäre das Wasser bis zum Hals stehen sollte, sind ergebnislos verstrichen, selbst die Anzahl der globalen Eisbärenpopulation (dem langjährigen Wappentier des Klimaalarmismus) mußte Anfang dieses Jahres gegenüber den extrapolierten Zahlen um 3800 Tiere auf jetzt weltweit 29.800 nach oben korrigiert werden (wie man in diesem Bericht auf S. 3 nachlesen kann). Die Wetterkapriolen - wie die kurze Hitzeperiode im Frühsommer des vergangenen Jahres - halten sich durchweg im Bereich der Variabilität der langjährigen Durchschnittswerte (und waren kein Vergleich mit dem Juli und August des "Jahrhundertsommers" 2003). Gestern morgen um 06:00 herrschten im Konstanz Lufttemperaturen von 5,8°C, die bis Mittag auf 18,6 Grad anstiegen; heute Nacht ging dort länger anhaltender Regen nieder, der gegen 6 Uhr morgen die Niederschlagsmenge von 10,3 Liter pro Quadratmeter erreichte (sh. hier): ein absolut durchschnittliches April-Schmuddelwetter also. Was treibt Gemeinwesen in Deutschland, in Europa, der westlichen Welt, dazu, hier allen Ernstes unter dem Rubrum "Notstand" Maßnahmen zu erlassen, ohne jeden konkreten Anlaß, ohne tatsächliche Notsituationen, die dergleichen rechtfertigen würden? Natürlich kann man darauf verweisen, daß es sich hier ja nur um "Symbolpolitik" handelt, um die Ankündigung reichlich belangloser "Gutachten", von denen zu erwarten steht, daß sie Städten wie Landkreisen im Zug des ohnehin grassierenden Zeh-Oh-Zwei-Fiebers ohnehin ins Haus stehen werden. Daß hier bislang nichts weiter als ein ziemlich folgenloser Kotau von dem herrschenden Zeitgeist stattfindet. Nur sollte man dabei im Hinterkopf behalten, was der Begriff "Notstand" gemeinhin an Bedeutung in sich trägt. Um aus der Definition des Online-Lexikons Wikipedia zu zitieren (eingedenk der dort aufgeführten Warnungen, daß es sich nicht um belastbare Rechtsauskünfte handelt; hier geht es um die semantische Bedeutung dieser Vokabel):

"Kommt es in einem bestimmten Gebiet aufgrund von Naturkatastrophen, Krieg, Aufruhr oder ähnlichem zu einer unüberschaubaren Lage, so kann der Notstand, auch Ausnahmezustand, ausgerufen werden. In der Regel hat dies dann zur Folge, dass die öffentliche Gewalt auf ihre Bindung an Gesetz und Recht insoweit verzichten kann, wie sie es zur Bekämpfung des Notstandes für erforderlich hält. In den demokratischen Ländern bedeutet der Notstand in der Regel die Verkürzung des Rechtsschutzes gegen hoheitliche Maßnahmen sowie Zurückdrängung von längere Zeit in Anspruch nehmenden behördlichen oder legislativen Verfahren." (Wikipedia, Artikel "Notstand")

Es mag sein, daß ich hier, wie man so volkstümlich sagt, die Flöhe husten höre und das Gras wachsen sehe: aber wer würde, angesichts der bereits in Kraft getretenen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge anhand irrwitziger "Belastungen" durch Stickoxide und Feinstaub (die während der mehr als drei Jahrzehnte, in denen der Öko-Wahn bereits in diesem Land grassiert, nie als bedrohlich ausgemacht worden waren), angesichts der sich abzeichnenden Zerschlagung des Automobilindustrie durch Staat und von jeder Verantwortung befreite Lobbygruppen, eine Garantie dafür abgeben mögen, hier würde es bei bloßer Symbolik bleiben? Hier würden nicht genau solche Beschlüsse demnächst zum Anlaß genommen, tatsächlich Notstandsmaßnahmen zu erlassen, in die verheerender Weise in die bürgerlichen Freiheiten und Besitzrechte der Staatsbürger eingreifen? Daß die Medien, in Tateinheit mit der Politik, dem so unreflektierten wie infantilen Treiben der Klimakids Beifall zollen - bis hin zur EU-Führung in Gestalt eines Herrn Juncker und dem Oberhaupt der katholischen Kirche, darf als ein durchaus beunruhigendes Zeichen gewertet werden.

Man sollte die historischen Parallelen nicht überstrapazieren. Aber beunruhigend bleibt der Gedanke, daß beim letzten Durchgang, als, um die bekannte Zeile von Herbert Grönemeyer zu zitieren "den Kindern das Kommando" gegeben wurde, als ihnen nahegelegt wurde, sie dürften die öffentliche Ordnung, die herrschenden Institutionen ohne Bedenken zerschlagen, ohne Rücksicht auf Konsequenzen, im Namen einer höheren Gerechtigkeit - als ihnen dies von der eigenen politischen Führung auf Auftrag erteilt wurde, vor einem halben Jahrhundert, hieß das Unterfangen bekanntlich "Kulturrevolution". Auch dort herrschte die Regression, die Infantilität, der besinnungslose Rausch des Hier-und-Jetzt, und die Slogans der Roten Garden ("Es ist erlaubt, das Hauptquartier zu bombardieren!") unterschieden sich in ihrer benehmenden Primitivität in nichts von den immergleichen einfältigen Parolen einer Greta Thunberg.

