Anders als die Mehrheit der Deutschen glaubt, nimmt die Zahl der Tabus keineswegs ab, sondern zu. Diese wiederum schränken die Freiheit des Denkens ein und blockieren nötige Debatten, die nüchtern geführt werden müssten, weil manche Missstände die Zukunft tatsächlich gefährden. Die Neigung zur Unerbittlichkeit wirkt zudem selbstzerstörerisch. Immer wieder fallen ihr Politiker zum Opfer, die wie Schavan oder Steinbrück fähig sind. Geben wir nicht Acht, bleibt am Ende nichts als stromlinienförmige Mittelmäßigkeit.
Kommentar: Schuster hat diesen Artikel offenbar geschrieben, bevor die jüngste Erregtheit in Gang gesetzt wurde; diejenige über Jörg-Uwe-Hahn (siehe Schlitzauge, Fidschi, Gelber Sack. Philipp Rösler, Jörg-Uwe Hahn und der deutsche Rassismus; ZR vom 8. 2. 2013). Das hätte in die Reihe dessen gepaßt, was er beschreibt:
Man kann das, wie anders, auf unterschiedlichen Ebenen beantworten.
Jacques Schuster psychologisiert. Ihm fällt gar die Jahreszeit als Erklärung ein:
Wir Deutschen neigen offenbar immer noch dazu, aus jeder Petitesse eine Grundsatzfrage zu machen. Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun.
Wir gehen bis zum bitteren Ende; ob wir nun die Welt mit Krieg überziehen oder aus der Atomkraft aussteigen; ob wir Militaristen sind oder uns zur Abwechslung in der Phase einer pazifistischen Beglückung der Welt befinden; durch das deutsche Wesen, an dem sie genesen soll, die Welt. Darunter tun wir es nicht, wir Vorreiter.
So auch jetzt: Wenn jemand einmal etwas mißverständlich ausgedrückt hat, dann geht es sofort um Sexismus, um Rassismus. Wörter werden mit Verboten belegt; einst hießen im Deutschen die Hosen die "Unaussprechlichen". Ein "Fakultätsrat" urteilt so streng wie vormals die Heilige Inquisition.
Pragmatismus, ein vernünftiger common sense, der die Kirche im Dorf und auch einmal fünf gerade sein läßt, das ist uns Deutschen so fremd wie eh und je. Hohepriester der Tugendhaftigkeit wie der unsägliche Moralisierer Heribert Prantl erklären uns, was eine Ministerin tun muß (siehe Heribert Prantl hebt den Zeigefinger. Unsere moralintriefende Tugendrepublik und ihre Opfer; ZR vom 7. 2. 2013).
Also nur Nationalcharakter? Der alte deutsche Untertan; der alte deutsche Spießer, nur jetzt links gewendet? Wohl schon, aber nicht nur.
Es geht ja um Handfestes. Psychologisieren, auch Soziologisieren kann leicht den Blick für das Offensichtliche verstellen.
Alle diese Aufgeregtheiten, ob über das Wort "Neger", ob über Rainer Brüderle, ob über Annette Schavan oder jetzt Jörg Uwe Hahn folgen ja demselben Muster: Es geht darum, linke Meinungsdominanz durchzusetzen.
Kein Politiker einer der linken Parteien wird derart gemobbt. Selbst die absurdesten sprachlichen Entgleisungen von Linken wie die Bezeichnung "Demokratieabgabe" für das Entgelt, das jeder Haushalt den öffentlich-rechtlichen Sendern zahlen muß, entgehen der Skandalisierung (siehe Der sehr funktionsfähige Jörg Schönenborn; ZR vom 30. 12. 2012).
Nicht die psychologischen Auswirkungen eines trüben Februars, auch nicht der nationale Charakter der Deutschen können erklären, warum eine Welle nach der anderen des Verurteilens, des Denunzierens, der moralischen Rechthaberei durch das Land rollt. Erklären kann das aber allerdings der Umstand, daß am 22. September Wahlen zum Bundestag sind.
Der Literaturchef der "Welt" Jacques Schuster gestern über "Schavan, Brüderle und 'Neger'", die die "Republik erregen".
