Daß man kein Wort von dem ungeprüft glauben darf, was in "Spiegel- Online" steht, weiß inzwischen jeder. Gut, sagen wir fast jeder.
Der gedruckte "Spiegel" hingegen, dessen Redakteure auch gelegentlich in "Spiegel- Online" schreiben, ist nach wie vor ein seriöses Blatt; wenn auch längst nicht mehr von der Qualität, die es unter Augstein und Aust hatte. Damals konnte man sich, was die Fakten angeht, auf das verlassen, was im "Spiegel" stand; so, wie auf die Fakten im Time Magazine, in Newsweek, im Nouvel Observateur oder im britischen Economist.
Womit ich beim Thema bin. Zum einen bei einem Redakteur des gedruckten "Spiegel", Christoph Schwennicke vom Hauptstadtbüro, den ich bisher für einen seriösen Autoren gehalten habe. Zum anderen beim britischen Economist. Entgegen dem, was der Name vermuten läßt, ist der Economist nicht nur ein Wirtschaftsmagazin, sondern ein vollständiges Nachrichtenmagazin; wenngleich mit einem Schwerpunkt bei der Wirtschaft. Und dort mit einer traditionell liberalen Ausrichtung. Wirklich traditionell, denn der Economist wurde 1843 gegründet.
Den Economist nun hat Christoph Schwennicke gelesen; und die Früchte seiner Lektüre trug er gestern in "Spiegel- Online" vor. Überschrift: "Ende des Neoliberalismus - Konterrevolution im Krisenkampf".
Schwennicke berichtet über eine Titelgeschichte des Economist. Als ich sie dort aufsuchen wollte, habe ich sie nicht gleich gefunden. Denn sie steht nicht in der aktuellen Ausgabe, sondern ist schon ein paar Wochen alt. Hier ist sie; erschienen bereits am 7. Mai.
Was ist der Tenor dieser Titelgeschichte? Schwennicke beschreibt ihn so:
Das, was Schwennicke zitiert, ist nämlich nur die Einleitung zu dem Leitartikel, der Teil des Titelkomplexes dieser Ausgabe vom 7. Mai ist. Der (beim Economist immer anonyme) Autor baut diese Argumentation auf, um sie anschließend zu widerlegen. Nur hat Schwennicke offenbar die Lektüre nach dem ersten Drittel abgebrochen; so will ich ihm einmal wohlwollend unterstellen.
Die Auffassung des Economist steht dort, wo Schwennicke nicht mehr zitiert. Nachdem der Autor die gegenwärtigen Vorteile der regulierten Wirtschaften auf dem Kontinent geschildert hat, schreibt er:
Der Artikel im Economist endet pragmatisch: Beide Seiten könnten aus der Krise lernen und ihr jeweiliges Modell verbessern. Aber als Kronzeuge für das, was Schwennicke in seinem eigenen Artikel verkündet - "Der 'Kasino- Kapitalismus' ist plötzlich passé" - eignet sich der Economist ungefähr so gut wie George W. Bush als Lobredner Saddam Husseins.
Der gedruckte "Spiegel" hingegen, dessen Redakteure auch gelegentlich in "Spiegel- Online" schreiben, ist nach wie vor ein seriöses Blatt; wenn auch längst nicht mehr von der Qualität, die es unter Augstein und Aust hatte. Damals konnte man sich, was die Fakten angeht, auf das verlassen, was im "Spiegel" stand; so, wie auf die Fakten im Time Magazine, in Newsweek, im Nouvel Observateur oder im britischen Economist.
Womit ich beim Thema bin. Zum einen bei einem Redakteur des gedruckten "Spiegel", Christoph Schwennicke vom Hauptstadtbüro, den ich bisher für einen seriösen Autoren gehalten habe. Zum anderen beim britischen Economist. Entgegen dem, was der Name vermuten läßt, ist der Economist nicht nur ein Wirtschaftsmagazin, sondern ein vollständiges Nachrichtenmagazin; wenngleich mit einem Schwerpunkt bei der Wirtschaft. Und dort mit einer traditionell liberalen Ausrichtung. Wirklich traditionell, denn der Economist wurde 1843 gegründet.
Den Economist nun hat Christoph Schwennicke gelesen; und die Früchte seiner Lektüre trug er gestern in "Spiegel- Online" vor. Überschrift: "Ende des Neoliberalismus - Konterrevolution im Krisenkampf".
