24. Mai 2009

Marginalie: Worum ging es eigentlich auf der Demonstration, auf der Kurras den Studenten Ohnesorg erschoß? Der Schah als multiple Haßfigur

Im Transatlantic Forum hat Martin Riexinger darauf aufmerksam gemacht, daß man sich im Zusammenhang mit dem Schuß von Kurras auch darum kümmern sollte, worum es auf der Demonstration am 2. Juni 1967 eigentlich ging.

Um den Besuch des persischen Schahs nämlich. (Man sagte noch "Persien", bevor das Land politisch korrekt in "Iran" umbenannt wurde). Dieser Staatsbesuch löste - ich habe es miterlebt, wenn auch nicht in Berlin - bei vielen Studenten eine ungeheure Wut aus.

Das "Schah- Regime" galt damals vielen als das schlechthinnige Böse. Das Rowohlt- Bändchen von Bahman Nirumand, das diese Stimmung wesentlich geprägt hatte ("Persien - Modell eines Entwicklungslandes") steht noch in meiner Bibliothek; wenngleich vom Zerfall bedroht, weil der Kleber dieser Taschenbücher aus den sechziger Jahren sich jetzt allmählich zersetzt.

Das war damals eine der Bibeln der "Bewegung"; so, wie "Die Verdammten dieser Erde" von Frantz Fanon. Es war wenige Wochen vor dem Schah- Besuch erschienen; Nirumand hatte dazu in überfüllten Veranstaltungen in Berlin vor Studenten gesprochen.

Warum eigentlich Persien? Wieso hefteten sich die Affekte der revoluzzernden Studenten gerade an den Schah und seine Regierung, und nicht an irgendein anderes Land, das ebenfalls autoritär regiert wurde? Schließlich gab es damals ja außerhalb von Europa und europäisch geprägten Ländern kaum irgendwo auf der Welt funktionierende Demokratien.

Es spielten aus meiner Sicht etliche Faktoren eine Rolle:
  • Erstens die außenpolitischen Interessen der UdSSR. Sie kämpfte mit dem Westen um die Ressourcen Persiens, wie schon das Zarenreich und das Britische Empire um Einflußzonen in Persien gekämpft hatten. Durch den Sturz Mossadeghs hatten die Kommunisten eine empfindliche Niederlage erlitten. Also wurde der Schah als Bösewicht aufgebaut.

    Dabei kam der kommunistischen Tudeh- Partei eine zentrale Bedeutung zu. Ihre Mitglieder agitierten im Ausland. Nirumand war zwar kein Mitglied der Tudeh- Partei; aber er stieß ins selbe Horn.

  • Zweitens war da diese "Dritte- Welt"- Fixiertheit der Revoluzzer. Deutscher Nationalismus war verpönt; also suchte man sich mit den "kämpfenden Völkern der Dritten Welt" zu identifizieren. Ihre Vertreter, die es nach Deutschland verschlagen hatte, genossen folglich von vornherein Promi- Status in der APO und dann der Studentenbewegung; ob Bahman Nirumand oder Gaston Salvatore.

    Was diese "Dritte Welt" anging, herrschte eine nachgerade unfaßbare Verkennung der Realität. Blutige Diktaturen wie die der Kommunisten in China, Vietnam und Kambodscha wurden verherrlicht; während gemäßigt autoritäre Regimes wie dasjenige des Schahs oder etwas später das des Christdemokraten Duarte in El Salvador verteufelt wurden.

  • Drittens war der Schah ein Freund der USA. Diese hatte man im Zug der Identifikation mit der Dritten Welt, speziell mit den vietnamesischen Kommunisten, als die Bösen ausgemacht, die hinter allen Übeln dieser Welt steckten. Indem man gegen den Schah demonstrierte, agierte man zugleich gegen die USA.

  • Und viertens spielte auch der Generationskonflikt eine Rolle, der ja überhaupt jener weltweiten Jugendbewegung in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre und ganz besonders ihrer deutschen Spielart zugrundelag.

    Denn der Schah und seine erste Frau Soraya waren Lieblinge dessen, was damals die "Regenbogen- Presse" hieß; zu der freilich in diesem Punkt auch Illustrierte wie "Quick", "Revue" und "Der Stern" gehörten. Soraya, mit einer deutschen Mutter, hatte in "Quick" im Jahr 1963 ihre Erinnerungen publiziert. Das Drama ihrer Ehe mit dem Schah, die schließlich wegen Kinderlosigkeit geschieden wurde, hatte viele Deutsche zu Tränen gerührt; auch dann die "Märchenhochzeit" mit Farah Diba.

    Noch einige Jahre zuvor hätte ein Besuch dieses Schah in Deutschland deshalb einer Triumphreise geglichen; so wie der Besuch Kennedys im Juni 1963. Aber nun war es just diese Beliebtheit Reza Pahlevis in der Generation ihrer Eltern, die den jugendlichen Revoluzzern den Schah erst recht verhaßt machte. Sie fielen nicht auf die "Fassade" herein. Sie wußten, welch blutiger Tyrann in dem Herrscher aus dem Morgenland steckte.
  • Kein Wunder also, daß der Schahbesuch diesen Ausbruch von Haß auslöste. Die Revoluzzer sahen in ihm ein Symbol zugleich der USA und ihrer eigenen Elterngeneration; im Iran erblickten sie ein ausgebeutetes Land der "Dritten Welt", mit dem sie sich zu identifizieren trachteten. Der Schah war so etwas wie eine multiple Haßfigur.

    Der Tod Benno Ohnesorgs hätte vermutlich auch unter anderen Rahmenbedingungen Entsetzen und Zorn ausgelöst; in der aufgeheizten Atmosphäre des Schah- Besuchs potenzierte sich das aber noch.



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