27. Juni 2017

Moments bloguicaux: Angela Merkel und die Ehe für alle

Man musste schon naiv sein, wenn man glaubte, dass Angela Merkel, die während ihrer Kanzlerschaft so manche stolze Bastion des Konservatismus geschleift hat, diesen an der ohnehin schon abrissreifen Mauer der Begrenzung der Ehe auf einen Lebens(abschnitts)bund von Mann und Frau verteidigen würde. Nachdem zuletzt auch die FDP - wie zuvor schon die Grünen und die SPD - und somit alle Parteien, die für eine Koalition mit der Union in Frage kommen, die Homosexuellenheirat zur conditio sine qua non für ein Regierungsbündnis ausgerufen hatten, war abzusehen, dass die Bundeskanzlerin ihre bisher skeptische öffentliche Einstellung zur sogenannten Ehe für alle nicht aufrechterhalten würde.
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Wer nun gedacht hatte, dass Merkel der CDU ihre neue Position einfach oktroyieren würde, so wie es beim Ausstieg aus der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke post Fukushimam oder in der Migrationskrise im Herbst 2015 der Fall war, hat sich getäuscht. Denn für die Unionsabgeordneten soll bei der Abstimmung über die Ehe für alle (wann dieses Votum auch immer stattfinden mag) die Fraktionsdisziplin aufgehoben werden.

Wo Madame Non nicht befürchten muss, dass ihre Parteifreunde den Marcel Marceau in Silent Movie geben, wird das Grundgesetz in Ehren gehalten. Denn bei realistischer Betrachtung wird die sogenannte Ehe für alle, die durch eine Ausweitung des Adoptionsrechtes auf gleichgeschlechtliche Paare und die Umetikettierung ("eingetragene Lebenspartnerschaft" zu "Ehe") geschaffen werden kann, in der CDU und auch in der CSU so große Befürwortung finden, dass das entsprechende Gesetz mühelos den Bundestag passiert. Verfassungstreue birgt hier also kein Risiko.

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Der Autor dieser Zeilen möchte nicht verschweigen, dass sich einer (von ihm jedenfalls für bedenkenswert erachteten) Meinung nach das Gebot einer Ehe auch für Homosexuelle aus dem Völkerrecht ableiten lässt. Artikel 12 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) lautet in den authentischen Sprachen Englisch und Französisch nämlich wie folgt:

Men and women of marriageable age have the right to marry and to found a family, according to the national laws governing the exercise of this right.
A partir de l’âge nubile, l’homme et la femme ont le droit de se marier et de fonder une famille selon les lois nationales régissant l’exercice de ce droit.


Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter haben das Recht, nach den innerstaatlichen Gesetzen, welche die Ausübung dieses Rechts regeln, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.

Da steht nichts davon, dass Männer nur Frauen und Frauen nur Männer heiraten dürfen. Freilich: Man kann einwenden, dass die Vertragsunterzeichner seinerzeit nicht an eine Homosexuellenheirat gedacht haben und die nationalen Parlamente bei der Ausgestaltung der Vorschriften über die Ehe in keiner Weise einschränken wollten und einen Nexus zwischen der Heirat und der Familiengründung etabliert haben. Aber: Einen gewissen juristischen Charme hat die Vorstellung, dass sich zugunsten der Ehe für alle mit dem Urtext der EMRK argumentieren lässt, dann doch.

Noricus

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