Schwennicke berichtet über eine Titelgeschichte des Economist. Als ich sie dort aufsuchen wollte, habe ich sie nicht gleich gefunden. Denn sie steht nicht in der aktuellen Ausgabe, sondern ist schon ein paar Wochen alt. Hier ist sie; erschienen bereits am 7. Mai.
Was ist der Tenor dieser Titelgeschichte? Schwennicke beschreibt ihn so:
Die aktuelle Weltwirtschaftskrise wirkt nicht nur ökonomisch, sie wirkt auch eminent politisch. Sie verschiebt Gewichte. Sie legt neu fest, wer das Sagen hat und wer jetzt besser schweigen sollte. (...) Das große Bild dazu hat der britische "Economist" entworfen. Das Fachblatt des globalen Kapitalismus konstatiert fair, aber auch bisschen verzweifelt eine "neue Hackordnung in Europa". (...)Hat also das "Fachblatt des globalen Kapitalismus" wirklich seine Grundhaltung gewechselt? Das Gegenteil ist der Fall.
Jahrelang, stellt der "Economist" etwas zerknirscht fest, sei Kontinentaleuropa von den USA und den Briten "und sogar dieser Zeitung" erzählt worden, dessen Volkswirtschaften seien sklerotisch, überreguliert und zu staatsdominiert. Nun aber, presst der "Economist" zwischen seinen Zähnen hervor, habe der Kontinent die dreifache Befriedigung: Er kann die Gefahren der Deregulierung anprangern, dem Staat eine wichtigere Rolle beimessen und - das Schönste zum Schluss - auf das angelsächsische Modell herabblicken.
Das, was Schwennicke zitiert, ist nämlich nur die Einleitung zu dem Leitartikel, der Teil des Titelkomplexes dieser Ausgabe vom 7. Mai ist. Der (beim Economist immer anonyme) Autor baut diese Argumentation auf, um sie anschließend zu widerlegen. Nur hat Schwennicke offenbar die Lektüre nach dem ersten Drittel abgebrochen; so will ich ihm einmal wohlwollend unterstellen.
Die Auffassung des Economist steht dort, wo Schwennicke nicht mehr zitiert. Nachdem der Autor die gegenwärtigen Vorteile der regulierten Wirtschaften auf dem Kontinent geschildert hat, schreibt er:
But will it last? The strengths that have made parts of continental Europe relatively resilient in recession could quickly emerge as weaknesses in a recovery. For there is a price to pay for more security and greater job protection: a slowness to adjust and innovate that means, in the long run, less growth. (...) The latest forecasts are that the United States and Britain could rebound from recession faster than most of continental Europe. (...)So also sieht das aus, was laut Schwennicke der Economist "zerknirscht" "zwischen den Zähnen hervorpreßt".
If there is to be an argument about which model is best, then this newspaper stands firmly on the side of the liberal Anglo- Saxon model — not least because it leaves more power in the hands of individuals rather than the state.
Aber wird das andauern? Die Stärken, die Teile von Kontinental- Europa in der Rezession relativ widerstandsfähig gemacht haben, könnten sich im Aufschwung schnell als Schwächen erweisen. Denn für mehr Sicherheit und besseren Schutz von Arbeitsplätzen muß ein Preis gezahlt werden: Eine Langsamkeit bei der Anpassung und Innovation, die auf lange Sicht weniger Wachstum bedeutet. (...) Die neuesten Prognosen lauten, daß die Vereinigten Staaten und Großbritannien schneller aus der Rezession herauskommen dürften als der größte Teil Kontinental- Europas. (...)
Wenn man darüber streiten möchte, welches Modell das beste ist, dann steht unsere Zeitschrift fest auf der Seite des liberalen angelsächsischen Modells - nicht zuletzt, weil es es statt des Staats mehr Macht in den Händen der Einzelnen läßt.
Der Artikel im Economist endet pragmatisch: Beide Seiten könnten aus der Krise lernen und ihr jeweiliges Modell verbessern. Aber als Kronzeuge für das, was Schwennicke in seinem eigenen Artikel verkündet - "Der 'Kasino- Kapitalismus' ist plötzlich passé" - eignet sich der Economist ungefähr so gut wie George W. Bush als Lobredner Saddam Husseins.
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