Was für ein Tag morgen! Das Grundgesetz wird sechzig Jahre alt, und der Bundespräsident kämpft um seine Wiederwahl. Ach ja, und die Spielzeit der Bundesliga geht mit spannenden Kämpfen an der Spitze und im Keller zu Ende. Das wollen wir ja auch nicht vergessen.
Damit, daß er um seine Wiederwahl kämpfen mußte - zumindest damit -, wird Horst Köhler in die Geschichte eingehen.
Bisher wurden alle Bundespräsidenten, die sich für eine zweite Amtszeit zur Verfügung stellten, mit einer breiten Mehrheit wiedergewählt. Natürlich gibt es darauf keinen formalen Anspruch; aber es macht schon Sinn. Denn der Präsident soll sein Amt überparteilich ausüben. Ist ihm das gelungen, dann liegt es nahe, daß er auch überparteilich wiedergewählt wird.
Ist Horst Köhler mit einer einvernehmlichen Wiederwahl gescheitert, weil er sein Amt schlechter, weil er es weniger überparteilich ausgeübt hätte als seine Vorgänger?
Keineswegs. Er war in seiner jetzt zu Ende gehenden ersten Amtszeit ein selbständiger, ein den Politikern oft unbequemer Präsident. Daß er sein Amt politisch einseitig ausgeübt hätte, wird ihm selbst die SPD nicht vorwerfen können. Er hat die Wiederwahl ebenso verdient wie Theodor Heuß, wie Heinrich Lübke, wie Richard von Weizsäcker.
Warum also muß er morgen um sein Amt kämpfen? Warum hat die SPD mit der bisherigen Tradition gebrochen, einen erfolgreichen Präsidenten über Parteigrenzen hinweg wiederzuwählen?
Die Antwort ist einfach: Weil die SPD die Wahl des Bundespräsidenten für ihre politische Strategie einsetzen wollte.
Die Entscheidung fiel vor gut einem Jahr, Anfang Mai 2008. Damals hatte eine Frau das Sagen in der SPD: Die Linksaußen- Politikerin Andrea Nahles, deren Büro im Augenblick damit beschäftigt ist, bisherige Kommunisten in die SPD zu holen.
Zwar war der engere Vorstand (Kurt Beck und seine Stellvertreter Steinbrück, Steinmeier und eben Nahles) mehrheitlich keineswegs links. Aber der biedere, sich freilich durchaus auch in täppischem Machiavellismus versuchende Kurt Beck war im heimischen Mainz verwurzelt geblieben und hatte nie in Berlin Fuß gefaßt; er war ja auch hauptamtlich mit dem Regieren in Mainz beschäftigt. Auch Steinmeier und Steinbrück hatten große Ministerien zu verwalten. Andrea Nahles aber konnte sich voll der Partei widmen; sie wurde damit so etwas wie die geschäftsführende Vorsitzende.
Und als diese fädelte sie den Coup ein, den ich damals, am 20. Mai 2008, im einzelnen beschrieben habe:
Köhler hatte sich damals noch nicht geäußert, ob er eine zweite Amtszeit anstrebe. Wie bei Heuß, Lübke und Weizsäcker rechnete man damit, daß er das nur tun würde, wenn er des Vertrauens einer breiten Mehrheit in der Bundesversammlung würde sicher sein können.
Also hatten die Mini- Machiavellis von der SPD sich, angeführt von Andrea Nahles, ein "Geheimtreffen" ausgedacht, das so geheim war, daß es sofort der Presse bekannt wurde. Man hatte sich auf die Kandidatin Gesine Schwan verständigt, teilte das aber nicht mit, weil man ja "Respekt vor dem Amt des Präsidenten" hatte.
Durchsickern aber ließ man es; in einem breit sickernden Bach, sozusagen. Die Hoffnung war offensichtlich, damit Köhler zum Verzicht auf eine zweite Amtszeit zu bewegen. Gegen einen neuen Kandidaten der Union würde Schwan dann ausgezeichnete Chancen haben.
Köhler aber reagierte nicht wie erwartet (wie auch ich es erwartet hatte): Er verkündete nun erst recht, daß er für eine zweite Amtszeit kandidieren würde. Er nahm es in Kauf, als erster deutscher Bundespräsident um sein Amt kämpfen zu müssen.
Warum wollte Andrea Nahles den Präsidenten Köhler weghaben? Sie wollte nicht eigentlich den Präsidenten Köhler weghaben. Sie wollte eine Gegenkandidatin gewählt sehen, und zwar mit den Stimmen der Volksfront aus SPD, Grünen und Kommunisten.
Damals sollten die Weichen für eine Volksfront- Regierung nach dem 27. September 2009 gestellt werden. Ein "Stück Machtwechsel"; so, wie bei der Wahl Gustav Heinemanns am 5. März 1969 erstmals auf Bundesebene eine sozialliberale Koalition agierte, die dann im Herbst auch die Regierung bildete.
