4. Juni 2009

Marginalie: Barack der Redner

Früher gab man Herrschern gern Beinamen. Manchmal nahmen sie Bezug auf eine körperliche Eigenheit - Pippin der Kurze, Karl der Kahle, Barbarossa. Oft bezogen sie sich aber auch auf das Wesen des Herrschers, seinen Stil - Cunctator, der Zögerliche, Philipp der Weise, August der Starke.

Bei modernen Politikern sind derlei Beinamen rar geworden. Die Eiserne Lady ist eine der seltenen Ausnahmen. Ich möchte eine weitere vorschlagen: Barack der Redner.

Durch Reden, ausschließlich durch Reden ist Barack Obama Präsident geworden. Seine Leistung als Politiker, seine Lebensleistung außerhalb der Politik waren mehr als bescheiden gewesen, als er zum Kampf um die Präsidentschaft antrat. Das Gesetz, mit dem er sich einen Namen hatte machen wollen, das Iraq War De-Escalation Act, hätte, wäre es vom Kongreß angenommen worden, verheerende Folgen gehabt. Ansonsten tat sich der Senator Obama so wenig hervor, wie sich der Privatmann Obama zuvor in seinem Leben als außergewöhnlich gezeigt hatte.

Aber reden kann er, Barack Obama. Mit Reden wurde er Präsident.

Mit Reden versucht er es jetzt als Präsident. Heute wieder in Kairo. Man kann die Rede auf der WebSite des Weißen Hauses nachlesen.

Ich habe die Übertragung bei CNN gesehen. Die Rede unterschied sich nicht von den üblichen Reden Barack Obamas, als Kandidat und als Präsident; sieht man davon ab, daß die Teleprompter anscheinend etwas höher angebracht waren als üblich, so daß Obama eher gen Himmel blickte als ins Auditorium. Und sieht man davon ab, daß er nach der Erwähnung von Moses, Jesus und Mohammed die Formel "peace be upon them" (Friede sei mit ihnen) sprach; etwas, was sonst nur Moslems tun, ja was als Ausweis moslemischer Frömmigkeit gilt.

Es waren ansonsten die üblichen vollmundigen Worte. Als Kandidat wollte er "heal this nation, repair this world", diese Nation gesunden lassen, diese Welt heil machen. Als Präsident hat er es allen Ernstes als sein politisches Ziel verkündet, eine Welt ohne Atomwaffen zu schaffen. Ungefähr so realistisch wie eine Welt ohne Atomwaffen ist das, was Obama der Redner jetzt für den Nahen Osten dargelegt hat:
The only resolution is for the aspirations of both sides to be met through two states, where Israelis and Palestinians each live in peace and security. (...) The Palestinian Authority must develop its capacity to govern, with institutions that serve the needs of its people. Hamas does have support among some Palestinians, but they also have to recognize they have responsibilities. (...) At the same time, Israelis must acknowledge that just as Israel's right to exist cannot be denied, neither can Palestine's.

Die einzige Lösung besteht darin, daß das, was beide Seiten anstreben, durch zwei Staaten erreicht wird, in denen sowohl die Israelis als auch die Palästinenser in Frieden und Sicherheit leben. (...) Die Palästinensische Verwaltung muß ihre Fähigkeit zu Regieren entwickeln, mit Institutionen, die den Bedürfnissen ihre Volkes dienen. Hamas genießt die Unterstützung mancher Palästinenser, muß aber auch seine Verantwortungen anerkennen. (...) Zugleich muß Israel anerkennen, daß ebenso, wie das Existenzrecht Israels nicht geleugnet werden kann, auch dasjenige der Palästinenser dies nicht kann.
Perfekt! Ja, das ist es! Daß da niemand vor Obama darauf gekommen ist!

Natürlich ist seit Jahrzehnten jeder darauf gekommen; diese Ziele waren ja bereits das Ergebnis des Prozesses von Oslo. Nur ist es eines, Ziele zu formulieren, und ein anderes, sie zu erreichen. Warum die Aussichten für das, wovon Obama heute in Kairo geschwärmt hat, außerordentlich schlecht sind, hat kürzlich George Friedman erläutert.

Ein Präsident, dem es um das Handeln geht, um den erreichbaren Erfolg, hätte solche naiven, nachgerade utopischen Ziele niemals formuliert. Es sind alles schöne Worte, dröhnend schöne Worte. Obama schildert ein idealisiertes Wolkenkuckucksheim und kann sich damit natürlich des Beifalls sicher sein.

Ob er wirklich die Welt heilen kann, ob es wirklich möglich und überhaupt wünschenswert ist, alle Atomwaffen zu beseitigen, ob es auch nur die geringste tatsächliche Aussicht gibt, eine Zweistaaten- Lösung im Nahen Osten unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen zu realisieren - Barack den Redner scheint das gar nicht zu interessieren.

Aber Obama geht es ja augenscheinlich nicht um das Handeln. An die Stelle der Diplomatie setzt er das Reden. An die Stelle des Abwägens und des Ausgleichs von Interessen setzt er das Reden. An die Stelle einer realistischen Einschätzung schwieriger Situationen setzt er eine Rhetorik, in der sich alles auf wundersame Weise bestens auflöst.

Noch funktioniert das. Das Echo auf Obamas Rede war freundlich bis enthusiastisch. Aber wie lange funktioniert es? Wie lange wird es dauern, bis man im Ausland merkt, bis irgendwann auch die Bürger der USA merken, daß man durch Reden die Realität nicht in ihr Gegenteil verkehren kann?



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