10. Januar 2007

Randbemerkung: Die Alternativen im Irak und der buridanische Esel

Wenn unser Hund von einem anderen Rüden angemacht wird, dann hat er zwei Möglichkeiten: Entweder stellt er sich dem Kampf, oder er erkennt, daß der andere stärker ist und macht sich, den Schwanz einziehend und die Ohren nach hinten gelegt, aus dem Staub.

Flight or fight - das sind die beiden möglichen Reaktionen in einer solchen Situation. Keine gute Idee wäre es für unseren Hund, weder das eine noch das andere zu tun. Also ohne Kampfesmut stehenzubleiben und sich der Attacke des anderen auszuliefern.



Angesichts der momentanen Schwierigkeiten im Irak stehen die USA vor einer Entscheidung dieses Typs.

Sie können entweder flight wählen. Dann wird der Irak sehr wahrscheinlich im Chaos versinken, möglicherweise zum Schlachtfeld eines Stellvertreter- Kriegs zwischen dem Iran und Saudi- Arabien werden.

Das weltweite Ansehen der USA und ihr Einfluß im Nahen Osten werden bei einer solchen Entscheidung auf historische Tiefpunkte sinken.

Den Demokraten im Irak, die sich im Vertrauen auf die USA politisch engagiert haben, wird es dann vermutlich nicht besser gehen als den Vietnamesen, die sich in den sechziger und siebziger Jahren darauf verlassen hatten, daß die USA einen Verbündeten nicht im Stich lassen würden. 65 000 Menschen wurden von den Kommunisten hingerichtet. Schätzungsweise eine Million Menschen wurden in Konzentrationslager eingeliefert. Rund 250 000 kamen beim Fluchtversuch über das Meer ums Leben. 900 000 gelangten als Flüchtlinge ins Ausland.

Aber immerhin - man könnte ja zu dem Schluß kommen, daß der Krieg im Irak nun einmal verloren ist. Dann wäre ein möglichst schneller Rückzug rationaler als die Fortführung des Kriegs. Dann wäre es unverantwortlich für den Präsidenten und den Kongreß, weiter amerikanische Soldaten zu opfern.

Oder man kommt zu der Einschätzung, daß der Krieg nach wie vor zu gewinnen ist. Dann wäre es unverantwortlich, nicht alles für den Sieg Erforderliche zu tun und dafür auch die erforderlichen Gelder zu bewilligen.



Flight or fight - beides sind rational begründbare Entscheidungen. Ob man die eine oder die andere trifft, hängt davon ab, ob man den Krieg für verloren oder für weiter gewinnbar hält. Wie steht der Präsident, wie steht die demokratische Mehrheit im Kongreß dazu?

Präsident Bush war immer entschlossen - er hat es ja oft genug gesagt -, daß die USA den Irak nicht verlassen werden, bevor die Aufgabe erledigt ist ("the job is done"). Er wird heute Nacht sehr wahrscheinlich ankündigen, daß 20000 weitere Soldaten in den Irak geschickt werden, um dort die Situation zu stabilisieren. Dies ist - so sieht es gegenwärtig aus - auch eine amerikanische Gegenleistung dafür, daß El Maliki versprochen hat, gegen alle Milizen - auch schiitische - entschlossen vorzugehen. Bush ist offensichtlich weiterhin überzeugt, daß der Krieg zu gewinnen ist.

Und die Demokraten? Es scheint, daß sie sich weder für fight noch für flight entscheiden können oder wollen. Wenn sie den Krieg für gewinnbar halten, dann müßten sie eigentlich den Präsidenten unterstützen. Wenn nicht, dann müßten sie sagen: Wir haben den Krieg verloren, laßt uns das eingestehen und unsere Truppen sofort abziehen.



Dazu können sie sich, wie Rich Lowry, der Herausgeber des National Review, gestern dort schrieb, aber offenbar nicht durchringen. Lowry zitiert einen Brief an den Präsidenten, den die demokratischen Fraktionsvorsitzenden in den beiden Kammern, Nancy Pelosi und Harry Reid, an den Präsidenten geschrieben haben. Einerseits schreiben sie "It is time to bring the war to a close"; es sei an der Zeit, diesen Krieg zu einem Ende zu bringen. Andererseits heißt es am Ende des Briefs: "... we want to do everything we can to help Iraq succeed in the future"; - "wir wollen alles tun, was wir können, um dem Irak zu einer erfolgreichen Zukunft zu verhelfen".

Ja, watt denn nu? sagt da der Berliner.

Und Rich Lowry weist darauf hin, daß es unlogisch ist, wenn die Demokraten Gelder für 20 000 weitere Soldaten verweigern wollen, aber 140 000 Soldaten im Irak weiter finanzieren.



Ich glaube, da hat Lowry recht. Die Haltung der Demokraten im Kongreß (soweit man von einer einheitlichen Haltung sprechen kann) scheint mir sehr einer "Entscheidung" unsers Hunds zu ähneln, weder die Flucht zu ergreifen, noch zum Kampf entschlossen zu sein.

Aber das tut er nicht. Er ist ja kein buridanischer Esel.