3. Mai 2014

Von roten und blauen Pillen. Ein Gedankensplitter zu Zukunft, Realität und anderen seltsamen Dingen. (I)


Prognosen sind schwierig, besonders wenn Sie die Zukunft betreffen. Ein schönes Bonmot, dessen Ursprung nicht ganz geklärt ist, und sicher eine ebenso gute wie richtige Erkenntnis über die menschliche Eigenart gerne Vorhersagen auf die Zukunft zu machen. Allerdings sollte einen die Schwierigkeit nicht unbedingt davon abhalten etwas zu versuchen, bzw. sich wenigstens zu bemühen ein paar Gedanken dazu zu machen.
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Es gibt eine Fragestellung, die dem Autor dieser Zeilen schon diverse Male begegnet ist und von ganz unterschiedlichen Leuten gerne immer wieder aufgeworfen wird. Wollte man diese Frage auf einen simplen Satz eindampfen, so wäre dieser Satz ungefähr: Was macht man mit den ganzen Menschen? Gut, diese Frage alleine ist ziemlich sinnlos, daher erlauben Sie mir den Kontext darzustellen: 
Durch die letzten Jahrzehnte erleben wir eine neue Form von industrieller Revolution, angefangen von „intelligenten“ Maschinen, über automatisierte Produktionsprozesse bis zu wenigstens semiautonomen Robotern. Es ist eine Entwicklung, die schon mit Dampfmaschine und mechanischem Webstuhl begann, allerdings gerade in jüngster Zeit mehr und mehr an Fahrt aufgenommen hat. Es ist die Verdrängung des Menschen aus dem Produktions-, bzw. Arbeitsprozess. Im primären Sektor arbeiten bereits heute kaum noch Menschen, im sekundären werden sie zunehmend verdrängt und selbst im tertiären Sektor (wenn man der Illusion glauben würde, dass eine Gesellschaft davon leben kann, das sie sich gegenseitig die Haare schneidet) erleben wir in letzter Zeit eine zunehmende Automation. Wir haben zunehmend eine Gruppe von Menschen, die, selbst unabhängig davon, ob sie daran interessiert ist für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten, keine Stelle mehr findet, um mit einer Maschine ernsthaft zu konkurrieren. Und in seiner Eigenschaft als Automatisierer trifft der Autor dieser Zeilen eine erste Prognose: Das wird schlimmer werden.

Nun hat es ABM Maßnahmen (der Kasus ist an sich schon zum Lachen) in irgendeiner Form schon immer gegeben. Im schlimmsten Falle hat man die Leute zum Straßenfegen abkommandiert und nicht wenige Gemeinden unterhalten heute eine Form von Beschäftigungsprogramm für Menschen mit, sagen wir einfach übersichtlichem Qualifikationsniveau. Aber auch diese Programme finden ihr logisches Ende da, wo es Roboter gibt, die selbst diese eher schlecht bezahlten Tätigkeiten besser, schneller und billiger erledigen.
Einfach zusammenfassen kann man das in einen Transfer von einfachen Qualifikationen zu höher Qualifizierten. Klingt erstmal gut. „Wir müssen alle mehr lernen.“ Klingt aber auch nur gut, in der Realität funktioniert es nicht. Das gesellschaftliche Wachstum an Intelligenz und Qualifikation ist langsam und ein sehr träger Prozess. Intelligenz und Bildung wächst zwar mit jeder Generation, aber nicht im selben Maße wie die Fähigkeit von Maschinen. Die Folge ist, dass unabhängig von einem Fachkräftemangel in hochqualifizierten Bereichen, immer mehr Menschen nur noch sehr wenig oder nichts mehr beitragen können.
Daraus ergeben sich zwei Probleme, ein wirtschaftliches und ein psychologisches. Das wirtschaftliche Problem ist: Wie versorgt man die Leute? Dazu hat es bereits eine Antwort und die lautet Sozialstaat. Es wird ja nicht weniger produziert oder geschaffen, es wird nur von weniger Leuten und noch mehr Maschinen geschaffen. Will der Staat vermeiden, dass er nicht an Kriminalität zugrunde geht, so muss er umverteilen (habe ich das wirklich gerade geschrieben?). Über das Maß kann man vortrefflich streiten, vom liberalen Anhänger der sozialen Marktwirtschaft bis zum Betonkommunisten. Unabhängig von seiner genauen Ausgestaltung erscheint dies als ein tendenziell lösbares Problem, so lange die Proportionen gewahrt bleiben. Der, der mehr Werte schafft, wird auch einen höheren Anteil daran erwarten.
Bleibt das zweite Problem, das psychologische. Und das ist das, worum es in diesem Gedankensplitter eigentlich gehen sollte. Was macht man mit den Menschen? Oder eher liberal gefragt: Was machen die Menschen?
An dieser Stelle macht es Sinn, sich anzusehen, was die Menschen tun, die bereits heute dem Arbeitsprozess aus genau dem oben genannten Grunde eher entzogen sind, „die klassischen Harz 4 Empfänger.“ Interessanterweise sticht diese Gruppe in einer bestimmten Kategorie von Konsumenten durchaus nicht zurück und das ist die Menge an Unterhaltungselektronik. Hierbei soll nicht um die (eher nicht so hilfreiche) Frage diskutiert werden, ob der Harz Satz für eine Playstation 4 oder eine Xbox One genügen sollte, sondern eher darum, warum gerade diese Form von Konsum gewählt wird. Es gibt viele Möglichkeiten Geld auszugeben, aber genau diese Form ist eine recht häufige.
Der Autor dieser Zeilen vermutet aus seinen persönlichen Erfahrungen heraus, dass die Unterhaltungselektronik von heute einen sehr wichtigen Character hat, die diese von anderer Unterhaltung oder anderem Konsum unterscheidet und meint ebenso, dass schon bei einigen Zeitgenossen deutlich beobachtet zu haben: Die Spielkonsolen verschaffen Erfolgserlebnisse und vermitteln Glücksgefühle. Ein Mensch, der sonst nicht viel im Leben hat, kann an seinem Computer oder seiner Konsole einen Erfolg erleben, denn er anderweitig nicht erlebt. Es existiert neben der „realen“ Welt eine zweite Welt, die zwar virtuell ist, aber dennoch Erfolge und Glück vermitteln kann. Die Erfolge, die ein hochqualifiziert Beschäftigter in seinem Berufsleben erlebt, kompensiert der Arbeitslose unter Umständen durch Erfolge in einer virtuellen „Beschäftigung“. Man sollte sich nach Meinung dieses Autors davor hüten letzteres abzubügeln oder als weniger wertvoll zu deklarieren. Das Erreichen eines bestimmten Zieles in der virtuellen Welt ist ebenso in der Lage Glücksgefühle zu erzeugen, wie ein Erfolg im realen Leben auslösen kann. Wer immer es für eine beachtliche Leistung hält zehntausende von Briefmarken zu sortieren oder den Louvre in einem 1:100 Modell nachzubauen, muss (oder sollte) ebenso viel Respekt davor haben, wenn jemand in einer virtuellen Welt zehntausende von Monsterohren oder ein Modell des Eifelturms nachbaut.

Im zweitenTeil dieses Artikel soll es um die Immersion in virtuelle Welten gehen und die Frage warum eine Welt realer sein soll als die andere.
Llarian


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