25. Juli 2008

Der 44. Präsident der USA (6): Obama in Berlin. Und auch bei McCain ging es gestern deutsch zu

Wer noch einmal im Original nachlesen will, was Barack Obama (jedenfalls laut Redemanuskript) gestern in Berlin gesagt hat, findet den Redetext auf der WebSite von Obama.

Obama, wie man ihn kennt, oder vielmehr seine Redenschreiber. Eloquent, pathetisch. Weniger pathetisch als seine Standard- Reden im Wahlkampf, aber vermutlich dennoch für den deutschen Geschmack etwas gewöhnungsbedürftig:
Tonight, I speak to you not as a candidate for President, but as a citizen – a proud citizen of the United States, and a fellow citizen of the world.

Heute Abend spreche ich zu Ihnen nicht als Kandidat für die Präsidentschaft, sondern als Bürger - ein stolzer Bürger der Vereinigten Staaten, und ein Mitbürger der Welt.
Ich stelle mir vor, wie der Kandidat der SPD, der kommendes Jahr gegen Angela Merkel antreten wird, in Washington eine Rede hält - nicht gleich vor dem Weißen Haus, aber, sagen wir, vor dem Lincoln Memorial, und darin sagt: Heute spreche ich zu Ihnen nicht als der Kanzlerkandidat Kurt Beck (Walter Steimmeier), sondern als Bürger - ein stolzer Bürger der Bundesrepublik Deutschland, und ein Mitbürger der Welt.

Und wie er dann schließt (ich adaptiere jetzt die Schlußpassage der Rede von Obama):
Menschen von Washington - Menschen der Welt -, wir stehen vor einer Herausforderung in großem Maßstab. Der Weg vor uns wird lang sein. Aber ich trete vor Sie, um zu sagen, daß wir die Erben eines Kampfs für die Freiheit sind. Wir sind ein Volk, welches das Unwahrscheinliche erhofft. Lassen Sie uns, mit Blick auf die Zukunft, mit Entschlossenheit im Herzen, der Geschichte gedenken, uns unserem Schicksal stellen und die Welt noch einmal neu erschaffen (remake the world once again).
Sprach's (so male ich es mir aus), der Kandidat Kurt Beck (Walter Steinmeier) und ging vielleicht in ein deutsches Restaurant in Washington, um, bevor er sich an die Neuerschaffung der Welt macht, der Kurt Beck (Walter Steinmeier), sich erst einmal von den Strapazen des Redens vor so vielen Menschen (zweihunderttausend) zu erholen.

Bei einem zünftigen Bier und, sagen wir, einer German Knockwurst zu $ 10,25, Alpine Chicken Spatzel zu $ 11,75, oder auch bei einem Weiner Schnitzel und Gravy, was für umgerechnet rund 9,50 Euro bereits das teuerste Gericht ist.

Jetzt habe ich mich, lieber Leser, aber von meiner Phantasie weit ins Imaginäre tragen lassen. Denn diese deutschen Köstlichkeiten gibt es nicht (jedenfalls habe ich dafür keinen Beleg) in Washington. Es gibt sie vielmehr in Columbus, Ohio. Genauer bei Schmidt's Restaurant und Sausage Haus, 240 E. Kossuth St. and Purdy Alley.

Und dort nun - Sie ahnen es, warum sonst sollte ich mich der Speisekarte von Schmidt's widmen - war John McCain gestern zu Gast, während Barack Obama vor den Berlinern sprach.

Nachdem er gespeist hatte - was, verraten meine Quellen wie zum Beispiel die Washington Post nicht, bis auf die cream puffs zum Nachtisch - , trat auch John McCain vor die Öffentlichkeit, die freilich nur durch einige Reporter repräsentiert war.

Und von denen fragte ihn einer, ob er, McCain, uns denn damit etwas sagen wolle, daß er just an dem Tag deutsch essen ging, an dem Obama in Berlin sprach. McCains Antwort:
Well I'd love to give a speech in Germany too -- a political speech -- or a speech that maybe the German people would be interested in. But I would much prefer to do it as president of the United States rather than as a candidate for the office of the presidency.

Also, ich würde sehr gern auch in Deutschland eine Rede halten - eine politische Rede - also eine Rede, die die Leute in Deutschland vielleicht interessieren würde. Aber ich würde das sehr viel lieber als Präsident der Vereinigten Staaten tun, statt als Kandidat für das Amt des Präsidenten.


Da haben wir sie, die beiden: Den pathetischen Obama vor der Siegessäule, der die Welt noch einmal neu erschaffen will, und den sehr unpathetischen John McCain bei Schmidt's in Columbus, Ohio, der mit leiser Ironie darauf verweist, daß eine solche Rede wie die Obamas vor der Siegessäule doch vielleicht dem Sieg bei den Wahlen etwas vorgreift.



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