19. Mai 2009

Zitat des Tages: "Der Friedensprozeß ist eine Chimäre". George Friedmans Analyse zu Netanyahus Besuch in Washington

... the entire peace process — including the two-state solution — is a chimera. Neither side can live with what the other can offer.

(... der ganze Friedensprozeß - einschließlich der Zweistaaten- Lösung - ist eine Chimäre. Keine Seite kann mit dem leben, was die andere anbieten kann.)

George Friedman gestern bei Stratfor zu Netanyahus Besuch in Washington.

Kommentar: Wie so oft liefert George Friedman eine nüchterne Analyse der Interessen, die hinter den Verlautbarungen für die Medien und das Publikum stecken.

Aus seiner Sicht ist niemand an einer Zweistaaten- Lösung im Nahen Osten interessiert. Er nennt dafür die folgenden Gründe:
  • First, at present there are two Palestinian entities, Gaza and the West Bank, which are hostile to each other.

  • Second, the geography and economy of any Palestinian state would be so reliant on Israel that independence would be meaningless; geography simply makes the two-state proposal almost impossible to implement.

  • Third, no Palestinian government would have the power to guarantee that rogue elements would not launch rockets at Israel, potentially striking at the Tel Aviv- Jerusalem corridor, Israel’s heartland.

  • And fourth, neither the Palestinians nor the Israelis have the domestic political coherence to allow any negotiator to operate from a position of confidence. Whatever the two sides negotiated would be revised and destroyed by their political opponents, and even their friends.

  • Erstens gibt es im Augenblick zwei palästinensische Gebilde, Gaza und die Westbank, die einander feindlich gegenüberstehen.

  • Zweitens wäre jeder Palästinenser- Staat aus Gründen der Geographie und der Wirtschaft derart auf Israel angewiesen, daß Unabhängigkeit sinnlos wäre; die Geographie macht es so gut wie unmöglich, den Zwei- Staaten- Plan zu realisieren.

  • Drittens hätte keine palästinensische Regierung die Macht, zu garantieren, daß schurkische Elemente nicht Raketen auf Israel abfeuern würden; diese hätten die Möglichkeit, den Korridor Tel Aviv- Jerusalem zu treffen, das Herzland Israels.

  • Und viertens haben weder die Palästinenser noch die Israelis das innenpolitische Einvernehmen, das es einem Verhandlungsführer ermöglichen würde, verbindliche Zusagen zu machen. Was auch immer die beiden Seiten aushandelten, würde von ihren politischen Gegnern, sogar ihre Freunden, revidiert und zerstört werden.
  • Warum also das ganze Verhandlungstheater?

    Die arabischen Staten, schreibt Friedman, hätten zwar kein Interesse an einem Palästinenser- Staat; sie müßten aber auf eine Pro- Palästina- Stimmung in Teilen ihrer Bevölkerung Rücksicht nehmen: "The states’ challenge, accordingly, is to appear to be doing something on behalf of the Palestinians while in fact doing nothing" - die Herausforderung an diese Staaten sei es also, scheinbar etwas für die Palästinenser zu tun, während sie in Wahrheit nichts tun.

    Die USA ihrerseits seien an guten Beziehungen zu diesen Staaten interessiert und bemühten sich deshalb, den Eindruck zu erwecken, sie reagierten auf Druck ihrer Regierungen - "while being careful to achieve nothing"; während sie darauf bedacht seien, nichts zustande zu bringen.

    Was Israel angeht, so sieht Friedman vor allem die innenpolitischen Interessen Netanyahus und den Aspekt der Weltmeinung. Netanyahu hätte, so Friedman, gern eine große Nahost- Konferenz, in der die Araber unisono Israel verurteilen würden:

    "This would shore up the justification for Netanyahu’s policies domestically while simultaneously creating a framework for reshaping world opinion by showing an Israel isolated among hostile states" - das würde Netanyahus Politik innenpolitisch rechtfertigen und in der Weltbildung das Bild von einem isolierten Israel formen, umgeben von Feinden.

    Friedmans Fazit ist nüchtern und klingt zynisch:
    So the peace process will continue, no one will expect anything from it, the Palestinians will remain isolated and wars regularly will break out. The only advantage of this situation from the U.S. point of view it is that it is preferable to all other available realities.

    So wird der Friedensprozeß weitergehen, niemand wird irgend etwas davon erwarten, die Palästinenser werden isoliert bleiben, mit Regelmäßigkeit werden Kriege ausbrechen. Aus der Sicht der USA ist das einzige Vorteilhafte an dieser Situation, daß sie immer noch besser ist als jede andere verfügbare Realität.
    Das sind nur einige Auszüge aus George Friedmans Artikel. Ich empfehle, ihn komplett zu lesen. Es lohnt sich.



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