In Härtejobs konnte ein griechischer Mann lange mit 55 in die üppige Rente gehen – nichts Besonderes. Besonders war, dass es mehr als 600 Berufe schafften, als so hart anerkannt zu werden, darunter Kellner und Radiosprecher. "Wo Verschwendung endet und Betrug beginnt, spielt praktisch keine Rolle", erklärt der Besucher aus einer anderen Welt. Amtsvertreter, Ärzte und andere Staatskräfte zu schmieren sei sowieso normal gewesen.
Kommentar: Man kann diese Rezension sozusagen als Gegenmittel gegen das lesen, was gestern an optimistischen, ja euphorischen Kommentaren zur Entscheidung für den neuen griechischen Ministerpräsidenten Lucas Papademos die Medien brachten. In der FAZ beispielsweise schrieb Reiner Hermann:
Lewis schreibt beispielsweise, daß die Ausgaben für den öffentlichen Dienst sich in den vergangenen zwölf Jahren verdoppelt haben und daß die dortigen Gehälter beim Dreifachen der Einkommen im Privatsektor liegen. Ob daran nicht, neben unfähigen Politikern, auch die Gewerkschaften schuld sind? Ob nicht alle mitschuldig sind, die sich in diesem System eingerichtet haben?
Heuser resümiert das Buch:
Vielleicht vollbringt er dieses Wunder, der neue Ministerpräsident. Wahrscheinlich ist das nicht; so ist es nun einmal bei Wundern. Papademos mag der richtige Mann sein, um jetzt das Allerschlimmste zu verhindern, den Kollaps Griechenlands. Aber wie wird es weitergehen, wenn diese jetzige Krise halbwegs überwunden ist?
Man wird spätestens dann - auch "Spiegel-Online" hat das jetzt gemerkt - eine Grundsatzdebatte darüber führen müssen, wie es überhaupt mit Europa weitergehen soll; hier in diesem Blog hat dazu eine Serie begonnen.
Manche meinen, daß dann, wenn die Eurozone nun nolens volens zu einer Transferunion werde, damit doch zwangsläufig der Weg zu einer engeren Integration, ja zum Bundesstaat Europa eingeschlagen sei (siehe Europa - ein Elitenprojekt? Eine mögliche Strategie, zu einem gefährlichen Ende gedacht; ZR vom 11. 7. 2011).
Aber es könnte auch ganz anders kommen. Die jetzige Krise enthüllt ja auch, wie grundverschieden die Staaten der EU sind - was die Mentalität angeht, die Gesellschaft, das Staatsverständnis. Und selbst wenn es den gemeinsamen Versuch gibt, Griechenland zu retten, verfolgt dabei doch jeder Staat seine eigenen, nationalen Interessen. Nie in den letzten Jahrzehnten waren die Staaten Europas so weit voneinander entfernt; nie haben sie so erbittert gegeneinander ihre nationalen Interessen verteidigt wie in diesen Krisentagen.
Man kann also auch - George Friedman tut es bei Stratfor - diese jetzige Krise als ein Menetekel für Europa sehen; als einen Vorboten seiner möglichen Desintegration. Ich werde auf den Artikel Friedmans in der genannten Serie zurückkommen.
Uwe Jean Heuser in der aktuellen "Zeit" (46/2011 vom 10. 11. 2011) in einer Rezension des Buchs von Michael Lewis "Boomerang - Europas harte Landung".
Kommentar: Man kann diese Rezension sozusagen als Gegenmittel gegen das lesen, was gestern an optimistischen, ja euphorischen Kommentaren zur Entscheidung für den neuen griechischen Ministerpräsidenten Lucas Papademos die Medien brachten. In der FAZ beispielsweise schrieb Reiner Hermann:
Papademos ist ein Glücksfall für Griechenland. Wenige Griechen verfügen über das uneingeschränkte internationale Ansehen und die Glaubwürdigkeit wie der Professor aus Harvard, der so anders ist als die herkömmliche Klasse der griechischen Politik. Für ihn zählen nicht Ego und Starallüren, sondern Kompetenz und Gradlinigkeit.(...)Waren es wirklich nur unfähige Politiker, die Griechenland in seine jetzige Lage gebracht haben? Wenn man sich das vergegenwärtigt, was Heuser aus Michael Lewis' Buch an Beispielen für die griechischen Zustände zitiert, dann kann man das füglich bezweifeln.
