Erinnern Sie sich noch? Eine Zeitlang war das richtig Mode: Sich zu ergötzen am "geheimen Leben der Pflanzen", an der "Sprache der Pflanzen". Pflanzen, die vor Schmerz schreien. Pflanzen, die sensibel auf die Stimmung ihres Besitzers reagieren. Pflanzen, die sich merken, wer ihnen Übles angetan hat.
Da tobten sich Esoterik und Pseudowissenschaft aus. Mir haben damals die armen Vegetarier leid getan. Sie essen keine Tiere, um diesen Leid zu ersparen. Und was ist nun mit dem Leid des Radieschens, das aus dem Boden gerissen wird, mit dem Leid des Kohlkopfs, den man rabiat guillottiniert? Ob nicht am Ende die Auster, die man schlürft, weniger empfindet als der Spargel, der gestochen wird?
Die Sache hat aber auch eine seriöse Seite. Darüber berichtet Susan Milius in der aktuellen Ausgabe von Science News (June 20th, 2009; Vol.175, No. 13, p. 16).
Ein Anlaß für Milius' Artikel ist eine Konferenz, die im Mai dieses Jahres zum fünften Mal stattfand; diesmal in Florenz. Thema: Plant Neurobiology, also die Neurobiologie von Pflanzen. Und die Juni- Ausgabe der Fachzeitschrift Plant, Cell & Environment beginnt mit einem Artikel über Plant Intelligence, Pflanzen- Intelligenz.
So weit, Pflanzen Intelligenz zuzuschreiben, gehen wohl nicht viele Forscher. Aber eine andere Kategorie aus dem Leben der Fauna verwenden sie bereitwillig: Verhalten. Pflanzen zeigen, wie Tiere, Verhalten. Das scheint fast so etwas wie ein Konsens in dieser Scientific Community zu sein.
Ja, aber setzt Verhalten nicht Bewegung voraus? Auf diesen Einwand gibt es zwei Antworten:
Da tobten sich Esoterik und Pseudowissenschaft aus. Mir haben damals die armen Vegetarier leid getan. Sie essen keine Tiere, um diesen Leid zu ersparen. Und was ist nun mit dem Leid des Radieschens, das aus dem Boden gerissen wird, mit dem Leid des Kohlkopfs, den man rabiat guillottiniert? Ob nicht am Ende die Auster, die man schlürft, weniger empfindet als der Spargel, der gestochen wird?
Die Sache hat aber auch eine seriöse Seite. Darüber berichtet Susan Milius in der aktuellen Ausgabe von Science News (June 20th, 2009; Vol.175, No. 13, p. 16).
Ein Anlaß für Milius' Artikel ist eine Konferenz, die im Mai dieses Jahres zum fünften Mal stattfand; diesmal in Florenz. Thema: Plant Neurobiology, also die Neurobiologie von Pflanzen. Und die Juni- Ausgabe der Fachzeitschrift Plant, Cell & Environment beginnt mit einem Artikel über Plant Intelligence, Pflanzen- Intelligenz.
So weit, Pflanzen Intelligenz zuzuschreiben, gehen wohl nicht viele Forscher. Aber eine andere Kategorie aus dem Leben der Fauna verwenden sie bereitwillig: Verhalten. Pflanzen zeigen, wie Tiere, Verhalten. Das scheint fast so etwas wie ein Konsens in dieser Scientific Community zu sein.
Ja, aber setzt Verhalten nicht Bewegung voraus? Auf diesen Einwand gibt es zwei Antworten:
Erstens bewegen sich viele Pflanzen ja.
Sie führen zum einen beim Wachsen langsame, kreisende Bewegungen aus (Nutation). Das liegt daran, daß die Pflanze nicht auf allen Seiten gleichmäßig wächst.
Das sind freilich langsame Bewegungen, die erst im Zeitraffer sichtbar werden. Es geht aber auch schneller. Samen werden herausgeschleudert (zum Beispiel beim Maulbeerbaum mit halber Schallgeschwindigkeit - die vermutlich schnellste biologische Bewegung, die bisher gemessen wurde). Und vor allem sind fleischfressende Pflanzen wahre Künstler der Bewegung. Solche aus der Art der Utricularia (Wasserschläuche) schaffen es, innerhalb von dreißig Millisekunden nach der Berührung durch ein Insekt die Falle zu öffnen.