Andererseits läßt sich eines ebensowenig übersehen: die "Schulstreiks fürs Klima" sind in ihrer tatsächlichen Wirkungslosigkeit, in ihrer dummen Hilflosigkeit nichts weniger als lächerlich. Sie sind die Travestie eines tatsächlichen Aktionismus, eine Persiflage gegenüber dem tatsäclich zerstörerischen Potential, wie es die von der - im buchstäblichen Sinn massenmörderischen - "Großen Proletarischen Kulturrevolution" inspirierten "68er" - an den Tag legten, bis hin zu des destruktiven Energie, die die Anti-Atomkraft-Bewegung zehn Jahre darauf oder noch die "Antifa" entwickeln konnten, als sie vor zwei Jahren anläßlich des G7-Gipfels in Hamburg das dortige Schanzenviertel zwei Nächte in Trümmer legen konnten. Wenn sich die Politik von diesem Kindergarten auf der Nase herumtanzen läßt, sagt dies mehr über ihren eigenen desolaten Zustand als über "die Macht der Straße" aus, die als gesellschaftliche Gegenkraft darin Ausdruck findet (Neu ist dieser Befund nicht: in der "Occupy-Bewegung" von 2011 zeigte sich die Desolatheit der "Protestkultur" zum ersten Mal in dieser hilflosen Form ganz unverstellt). Überhaupt scheint dieser seit Generationen etablierte Gegensatz  -"ihr da oben - wir hier unten!" - in den letzten zehn, vielleicht zwanzig Jahren seltsam aufgehoben zu sein: hier arbeiten nicht mehr unterschiedliche Pole im gesellschaftlichen Geschehen gegeneinander; hier leben sich zwei Pole frei aus, die beide - die "Politik" wie die "Straße" (wahlweise: "das Volk", "die Gegenkultur") genau dasselbe aufs Panier geschrieben haben: einen unreflektierten Gutmenschen-Utopismus, der um die Widersprüche der Wirklichkeit nichts weiß und der glaubt, sämtliche - vermeintlichen wie tatsächlichen Gegensätze und Friktionen mit hemmungslosen Geldgeschenken und dem Skandieren einfältiger Slogans bewältigen zu können - in Tateinheit mit einem ebenso enthemmten Hedonismus, der zwar schrill beklagt wird (von der "Politik" ebenso wie in den schlichten Parölchen): aber es bleibt seltsam folgenlos: ein immer wieder in den Medienberichten auftauchendes Bild der "Zukunfts-Freitage" war, daß die hüpfenden Jugendlichen nicht einmal bereit waren, den von ihnen hinterlassenen Berg von Fastfood- und Süßigkeits-Verpackungen einzusammeln, ja, daß ihnen dies als Zeichen dessen, was sie hier "anklagen", nicht einmal ansatzweise bewußt wäre.

Es ist diese Janusköpfigkeit, die so bezeichnend für den momentanen Abschied von aller Vernunft (den jegliches Jugendirresein nun einmal in sich trägt) ist: ist dies eine Bewegung, die einen tatsächlich zerstörerischen Kern in sich trägt, eine Kulmination aus einem halben Jahrhundert Gegenkultur und Verachtung aller "westlichen Werte", allen "Fortschritts" im Namen einer ahnungslosen Naturromantik, die aber die westliche Moderne seit ihrer Entstehung als dunkle Gegenströmung begleitet hat und vor einem halben Jahrhundert mit "1968" zum ersten Mal wirkmächtige Form gefunden hat, die sich seitdem vor allem im Zeichen der Öko-Bewegung (aber auch anderen inhaltsfreier Heilslehren wie etwas des Genderismus) hat ausdehnen können? Oder ist dies nichts als eine letzte Form infantiler Wohlstandsverwahrlosung, die wie ein Spuk verschwinden wird, sobald der Strom nicht mehr ununterbrochen aus der Steckdose kommt und die drei Mal im Jahr angesetzten Flüge in den Kurzurlaub tatsächlich dem neuen Puritanismus zum Opfer fallen? Vielleicht (ja, wahrscheinlich) scheint: beides. Noch aber ist, auch in diesem Bereich, eine bedrohlicher Krise dieses unlustigen Treibens nicht in Sicht; es ist noch viel Luft nach oben. Und bis es so weit ist, werden wir in diesem Land noch zahlreiche bizarre Manifestationen dieses Irrsinns bewundern dürfen. Einen Vorgeschmack gab es bereits 24 Stunden nach der ersten Ausrufung des "Notstands":

Klima-Aktivisten stellen RWE ein 47-Tage-Ultimatum
Auf der Hauptversammlung des Energieversorgers stellen die „Fridays For Future“-Aktivisten den Konzern an den Pranger. Doch mit ihrer Kritik ignoriert die Schülerbewegung den radikalen Wandel des Unternehmens. Klima-Aktivisten Luisa Neubauer von der Schülerbewegung „Fridays For Future“ ermahnte die Eigentümerversammlung: „Jede Person hier im Saal trägt Verantwortung.“ „Kein Konzern in ganz Europa trägt mehr Verantwortung für die Klimakrise als RWE“, erklärte Neubauer, die im Namen der kritischen Aktionäre das Rederecht auf der Hauptversammlung ausübte. Die RWE-Anteilseigner verkauften „ihre Verantwortung für ein paar Cent Rendite“. Im Saal wurden Unmutsäußerungen laut.










U.E.

© Ulrich Elkmann. Für Kommentare bitte hier klicken.