24. Juni 2009

Marginalie: Kabinettsumbildung in Frankreich. Warum geht das nicht auch in Deutschland? Nebst einer Anregung für Schwarzgelb

Als Präsident Sarkozy am Montag vor dem Congrès de Versailles sprach, einem Gremium aus den Abgeordneten der Nationalversammlung und den Senatoren, da erwähnte er mehrfach le prochain gouvernement, die kommende Regierung.

Kommende? Ja, hat Frankreich denn nicht eine Regierung?

Was Sarkozy meinte, das hat jetzt stattgefunden: Eine tiefgreifende Kabinettsumbildung, ein remaniement en profondeur, wie der Nouvel Observateur titelt.

Premierminister François Fillon bleibt im Amt, wie auch Außenminister Kouchner. Insofern mögen die Ergebnisse dieses Stühlerückens in Deutschland wenig Interesse finden. Kurz also nur dieses:

Die Allzweckwaffe Michèle Alliot- Marie, einst Verteidigungs-, dann Innenministerin, wechselt ins wichtige Justizministerium und erhält zugleich den Ehrentitel Ministre d'État, den außer ihr nur noch der Umweltminister Jean- Louis Borloo trägt. Dessen Ministerium wird um die Kompetenzen für das Meer, grüne Technologie und Klimaverhandlungen erweitert.

Das zeigt den Sinn Sarkozys für das Populäre; ebenso, wie die Ernennung von Frédéric Mitterrand zum Kultusminister. Die Einbindung dieses Neffen des einstigen sozialistischen Staatspräsidenten ist wieder einmal eine Geste in Richtung Linke; wie schon nach Sarkozys Wahl die Ernennung des Sozialisten Kouchner zum Außenminister.

Machtpolitisch wichtiger dürfte der Aufstieg des engen Vertrauten von Sarkozy Brice Hortefeux vom Arbeits- zum Innenminister sein. Und Stirnrunzeln wird es wohl auslösen, daß die schwarze Vorzeige- Frau Rama Yade ihr Amt als Beauftragte für Menschenrechte verliert; als Sportministerin bleibt sie aber im Kabinett. Das Amt wird abgeschafft.



Nicht wahr, da könnte Angela Merkel neidisch werden?

Als Michael Glos nicht mehr Wirtschaftsminister sein mochte, hat er nicht sie, die Kanzlerin, sondern seinen Parteivorsitzenden Seehofer gebeten, ihn von diesem Amt zu entbinden. Generell sind im heutigen Deutschland die Kabinettsposten eine Beute der Parteien, die bei den Koalitionsverhandlungen verteilt wird. Sie und nicht die Kanzlerin bestimmen, wer welches Amt erhält.

Und theoretisch können Parteien natürlich auch "ihre" Minister zurückziehen. Das ist bisher aber noch nie vorgekommen. Wer in Deutschland einmal einen Ministersessel erhält, der hockt in der Regel die ganze Legislaturperiode lang darauf wie eine Glucke auf einem Gelege, in dem partout niemand schlüpfen will. Eher könnte die Kanzlerin einen schönen Sommer herbeizaubern, als daß es ihr gelingen könnte, ihr Kabinett umzubilden.

Diese Situation ist keineswegs gottgegeben, noch nicht einmal von der Verfassung vorgesehen. In den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik waren Kabinettsumbildungen, manchmal in Anlehnung an die Diplomatensprache Revirements genannt, gang und gäbe. Es war selbstverständlich der Kanzler, der sie in eigener Verantwortung vornahm; wenn auch natürlich nicht ohne Anhörung der Vorsitzenden der Koalitionsparteien.

Irgendwann ist das auf der Strecke geblieben, als die Bundesrepublik sich immer mehr in Richtung Parteienstaat entwickelte. Der "Koalitionsvertrag" - ein in der Verfassung so wenig vorgesehenes Dokument, wie diese einen "Koalitionsausschuß" kennt - bindet den Kanzler. Und er bindet ihn nicht nur in personeller Hinsicht, sondern die Gesetzesvorhaben der Regierung werden ja ebenso durch dieses seltsame Dokument festgelegt.

Was tun? Eine unnatürliche Koalition nach den Wahlen, also eine Ampel, Jamaika oder noch einmal Schwarzrot, wird gar nichts tun. Eher wird man bei drei oder gar vier Partnern noch mehr Einzelheiten als bisher vertraglich festzurren, bevor es ans Regieren geht.

Aber angenommen, wir haben Glück und bekommen nach dem 27. September eine schwarzgelbe Regierung - könnten dann zwei vernünftige, einander politisch nahestehende Parteien nicht auch die Größe aufbringen, sich von dieser Fesselung der Regierungsarbeit durch einen "Koalitionsvertrag" weitgehend zu befreien?

Könnte man es nicht wieder so machen wie in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik: Man einigt sich in den Koalitionsverhandlungen über die Grundzüge der Regierungs- und Personalpolitik, hält das in einem Protokoll fest - und macht sich dann gemeinsam an die Arbeit?

Spätere Kabinettsumbildung nicht ausgeschlossen.



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