Kommentar: Schuster hat diesen Artikel offenbar geschrieben, bevor die jüngste Erregtheit in Gang gesetzt wurde; diejenige über Jörg-Uwe-Hahn (siehe Schlitzauge, Fidschi, Gelber Sack. Philipp Rösler, Jörg-Uwe Hahn und der deutsche Rassismus; ZR vom 8. 2. 2013). Das hätte in die Reihe dessen gepaßt, was er beschreibt:
... vom Zorn auf Bildungsministerin Annette Schavan über den Grimm auf den FDP-Spitzenkandidaten Rainer Brüderle bis hin zur Aufgebrachtheit über einige furchtbar schamlose Zeitgenossen, die es doch tatsächlich gewagt haben, das Wort "Negerlein" harmlos zu findenWarum ist das in Deutschland so? Warum sind wir eine Tugendrepublik geworden; rigider, moralintriefender, freiheitsfeindlicher als die meisten anderen demokratischen Rechtsstaaten?
Man kann das, wie anders, auf unterschiedlichen Ebenen beantworten.
Jacques Schuster psychologisiert. Ihm fällt gar die Jahreszeit als Erklärung ein:
Überall in Deutschland ist es frostig. Die feuchte Kälte verwandelt jedes Wort in Rauch. (...) Es soll Zeiten gegeben haben, da saßen die Deutschen in den miesen Wochen des Jahres im Schein der Kerze oder im Zwielicht der eigenen vier Wände und lasen oder pflegten ihr Ruhebedürfnis. (...) Dieses Jahr aber kommen die Deutschen nicht zur Ruhe. Sie sitzen – frei nach Tucholsky – auf ihren Sofas und nehmen übel.Nun ja. Ernster zu nehmen ist der Blick auf unsere deutsche Mentalität. Ulrich Elkmann hat dazu in Zettels kleinem Zimmer ein schönes Zitat publiziert; aus dem Jahr 1913.
Wir Deutschen neigen offenbar immer noch dazu, aus jeder Petitesse eine Grundsatzfrage zu machen. Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun.
Wir gehen bis zum bitteren Ende; ob wir nun die Welt mit Krieg überziehen oder aus der Atomkraft aussteigen; ob wir Militaristen sind oder uns zur Abwechslung in der Phase einer pazifistischen Beglückung der Welt befinden; durch das deutsche Wesen, an dem sie genesen soll, die Welt. Darunter tun wir es nicht, wir Vorreiter.
So auch jetzt: Wenn jemand einmal etwas mißverständlich ausgedrückt hat, dann geht es sofort um Sexismus, um Rassismus. Wörter werden mit Verboten belegt; einst hießen im Deutschen die Hosen die "Unaussprechlichen". Ein "Fakultätsrat" urteilt so streng wie vormals die Heilige Inquisition.
Pragmatismus, ein vernünftiger common sense, der die Kirche im Dorf und auch einmal fünf gerade sein läßt, das ist uns Deutschen so fremd wie eh und je. Hohepriester der Tugendhaftigkeit wie der unsägliche Moralisierer Heribert Prantl erklären uns, was eine Ministerin tun muß (siehe Heribert Prantl hebt den Zeigefinger. Unsere moralintriefende Tugendrepublik und ihre Opfer; ZR vom 7. 2. 2013).
Also nur Nationalcharakter? Der alte deutsche Untertan; der alte deutsche Spießer, nur jetzt links gewendet? Wohl schon, aber nicht nur.
Es geht ja um Handfestes. Psychologisieren, auch Soziologisieren kann leicht den Blick für das Offensichtliche verstellen.
Alle diese Aufgeregtheiten, ob über das Wort "Neger", ob über Rainer Brüderle, ob über Annette Schavan oder jetzt Jörg Uwe Hahn folgen ja demselben Muster: Es geht darum, linke Meinungsdominanz durchzusetzen.
Kein Politiker einer der linken Parteien wird derart gemobbt. Selbst die absurdesten sprachlichen Entgleisungen von Linken wie die Bezeichnung "Demokratieabgabe" für das Entgelt, das jeder Haushalt den öffentlich-rechtlichen Sendern zahlen muß, entgehen der Skandalisierung (siehe Der sehr funktionsfähige Jörg Schönenborn; ZR vom 30. 12. 2012).
Nicht die psychologischen Auswirkungen eines trüben Februars, auch nicht der nationale Charakter der Deutschen können erklären, warum eine Welle nach der anderen des Verurteilens, des Denunzierens, der moralischen Rechthaberei durch das Land rollt. Erklären kann das aber allerdings der Umstand, daß am 22. September Wahlen zum Bundestag sind.
Zettel
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