3. Februar 2013

Aufruhr in Arabien (38): Die Maske des Mohammed Morsi und die Rolle der Obama-Administration beim Umsturz in Ägypten

Die klarste Analyse der Lage in Ägypten, das beste Porträt Mohammed Morsis, das ich kenne, ist soeben in der Februar­ausgabe der Zeitschrift des Foreign Policy Research Institute erschienen, eines der führenden amerikanischen Think Tanks.

Der Autor Raymond Stock ist ein hervorragender Kenner Ägyptens. Er hat dort zwanzig Jahre gelebt und ist als Übersetzer arabischer Literatur hervor­getreten; unter anderem des Nobelpreisträgers Naguib Mahfouz. Er hat an der Drew University Arabistik gelehrt und schreibt als Publizist für zahlreiche Zeitschriften, darunter die Financial Times und die International Herald Tribune.

Sein Aufsatz heißt On mistaking Mohamed Mursi for his mask - "Über die Verwechslung von Mohamed Morsi mit seiner Maske". Ich möchte diesen sehr erhellenden Text in Auszügen referieren.­



Am 26. Dezember 2012 hat Mohamed Morsi in Ägypten die "Neue Republik" ausgerufen; einen islamistischen Staat. 84 Jahre hatten die Moslembrüder für dieses Ziel gekämpft. Jetzt haben sie es erreicht. Der nach Israel wichtigste Verbündete der USA im Nahen Osten, der Empfänger der zweithöchsten Militärhilfe der USA weltweit, wird jetzt von islamistischen Fanatikern regiert, die den USA feindlich gegenüberstehen. Wie konnte es dazu kommen? Welche Rolle spielte dabei die Obama-Administration?

Am 3. Februar 2011 sagte Hosni Mubarak in einem Interview mit der CNN-Redakteurin Christiane Amanpour, daß er in einem Telefongespräch Obama vor dem Chaos und der Herrschaft der Moslembrüder gewarnt habe, sollte man ihn zum Rücktritt zwingen. Mubarak wollte stattdessen einen friedlichen Übergang zu einer zivilen Regierung; er wollte die demokratische Wahl eines Präsidenten, bei der weder er noch sein Sohn Gamal kandidieren würden.

Viele der damaligen Demonstranten auf dem Tahrir-Platz wären mit einer solchen Lösung einverstanden gewesen; aber nicht die Obama-Administration. Am 10. Februar ließ das Weiße Haus verlauten, daß der Übergang zur Demokratie in Ägypten nicht schnell genug vonstatten gehe. Einen Tag danach trat Mubarak zurück.

Danach regierte eine Koalition aus dem Militär (dem Obersten Militärrat SCAF) und den Moslembrüdern; gefördert und unterstützt von der Obama-Administration. Obama hatte Mubarak fallengelassen, weil er ein Diktator gewesen sei; an der heraufziehenden Diktatur der Allianz zwischen Generälen und Islamisten scheint er sich nicht zu stören.

Von Beginn des "Arabischen Frühlings" in Ägypten an spielte die Moslembruderschaft (MB) eine viel größere Rolle, als das nach außen sichtbar wurde. In den westlichen Medien war viel von einer Facebook- und Twitter-Revolution die Rede. Aber von Anfang an - zum Beispiel bei der Demonstration am 28. Januar 2011 - konnten die MB erheblich mehr Anhänger mobilisieren als die Demokraten.

Demokraten, von denen viele ihre eigenen Beziehungen zu den Moslembrüdern hatten. Beispielsweise Wael Ghonim, jetzt im Management von Google in Dubai und früher Mitglied der MB. Oder der den MB eng verbundene Aktivist Abdel-Rahman Mansour, der zusammen mit Ghonim die Facebook-Seite Kullana Khaled Said betrieb, die eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung für die ersten Demonstrationen spielte.



Die Vorgeschichte dieser Entwicklung begann mit der Rede Barack Obamas - er stellte sich in ihr als Barack Hussein Obama vor - am 4. Juni 2009 in Kairo (siehe Barack der Redner; ZR vom 4. 6. 2009).

Es war eine "Rede an die islamische Welt"; schon von dieser Intention her eine Hervorhebung der Religion gegenüber den Nationalstaaten (man stelle sich vor, Obama hätte eine "Rede an die christliche Welt" gehalten).

