27. März 2012

Marginalie: "Der Rat für Menschenrechte hat keine Beziehung zu den Menschenrechten". Warum Israel jetzt die Zusammenarbeit mit diesem Rat einstellt

Bei "Zeit-Online" ist es derzeit der meistkommentierte Artikel: Ein kurzer, aus Agenturmaterial montierter Bericht mit der Überschrift "Israel will UN-Menschenrechtsrat boykottieren".

Die Lektüre der zahlreichen Kommentare wird allerdings dadurch beeinträchtigt, daß viele von der Redaktion gelöscht wurden; darunter gleich die ersten drei. Warum, das ahnt man, wenn man liest, was stehenblieb; beispielsweise dies:
Es geht hier nicht um Antisemitismus, der in der Gestalt von Israelkritik auftaucht. Es geht hier um die Frage, ob es möglich ist einen Menschenrechtsverstoß durch eine internationale Organisation untersuchen zu lassen. Im Interesse der israelischen Regierung läge es, wenn sie das zulassen würde, damit Klarheit geschaffen wird. Beauerlicherweise hat die israelische Regierung das vehement abgelehnt, was natürlich die Vermutung nährt, dass die israelische Regierung die internationale Organisation und die Menschenrecht nicht ernstnimmt. Für den internationalen Ruf der israelischen Regierung ist das natürlich verheerend. (...).
Es gibt auch qualifiziertere Kommentare; aber insgesamt wird in den fast 200 Äußerungen von Lesern bemerkenswert wenig darauf eingegangen, was eigentlich dieser UN-Menschen­rechts­rat (United Nations Human Rights Council) ist und worauf sich das "Boykottieren" durch Israel gründet. Dazu einige Informationen.



Der United Nations Human Rights Council (UNHRC) ist eine relativ junge Einrichtung der UN. Er wurde erst durch einen Beschluß der UN-Vollversammlung vom 15. März 2006 geschaffen; und zwar als Ersatz für die Menschenrechts­kommission der UN (UNCHR), die wegen einer allzu deutlichen Dominanz von diktatorisch regierten Ländern kritisiert worden war, die ein sehr eigenes Verständnis von Menschenrechten haben. Sie sollten in dem neuen Rat keine Rolle mehr spielen (siehe Von den Menschenrechten zum Sozialismus: Was wirklich im Bericht des Sonderberichterstatters Muñoz steht; ZR vom 26. 3. 2007).

Aber daraus ist nicht viel geworden. Die aktuelle Liste der Mitglieder können Sie sich hier ansehen. Zu ihnen gehören Staaten, die den Menschenrechten so sehr verpflichtet sind wie China, Cuba und Saudi-Arabien.

Als einer der Vertreter Afrikas gehörte auch Libyen dem UNHRC in dessen jetziger Wahlperiode an; es war 2010 mit 155 von 188 Stimmen von der UN-Vollversammlung in den Rat gewählt worden (siehe Ab sofort wacht Gaddafi über die weltweite Einhaltung der Menschenrechte. UN-zertifiziert; ZR vom 14. 5. 2010). Libyens Mitgliedschaft wurde allerdings am 1. März 2011 suspendiert, als der Krieg in Libyen begonnen hatte; seit dem 18. November ist sie wieder in Kraft.

Was Israel und Palästina angeht, benimmt sich der UNCHR so parteilich, wie das schon bei der UNHRC Tradition gewesen war. Selbst dem Generalsekretär Ban Ki-moon ging die israelfeindliche Haltung des UNCHR gelegentlich zu weit. 2007 äußerte er seine "Enttäuschung" darüber, daß von allen Konfliktgebieten der Welt allein die West Bank zum Gegenstand einer "ständigen Sonderbeobachtung" (continued special investigation) durch den Rat gemacht worden war.

Weniger diplomatisch äußerten sich damals die USA. Alejandro Wolff, Stellvertreter des Repräsentanten der USA bei den Vereinten Nationen, sprach von einer "pathologischen Obsession" des UNCHR mit Israel. Wegen dieser Haltung und der fortbestehenden Rolle von Staaten, die im eigenen Land die Menschenrechte massiv mißachten, boykottierten die USA den UNCHR. Das war allerdings noch unter Präsident Bush. Es gehörte zu den ersten Entscheidungen Präsident Obamas nach seinem Amtsantritt, daß die USA in den UNCHR zurückkehrten.

Dessen Israelpolitik ist dadurch nicht neutraler oder objektiver geworden. Wenn es in der Meldung von "Zeit-Online" heißt, der UNCHR habe "am Donnerstag erstmals eine unabhängige internationale Untersuchung zur israelischen Siedlungspolitik auf den Weg gebracht", dann gibt das ein doppelt falsches Bild: Von "erstmals" kann keine Rede sein; die israelische Siedlungspolitik steht, wie gesagt, unter der ständigen "Sonderbeobachtung" durch den Rat. Und daß diese Kommission "unabhängig" sein wird, erscheint angesichts der Haltung des UNCHR sehr unwahrscheinlich.

Wie einseitig dieser Rat die Situation in den besetzten Gebieten wahrnimmt, können Sie sich in diesem Bericht vom vergangenen Freitag ansehen, der im einzelnen die Beschlüsse und Beratungen der 19. Sitzung darlegt.

Auf das Thema der besetzten Gebiete wird in dem Bericht mehrfach eingegangen. Aber abgesehen von einem Halbsatz, in dem das Abfeuern von Raketen auf israelische civil areas (also Wohngebiete; nicht etwa überhaupt Raketenangriffe auf Israel) verurteilt wird, findet man nur Verurteilungen und Beanstandungen der israelischen Politik und Forderungen an Israel.

Zu dieser 19. Sitzung in Genf war übrigens auch ein Vertreter der Hamas als Sprecher eingeladen gewesen. Darauf hat inzwischen Premierminister Netanyahu hingewiesen:
"This is a council that should be ashamed of itself. The U.N. Human Rights Council has no connection to human rights," Netanyahu stated Thursday. "This council has proven once more that it is detached from reality, by inviting a member of Hamas – an organization whose creed advocated the murder of innocent people -- to speak before it."

"They systematically and serially make all kinds of decisions and condemnations against Israel without even symbolically considering our positions," Foreign Ministry spokesman Yigal Palmor told Retuers on Monday.

"Dies ist ein Rat, der sich seiner selbst schämen sollte. Der UN-Rat für Menschenrechte hat keine Beziehung zu den Menschenrechten", sagte Netanyahu am Donnerstag. "Indem er ein Mitglied der Hamas - einer Organisation, zu deren Glaubensinhalten es gehörte, die Ermordung Unschuldiger zu befürworten - einlud, vor ihm zu sprechen, hat dieser Rat erneut seine Realitätsferne bewiesen"

"Sie treffen systematisch und fortlaufend alle Arten von Entscheidungen gegen Israel und verurteilen es, ohne wenigstens symbolisch unsere Positionen auch nur in Betracht zu ziehen", äußerte der Sprecher des Außenministeriums Yigal Palmor am Montag gegenüber Reuters.
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Zettel



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