Das sind Vorgänge, die durchaus primitiven Reflexen von Tieren vergleichbar sind. Bei der Venus- Fliegenfalle löst die Berührung eines Tasthaars elektrische Aktivität in der Pflanze aus, die dazu führt, daß sich der Fangmechanismus innerhalb einer Sekunde schließt - wenn man so will, ein Reflexbogen.Die zweite Antwort lautet: Verhalten muß nicht unbedingt in Bewegung bestehen. Verhalten, so wird definiert, ist jede Reaktion eines Organismus auf ein Ereignis oder eine Änderung in der Umwelt. Und solche Reaktionen bestehen bei Pflanzen überwiegend nicht in Bewegungen, sondern im Aussenden chemischer Substanzen.
Dabei wurden Verhaltensweisen beobachtet, die Ähnlichkeit mit "Jagen" und "Verteidigung" haben. Die Flockenblume (Centaurea maculosa) besorgt sich zum Beispiel den benötigten Phosphor aus dem Boden, indem sie eine Substanz namens Catechin absondert, die die Phosphor- Versorgung verbessert. Gegen Insekten "wehren" sich Pflanzen, indem sie Substanzen erzeugen, die wiederum Freßfeinde dieser Insekten anlocken.
Die Absonderung dieser Substanzen wird des weiteren von in der Nähe stehenden Pflanzen "wahrgenommen", die darauf ihrerseits mit Abwehrmaßnahmen reagieren. Die Pflanzen "kommunizieren" also miteinander; eine "warnt" die andere. Wenn man es denn so nennen will.
Denn das ist zweckmäßiges Verhalten, aber ist es auch zweckgerichtet? Hat es etwas mit Intelligenz zu tun? Da scheiden sich die Geister. Anthony Trewavas von der Universität Edinburgh spricht ohne zu zögern, von Intelligenz: Diese sei die Fähigkeit, Probleme zu lösen, und das täten alle Organismen.
Nun ja, man kann einen Begriff auch so dehnen, daß er nutzlos wird.
Pflanzen verhalten sich; das scheint mir eine vertretbare Bezeichnung zu sein. Sie reagieren angepaßt und zweckmäßig auf Reize aus der Umwelt. Sie benutzen dafür möglicherweise zum Teil ähnliche Funktionsgrundlagen wie Tiere: Elektrische Aktivität und die Produktion chemischer Substanzen. (Einige Transmitter wie Acetylcholin, Serotonin, GABA und Glutamat kommen auch in Pflanzen vor; ob sie dort ähnliche Funktionen haben könnten wie im Nervensystem von Tieren, ist freilich eine andere Frage).
Aber nicht jede Anpassung ist intelligente Anpassung. Zur Intelligenz im üblichen Wortsinn gehört, daß ein Organismus nicht nur das in seinen Genen vorprogrammierte Verhalten abspult, sondern daß er auf neue Herausforderungen mit neuen Lösungen reagiert.
Die primitivste Voraussetzung dazu ist die Fähigkeit zum Lernen. Aber schon da hört es auf mit der Intelligenz von Pflanzen. Ein Kritiker der Redeweise von der Pflanzen- Intelligenz ist David G. Robinson von der Universität Heidelberg. Susan Milius zitiert ihn:He ... argues that even simple animals can be trained to respond to a stimulus, so he challenges plant neurobiologists to train a plant, perhaps to bend toward yellow light or to avoid blue. "My guess is that neither experiment would work," he says. His final take on plant neurobiology: "Absolute rubbish, rubbish!"Das scheint mir ein allzu harsches Urteil zu sein. Warum soll man nicht die Untersuchung der Mechanismen, die dem Pflanzenverhalten zugrundeliegen, so einfach sie sein mögen, der Neurobiologie zuordnen?
Er ... argumentiert, daß selbst einfache Tiere trainiert werden können, auf einen Reiz zu reagieren. Also fordert er Pflanzen- Neurobiologen heraus, eine Pflanze zu trainieren, sich, sagen wir, zu gelbem Licht hinzubewegen oder blaues zu meiden. "Meine Vermutung ist, daß kein solches Experiment gelingen würde", sagt er. Sein Fazit zur Pflanzen- Neurobiologie: "Absoluter Schrott, Schrott!"
Mit Intelligenz freilich, mit Absicht, mit Gefühlen, mit "Schreien" und dergleichen hat das nichts zu tun. Das sind mentalistische Begriffe, die man hier allenfalls in einer übertragenen, halb scherzhaften Bedeutung verwenden kann; so, wie man von einem Computer sagt, daß er eine "Eingabe erwartet" oder eine "Lösung sucht".
Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Galileo Galilei, gemalt im Jahr 1605 von Domenico Robusti. Ausschnitt