20. Februar 2013

Vera Lengsfeld hat Gregor Gysi angezeigt

Vera Lengsfeld hat Gregor Gysi angezeigt. Sie hat Erfahrungen mit dem Rechtsanwalt Gregor Gysi. Hier sind Auszüge aus ihrem Bericht (PDF). Frau Lengsfeld, damals Vera Wollenberger, war in Hohen­schön­hausen inhaftiert. Sie schildert u.a. ihre Entlassung und Ausreise in den Westen im Februar 1988:
Wie ich Gregor Gysi als Erfüllungsgehilfen der Stasi erlebte

(...) Wir wurden zu einem Gebäude am östlichen Stadtrand gebracht, das, wie ich später erfuhr, ein Gästehaus der Staatssicherheit war. Ich musste mit dem Bohley-Bearbeiter [einem Offizier des MfS] in einer Mischung von Wohn- und Konferenzzimmer warten.

Nach einer Weile kam Gregor Gysi ins Zimmer. Nach der Begrüßung verließ er noch einmal den Raum und kam mit einem Tablett, auf dem eine Thermoskanne Kaffee und zwei Tassen standen, wieder. Gysi kannte sich offenbar in dem Haus aus und konnte, ohne jemanden fragen zu müssen, in der Küche Kaffee kochen. Ich fand das merkwürdig. (...)

Er [Gysi] wurde durch das Erscheinen von Rechtsanwalt Schnur [eines Agenten des MfS] und meinem Mann [Knud Wollenberger, ebenfalls ein Agent des MfS] unterbrochen. Die beiden saßen kaum, da eröffnete Gysi die "Verhandlung", indem er uns mitteilte, was ihm am Vormittag angeblich in der Generalstaatsanwaltschaft gesagt worden war: Eine Entlassung in die DDR käme für mich nicht in Betracht. Ich hätte am heutigen Montag allerdings letztmalig die Möglichkeit, mich für eine befristete Ausreise nach England zu entscheiden. (...)

Ich schrieb [Vera Lengsfelds Sohn] Philipp einen Brief und ließ mir von Gysi in die Hand versprechen, dass er ihn meinem Sohn sofort persönlich bringt. Gysi versichert wortreich, er werde gleich anschließend als Erstes zu Philipp fahren und ihm nicht nur den Brief geben, sondern auch mit ihm reden.

Ich traute Gysi zwar nicht, nahm aber an, dass ein Mann, dessen Sohn in etwa demselben Alter war wie meiner, so viel menschliches Mitgefühl aufbringt, um nicht zuzulassen, dass mein Sohn von der Ausreise seiner Mutter aus den Medien erfährt.

Aber genau das war der Fall. Gysi hat entgegen seinem Versprechen den Brief erst am nächsten Tag in den Briefkasten gesteckt. Mein Sohn erfuhr aus dem Radio, dass seine Mutter und seine Brüder bereits im Westen waren. (...)

Herrn Gysis Rolle bei meiner Abschiebung ist mehr als dubios. Er hatte weder von mir ein Mandat noch, wenn ich seinen Beteuerungen glauben kann, ein Mandat meines Mannes. Warum und in wessen Auftrag er an jenem Montag bei der Staatsanwaltschaft gewesen sein will, um sich nach dem Stand meiner Angelegenheiten zu erkundigen, darüber schweigt sich Gysi bis heute aus.

Als ich im 1990 als Volkskammerabgeordnete meine Rehabilitierung vor dem Obersten Gericht der DDR betrieb, bekam ich meine Prozessunterlagen zur Einsicht. Aus den Unterlagen geht hervor, dass mein Richter Wetzenstein- Ollenschläger schon am vorausgegangenen Sonnabend eine Entlassungs­anweisung für mich unterschrieben hatte. Die Staatanwaltschaft kann also Gysi nicht mitgeteilt haben, dass meine Entlassung außerhalb jeder Diskussion sei.

Klar ist jedenfalls, dass es einen Maßnahmeplan der Staatssicherheit gab, die inhaftierten Bürgerrechtler aus dem Lande zu entfernen. (...)

Als ich meine Gerichtsakten eingesehen hatte, rief ich Gysi an. (...) Er gab sich überrascht und empört. Dass man ihn bei der Staatsanwaltschaft belügen könnte, darauf wäre er niemals gekommen.


Dies sind stark gekürzte Auszüge; Erläuterungen in eckigen Klammern von mir. Ich empfehle die Lektüre des gesamten Berichts von Frau Lengsfeld; siehe auch deren Beitrag zum Thema in der "Achse des Guten".

Siehe auch:
Zitat des Tages: Eine Ehrenmünze für den IMS "Notar"; ZR vom 17. 2. 2013
Zettel



© Zettel. Dies ist die überarbeitete Fassung eines Artikels vom Mai 2008, den ich aus dem aktuellen Anlaß erneut publiziere. Zitate mit Erlaubnis von Frau Lengsfeld. Titelbild: Das Absolventenabzeichen des MfS. Vom Autor Uploader unter e Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported-Lizenz freigeben. Für Kommentare bitte hier klicken.