Obama sprach in der Universität Kairo, einer säkularen Universität. Aber Mitveranstalter war die islamische Al-Azhar-Universität. Und er sprach vor Moslembrüdern.

Vertreter dieser damals verbotenen Organisation wurden eingeladen und erhielten Plätze in der ersten Reihe. Der offizielle Gastgeber Obamas, Präsident Mubarak, verweigerte daraufhin seine Teilnahme. Der Präsident der USA wollte vor den Repräsentanten einer verbotenen, revolutionären Organisation sprechen und brüskierte seinen Verbündeten Hosni Mubarak.

Jetzt hofiert er den neuen Diktator Morsi. Als im November über einen Waffenstillstand in Gaza verhandelt wurde, überließ Obama dem Präsidenten Morsi die Rolle des ehrlichen Maklers, die sonst stets die USA selbst gespielt hatten. Demonstrativ wurde der Waffenstillstand in Kairo verkündet (siehe Krieg in Nahost (6): Eine Feuerpause, kein Waffenstillstand; ZR vom 22. 11. 2012).

Wer ist dieser Mohammed Morsi? Als Student in den USA trat er der MB bei. Er stieg schnell in deren Führungsriege auf. Er galt stets als Hardliner und war beteiligt, wenn liberaler Denkende aus der Organisation ausgeschlossen wurden.

Morsi hat sich, bevor er Staatspräsident wurde, immer zum Dschihad bekannt, dem Krieg gegen die Ungläubigen; ein getreuer Gefolgsmann des Führers der MB, Mohammed Badie, der im Oktober 2010 zum Dschihad gegen Israel und Amerika aufgerufen hat.

Kürzlich wurden Äußerungen von ihm bekannt, in denen er die Juden als "Abkömmlinge von Affen und Schweinen" bezeichnet hat (siehe "Diese Abkömmlinge von Affen und Schweinen müssen vertrieben werden"; ZR vom 6. 1. 2013).

Als Mitte Januar eine Gruppe von US-Senatoren, darunter John McCain, in Kairo war, beschuldigte Morsi die US-Medien, seine Äußerungen verzerrt dargestellt zu haben; Medien, die "von gewissen Kräften kontrolliert" würden. Wen er damit meinte, mochte Morsi auf Nachfrage nicht sagen.

Tatsächlich hat Morsi, bis er Präsident wurde, aus seiner Judenfeindlichkeit nie einen Hehl gemacht. In Al Arabiya News hat vor zwei Wochen Abdel Latif al-Menawy auf einen Artikel aufmerksam gemacht, den Morsi auf der offiziellen WebSite der MB im Januar 2009 publizierte. Damals schrieb Morsi:
People have to condemn Zionist brutality ... and we tell Palestinians that we support them and that God has chosen them to protect al-Aqsa Mosque and to defend Islam and the Arab world against the Zionist herds, the offspring of apes and pigs.

Die Menschen müssen die Brutalität der Zionisten verurteilen ... und wir sagen den Palästinensern, daß wir sie unterstützen und daß Gott sie erwählt hat, die Al Aksa-Moschee zu beschützen und den Islam und die arabische Welt gegen die zionistischen Horden zu verteidigen, die Abkömmlinge von Affen und Schweinen.
Heute würde Morsi, nun in der Rolle des Staatspräsidenten, das nicht mehr schreiben oder sagen. Er trägt jetzt die Maske des Gemäßigten; so lange, wie das politisch zweckmäßig ist. Der Internationale Währungsfonds hat Ägypten 4,8 Milliarden Dollar zugesagt, die EU 5 Milliarden Dollar. Dafür lohnt es sich schon, den Gemäßigten zu geben.

Vor einer Woche, am 27. Januar, wurde Barack Obama zusammen mit Hillary Clinton in dem Programm "Sixty Minutes" von CBS interviewt. Dem Interviewer Steve Kroft sagte er zu Ägypten:
You know, when it comes to Egypt, I think, had it not been for the leadership we showed, you might have seen a different outcome there.

Wissen Sie, was Ägypten angeht, da glaube ich, daß ohne die Führung, die wir zeigten, es dort anders hätte ausgehen können.
In der Tat.
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Großmoschee von Kairouan, Tunesien. Vom Autor Wotan unter Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0-Lizenz freigegeben. Bearbeitet. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier.