11. Juni 2009

Marginalie: Auf einmal ist die Schweinegrippe wieder da! Ja, wo war sie denn? Medien als Differenzmelder

Schweinegrippe, ist die nicht längst vorbei? Ich vermute, daß viele das dachten, als sie gestern von den Infizierten der Japanischen Schule in Düsseldorf erfuhren, und nun heute davon, daß die WHO die höchste Warnstufe 6 ausgerufen hat.

Nein, die Schweinegrippe war nie vorbei gewesen. Vorbei war nur das Medieninteresse an ihr. Denn seit sie Ende April für Aufregung gesorgt hatte - ich habe damals versucht, die Gefahr nüchtern zu beurteilen -, hat das Virus H1N1 genau das getan, was die Fachleute erwarteten: Es hat sich exponentiell ausgebreitet. Täglich erkrankten Menschen, aber nur relativ wenige starben.

Also war das bald schon keine Meldung mehr wert.

Das ist ein Beispiel dafür, wie Realität und Berichterstattung in den Medien auseinanderklaffen: In der Wirklichkeit vollziehen sich die meisten Prozesse langsam, allmählich, schrittweise. Sie finden dann kaum Niederschlag in den Medien. (Ein aktueller Fall ist die Salamitaktik, mit der Hugo Chávez in Venezuela den Sozialismus einzuführen versucht; siehe den vorausgehenden Artikel).

Medien sind so etwas wie Differenzmelder. Sie sprechen auf Änderungen an, nicht auf Zustände. Und sie sprechen auf Änderungen nur an, wenn diese sich mit einer gewissen Schnelligkeit oder Dramatik vollziehen. Sie reagieren nicht, wenn das Faß sich füllt, sondern wenn es überläuft. Sie informieren uns nicht, wenn das Haus einen Riß nach dem anderen zeigt, sondern erst dann, wenn es in den Fugen kracht, wenn nicht gar einstürzt.



Jetzt wird die Schweinegrippe also wieder für ein paar Tage in den Medien sein. Danach wird sie wieder daraus verschwinden, während sie sich weiter exponentiell ausbreitet. Bis erneut etwas Dramatisches geschieht - bis vielleicht in Deutschland Hunderttausende erkranken. Oder dann, wenn ein Impfstoff entwickelt ist und der Run auf ihn einsetzt. Oder auch dann, wenn Tamiflu knapp wird.

Oder dann, wenn das eintritt, was noch immer nicht ausgeschlossen ist: Daß H1N1 eine hochvirulente Variante entwickelt. Dies ist die jetzige zum Glück nicht, obwohl die anfänglichen Berichte aus Mexiko es befürchten ließen. Die Mortalität ist gering. Hoffen wir, daß es so bleibt.



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