4. März 2012

Marginalie: Wollte Beate Klarsfeld 1968 Geld vom SED-Regime? Mit einem aktuellen Nachtrag

In FAZ.NET ist seit gestern dies zu lesen:
Wie die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (F.A.S.) berichtet, reiste die "Nazi-Jägerin" Beate Klarsfeld ... im April 1968 nach Ostberlin, um sich mit dem Nationalrat "über die Vorbereitung einiger Aktionen gegen Kiesinger zu beraten und entsprechende Unterstützung zu erhalten."

SED-Chef Walter Ulbricht wies den DDR-Nationalrat bald darauf an, "Frau Klarsfeld jede sachdienliche Hilfe zu gewähren." Die Hilfe für Frau Klarsfeld bestand, anders als von ihr gewünscht, letztlich nicht in finanzieller Unterstützung, sie wurde jedoch mit Material für ihre Öffentlichkeitsarbeit versorgt.
Beate Klarsfeld kandidiert für das Amt des Bundespräsidenten. Wenn diese Meldung zutrifft, dann ist sie für dieses Amt disqualifiziert. Sie sollte ihre Kandidatur so schnell wie möglich zurückziehen.

Wenn zutrifft, daß Klarsfeld bereits damals mit den Kommunisten gemeinsame Sache gemacht hat, dann hat Richard Herzinger sich geirrt, als er über ihre Kandidatur schrieb:
Ihre durchaus berechtigte Enttäuschung ..., dass sie hierzulande nicht die gebührende offizielle Anerkennung für Ihre Verdienste erhalten hat, scheint sie jedoch blind gemacht zu haben für die falsche Gesellschaft, in die sie sich damit begibt.
Denn dann hat sie sich nicht erst jetzt in diese falsche Gesellschaft der Kommunisten begeben, möglicherweise aus Enttäuschung; sondern bereits 1968, als von einer Enttäuschung noch keine Rede sein konnte. Dann war sie eine Weggenossin der Kommunisten bereits damals, als sie Kiesinger ohrfeigte.

Wenn der Bericht zutrifft, dann habe ich mich ebenso geirrt wie Herzinger, als ich vor der Entscheidung über Klarsfelds Kandidatur schrieb:
Ich könnte eine solche Entscheidung Beate Klarsfelds - sollten sich die Berichte bestätigen - nicht nachvollziehen; kann es jedenfalls gegenwärtig nicht. (...) ... wie kann sie, wenn Sie Gaucks Kampf für die Menschenrechte in der DDR lobt, für die Partei kandidieren, die diese Menschenrechte mit Füßen getreten hat?
Sie hat schon vor mehr als vierzig Jahren die Nähe der Kommunisten gesucht; natürlich kann sie dann auch heute für diese kandidieren. Wenn, wie gesagt, der Bericht in der F.A.S. zutrifft.



Wieso ist dieser Bericht eigentlich nicht überall in den Schlagzeilen? Was wäre wohl in den Medien los, wenn man Joachim Gauck eine solche Nähe zum SED-Regime vorwerfen würde?



Nachtrag am 4. 3., 15.30 Uhr: Inzwischen ist der Artikel in der F.A.S. auch bei FAZ.NET zu lesen. Was Jochen Staadt in dem Artikel enthüllt, geht noch über das hinaus, was der Vorabmeldung zu entnehmen gewesen war. Danach wurde in der DDR eine regelrechte Aktion zur Unterstützung von Klarsfeld inszeniert; mit deren Wissen und offensichtlicher Zustimmung.

Der Weg ging über den DDR-Nationalrat, mit dessen Vertretern Klarsfeld im April 1968 wegen einer Unterstüzung verhandelt hatte, zur Westabteilung des ZK der SED und von dort direkt zu Ulbricht. "Daraufhin wurde der DDR-Nationalrat angewiesen, 'Frau Klarsfeld jede sachdienliche Hilfe zu gewähren'", heißt es in der F.A.S. Und weiter:
Der DDR-Nationalrat meldete dem SED-Zentralkomitee, er unterstütze die Veranstaltung „durch die Herstellung von 25.000 Broschüren DIN A5 ,Die Wahrheit über Kurt Georg Kiesinger‘ von B. Klarsfeld (siehe beiliegendes Material), 250 Veranstaltungsplakate DIN A2, 5000 Klebezettel zur Veranstaltung, 50 Fotokopiesätze zum Fall Kiesinger (Pressekonferenz), 5 Große Dokumentensätze zum Fall Kiesinger (65 Dokumente)“. Eine Pressekonferenz sei für den 10. Mai vorgesehen. Am 14. Mai werde Beate Klarsfeld in Paris ein „Kiesinger-Colloquium“ organisieren. „Die erforderliche publizistische Auswertung der von Frau Klarsfeld angekündigten Aktion gegen Kiesinger wird von uns veranlasst.“ Vertrauensleute der illegalen KPD in Westdeutschland hätten sich um die „von Frau Klarsfeld gewünschte anwaltliche Vertretung“ bemüht.
Weitere Einzelheiten finden Sie in dem Artikel, dessen Lektüre ich dringend empfehle.

Von meinem im Kern positiven Bild von Beate Klarsfeld ist danach wenig geblieben. Sie war offenkundig wenn auch nicht selbst Kommunistin, so doch eine willige Kollaborateurin der Kommunisten und ließ sich für deren Propaganda einspannen. Dazu paßt auch, daß sie die vielen ehemaligen Nazis in hohen Funktionen der DDR nie ins Visier genommen hat.­
Zettel



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