2. Januar 2007

Rückblick: Die Mutter aller Überraschungen

Kürzlich habe ich hier auf einen Artikel in Newsweek International aufmerksam gemacht, der den gegenwärtigen wirtschaftlichen Boom im Irak beschreibt - so gar nicht passend zu den Untergangsszenarien, die hier in Deutschland das Bild vom Irak bestimmen.

Jetzt bin ich auf einen Beitrag von Amir Taheri in der New York Post gestoßen, der sich ebenfalls zum Teil auf den Artikel in Newsweek International stützt und ihn durch weitere Einzelheiten - Taheri berichtet direkt aus dem Irak, aus dem Ort Um Quasr - ergänzt.

Dieses Dorf im Südosten des Irak, schreibt Taheri, sei vor vier Jahren ein sterbendes Kaff aus rostenden Kais und verlassenen Häusern gewesen, mit nur noch ein paar Dutzend Einwohnern. Heute sei es ein prosperierendes Dorf, in das viele frühere Einwohner zurückgekehrt und in das Hunderte aus dem ganzen Irak neu zugezogen sind.

Ein Indiz für den Aufschwung: Der irakische Dinar wurde im Lauf des vergangenen Jahrs in Relation zu den drei Währungen, mit denen er konkurriert - dem iranischen Rial, dem kuweitischen Dinar und dem Dollar - ständig aufgewertet. Der steigende Ölpreis allein kann, schreibt Taheri, das nicht erklären, denn davon profitieren der iranische Rial und der kuweitische Dinar ebenso.

Wesentlich seien unerwartet hohe ausländische Direktinvestitionen, befördert durch die Aussicht auf eine Liberalisierung, wie es sie in der Region nur noch in Dubai und Bahrein gebe. Ein weiterer wichtiger Faktor sei der Zustrom schiitischer Pilger in die heiligen Städte, der unter Saddam Hussein stark eingeschränkt gewesen war, und der viel Geld ins Land bringe.



Ja, aber was ist mit dem Terrorismus? Most foreign investors coming to make money in Iraq shrug their shoulders. "Doing business in any Arab country is always risky," says a Turkish investor who has set up a trucking company and a taxi service. Die meisten ausländischen Investoren reagieren mit Schulterzucken. Geschäfte in arabischen Ländern seien immer mit Risiko behaftet.

Ein weiterer Faktor, der den Aufschwung fördert, sind die niedrigen Löhne im Irak. Im Vergleich zu den umliegenden arabischen Ölstaaten - aber nicht im Vergleich mit dem Iran, aus dem schon Wanderarbeiter in den boomenden Irak ziehen.



Allerdings sei, schreibt Taheri, der Übergang zu einer freien Wirtschaft auch mit Härten für viele verbunden, die bisher vom Staat mehr oder weniger versorgt worden waren. Unter Saddams Sozialismus gab es fast kein freies Unternehmertum, und die wichtigsten Güter - vom Benzin über das Brot bis zum Zucker - wurden vom Staat zu subventionierten Preisen verteilt.



Ich habe es schon in dem Beitrag geschrieben, auf den der jetzige zurückblickt - warum gelangen solche Meldungen nicht in unsere Medien?

Daß im Irak gebombt wird, weiß jeder. Das wieder und wieder zu berichten, ist journalistisch so interessant, wie zu berichten, daß es am Nordpol kalt ist. So spannend wie die Berichte in den DDR-Medien über Planerfüllungen, Selbstverpflichtungen und wichtige Reden des Generalsekretärs des Zentralkomitees der SED und Vorsitzenden des Staatsrats der DDR.

Aber daß die Wirtschaft des Irak boomt - das ist doch unerwartet, es ist eine wirkliche Nachricht. Lesen die deutschen Journalisten nicht Newsweek, lesen sie nicht die New York Post?

Oder halten sie deren Meldungen für falsch oder einseitig? Na, dann auf in den Irak, selbst recherchieren und Berichte über die irakische Wirtschaft schreiben, die andere Daten mitteilen. Ich würde mich freuen, sie zu lesen.

Statt der vierhundertneunzigsten Meldung darüber, daß in Bagdad eine Autobombe gezündet wurde.