Kein Wunder, daß die Nominierung Gesine Schwans bei den Anhängern einer Volksfront auf begeisterte Zustimmung stieß; ich habe damals in zwei Artikeln diese Medienkampagne für Schwan kommentiert.
Alles schien so schön zu laufen; Schwan benahm sich zunächst sehr geschickt, indem sie sich alsbald mit den Kommunisten anlegte. So konnte das Image einer Freundin der Kommunisten gar nicht erst aufkommen; und daß diese sie dennoch aus machtpolitischem Kalkül wählen würden, war der Kennerin des Kommunismus Schwan natürlich klar.
Alles hätte so schön werden können - wenn nicht Beck gestürzt und damit Nahles entmachtet worden wäre. Wenn nicht damit in der SPD auf einmal nicht mehr die Volksfront für 2009 angesagt gewesen wäre, sondern die Ampel.
Damit hing nun die Kandidatur Gesine Schwans in der Luft. Sie war unter diesen neuen Auspizien der SPD schon fast genierlich; würde doch eine Stimmabgabe der Kommunisten für die SPD- Kandidatin nur häßliche Befürchtungen nähren, daß die SPD am Ende doch auf eine Volksfront zusteuern könnte.
Eine Woge der Begeisterung in der ganzen Linken hatte Gesine Schwan ins Amt tragen sollen. Jetzt rührte sich in der SPD kaum noch eine Hand für sie. Ich habe diesen Frust der Kandidatin Gesine Schwan Anfang des Jahres hier und hier kommentiert. Sie konnte einem nachgerade Leid tun, diese Kandidatin, die mit hoch erhobener Fahne vorneweg marschierte; nur folgte ihr kaum noch jemand.
Und wie wird es nun morgen ausgehen? Ich halte es für wahrscheinlich, daß Horst Köhler schon im ersten Wahlgang gewählt werden wird.
Gut möglich, daß auch einige aus der SPD für ihn stimmen, die es nicht darauf ankommen lassen wollen, daß am Ende die Kommunisten ihren Peter Sodann zurückziehen und erklären, sie würden für Schwan stimmen. Gut möglich sogar, daß auch die Kommunisten an einer solchen Konstellation nicht mehr interessiert sind. Warum sollen sie noch für eine Kandidatin der Volksfront stimmen, solange die SPD die Volksfront brüsk ablehnt?
Damit, daß er um seine Wiederwahl kämpfen mußte - zumindest damit -, wird Horst Köhler in die Geschichte eingehen.
Bisher wurden alle Bundespräsidenten, die sich für eine zweite Amtszeit zur Verfügung stellten, mit einer breiten Mehrheit wiedergewählt. Natürlich gibt es darauf keinen formalen Anspruch; aber es macht schon Sinn. Denn der Präsident soll sein Amt überparteilich ausüben. Ist ihm das gelungen, dann liegt es nahe, daß er auch überparteilich wiedergewählt wird.
Ist Horst Köhler mit einer einvernehmlichen Wiederwahl gescheitert, weil er sein Amt schlechter, weil er es weniger überparteilich ausgeübt hätte als seine Vorgänger?
Keineswegs. Er war in seiner jetzt zu Ende gehenden ersten Amtszeit ein selbständiger, ein den Politikern oft unbequemer Präsident. Daß er sein Amt politisch einseitig ausgeübt hätte, wird ihm selbst die SPD nicht vorwerfen können. Er hat die Wiederwahl ebenso verdient wie Theodor Heuß, wie Heinrich Lübke, wie Richard von Weizsäcker.
Warum also muß er morgen um sein Amt kämpfen? Warum hat die SPD mit der bisherigen Tradition gebrochen, einen erfolgreichen Präsidenten über Parteigrenzen hinweg wiederzuwählen?
Die Antwort ist einfach: Weil die SPD die Wahl des Bundespräsidenten für ihre politische Strategie einsetzen wollte.
Die Entscheidung fiel vor gut einem Jahr, Anfang Mai 2008. Damals hatte eine Frau das Sagen in der SPD: Die Linksaußen- Politikerin Andrea Nahles, deren Büro im Augenblick damit beschäftigt ist, bisherige Kommunisten in die SPD zu holen.
Zwar war der engere Vorstand (Kurt Beck und seine Stellvertreter Steinbrück, Steinmeier und eben Nahles) mehrheitlich keineswegs links. Aber der biedere, sich freilich durchaus auch in täppischem Machiavellismus versuchende Kurt Beck war im heimischen Mainz verwurzelt geblieben und hatte nie in Berlin Fuß gefaßt; er war ja auch hauptamtlich mit dem Regieren in Mainz beschäftigt. Auch Steinmeier und Steinbrück hatten große Ministerien zu verwalten. Andrea Nahles aber konnte sich voll der Partei widmen; sie wurde damit so etwas wie die geschäftsführende Vorsitzende.
Und als diese fädelte sie den Coup ein, den ich damals, am 20. Mai 2008, im einzelnen beschrieben habe:
Köhler hatte sich damals noch nicht geäußert, ob er eine zweite Amtszeit anstrebe. Wie bei Heuß, Lübke und Weizsäcker rechnete man damit, daß er das nur tun würde, wenn er des Vertrauens einer breiten Mehrheit in der Bundesversammlung würde sicher sein können.
Also hatten die Mini- Machiavellis von der SPD sich, angeführt von Andrea Nahles, ein "Geheimtreffen" ausgedacht, das so geheim war, daß es sofort der Presse bekannt wurde. Man hatte sich auf die Kandidatin Gesine Schwan verständigt, teilte das aber nicht mit, weil man ja "Respekt vor dem Amt des Präsidenten" hatte.
Durchsickern aber ließ man es; in einem breit sickernden Bach, sozusagen. Die Hoffnung war offensichtlich, damit Köhler zum Verzicht auf eine zweite Amtszeit zu bewegen. Gegen einen neuen Kandidaten der Union würde Schwan dann ausgezeichnete Chancen haben.
Köhler aber reagierte nicht wie erwartet (wie auch ich es erwartet hatte): Er verkündete nun erst recht, daß er für eine zweite Amtszeit kandidieren würde. Er nahm es in Kauf, als erster deutscher Bundespräsident um sein Amt kämpfen zu müssen.
Warum wollte Andrea Nahles den Präsidenten Köhler weghaben? Sie wollte nicht eigentlich den Präsidenten Köhler weghaben. Sie wollte eine Gegenkandidatin gewählt sehen, und zwar mit den Stimmen der Volksfront aus SPD, Grünen und Kommunisten.
Damals sollten die Weichen für eine Volksfront- Regierung nach dem 27. September 2009 gestellt werden. Ein "Stück Machtwechsel"; so, wie bei der Wahl Gustav Heinemanns am 5. März 1969 erstmals auf Bundesebene eine sozialliberale Koalition agierte, die dann im Herbst auch die Regierung bildete.
Kein Wunder, daß die Nominierung Gesine Schwans bei den Anhängern einer Volksfront auf begeisterte Zustimmung stieß; ich habe damals in zwei Artikeln diese Medienkampagne für Schwan kommentiert.
Alles schien so schön zu laufen; Schwan benahm sich zunächst sehr geschickt, indem sie sich alsbald mit den Kommunisten anlegte. So konnte das Image einer Freundin der Kommunisten gar nicht erst aufkommen; und daß diese sie dennoch aus machtpolitischem Kalkül wählen würden, war der Kennerin des Kommunismus Schwan natürlich klar.
Alles hätte so schön werden können - wenn nicht Beck gestürzt und damit Nahles entmachtet worden wäre. Wenn nicht damit in der SPD auf einmal nicht mehr die Volksfront für 2009 angesagt gewesen wäre, sondern die Ampel.
Damit hing nun die Kandidatur Gesine Schwans in der Luft. Sie war unter diesen neuen Auspizien der SPD schon fast genierlich; würde doch eine Stimmabgabe der Kommunisten für die SPD- Kandidatin nur häßliche Befürchtungen nähren, daß die SPD am Ende doch auf eine Volksfront zusteuern könnte.
Eine Woge der Begeisterung in der ganzen Linken hatte Gesine Schwan ins Amt tragen sollen. Jetzt rührte sich in der SPD kaum noch eine Hand für sie. Ich habe diesen Frust der Kandidatin Gesine Schwan Anfang des Jahres hier und hier kommentiert. Sie konnte einem nachgerade Leid tun, diese Kandidatin, die mit hoch erhobener Fahne vorneweg marschierte; nur folgte ihr kaum noch jemand.
Und wie wird es nun morgen ausgehen? Ich halte es für wahrscheinlich, daß Horst Köhler schon im ersten Wahlgang gewählt werden wird.
Gut möglich, daß auch einige aus der SPD für ihn stimmen, die es nicht darauf ankommen lassen wollen, daß am Ende die Kommunisten ihren Peter Sodann zurückziehen und erklären, sie würden für Schwan stimmen. Gut möglich sogar, daß auch die Kommunisten an einer solchen Konstellation nicht mehr interessiert sind. Warum sollen sie noch für eine Kandidatin der Volksfront stimmen, solange die SPD die Volksfront brüsk ablehnt?
Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: The International Monetary Fund. In der Public Domain, bestätigt durch das Wikimedia OTRS system.