Es muss ihn zum Verzweifeln gebracht haben, als er von 2002 an als Vizepräsident der EZB zusehen musste, wie unfähige Politiker sein Werk nach und nach ruinierten. Nun hat er die Chance, sein Werk zumindest teilweise wiederherzustellen.
Lewis schreibt beispielsweise, daß die Ausgaben für den öffentlichen Dienst sich in den vergangenen zwölf Jahren verdoppelt haben und daß die dortigen Gehälter beim Dreifachen der Einkommen im Privatsektor liegen. Ob daran nicht, neben unfähigen Politikern, auch die Gewerkschaften schuld sind? Ob nicht alle mitschuldig sind, die sich in diesem System eingerichtet haben?
Heuser resümiert das Buch:
Einzelne Daten und Begebenheiten hat man schon mal gehört. Hier sind sie gnadenlos miteinander verwoben und ergeben das Bild einer Gesellschaft, in der die meisten schummelten, so gut sie konnten, Angestellte, Unternehmer, Sparer, Religionsvertreter, der Staat vorneweg. Hätte man etwa alle steuersündigen Ärzte eingesperrt, das Land hätte gar keine Gesundheitsversorgung mehr gehabt.Wie will ein Mann wie Papademos, ein Wissenschaftler ohne innenpolitische Erfahrung und ohne Hausmacht in einer Partei, einen solchen Augiasstall ausmisten? Wie will er Zustände grundlegend ändern, die ja nicht plötzlich entstanden sind, sondern die ihre Wurzeln in der griechischen Geschichte seit dem frühen 19. Jahrhundert haben? (Siehe Griechenland - seit seiner Geburt ein Ziehkind Europas. Über den historischen Hintergrund der griechischen Schuldenmacherei; ZR vom 28. 10. 2011).
Vielleicht vollbringt er dieses Wunder, der neue Ministerpräsident. Wahrscheinlich ist das nicht; so ist es nun einmal bei Wundern. Papademos mag der richtige Mann sein, um jetzt das Allerschlimmste zu verhindern, den Kollaps Griechenlands. Aber wie wird es weitergehen, wenn diese jetzige Krise halbwegs überwunden ist?
Man wird spätestens dann - auch "Spiegel-Online" hat das jetzt gemerkt - eine Grundsatzdebatte darüber führen müssen, wie es überhaupt mit Europa weitergehen soll; hier in diesem Blog hat dazu eine Serie begonnen.
Manche meinen, daß dann, wenn die Eurozone nun nolens volens zu einer Transferunion werde, damit doch zwangsläufig der Weg zu einer engeren Integration, ja zum Bundesstaat Europa eingeschlagen sei (siehe Europa - ein Elitenprojekt? Eine mögliche Strategie, zu einem gefährlichen Ende gedacht; ZR vom 11. 7. 2011).
Aber es könnte auch ganz anders kommen. Die jetzige Krise enthüllt ja auch, wie grundverschieden die Staaten der EU sind - was die Mentalität angeht, die Gesellschaft, das Staatsverständnis. Und selbst wenn es den gemeinsamen Versuch gibt, Griechenland zu retten, verfolgt dabei doch jeder Staat seine eigenen, nationalen Interessen. Nie in den letzten Jahrzehnten waren die Staaten Europas so weit voneinander entfernt; nie haben sie so erbittert gegeneinander ihre nationalen Interessen verteidigt wie in diesen Krisentagen.
Man kann also auch - George Friedman tut es bei Stratfor - diese jetzige Krise als ein Menetekel für Europa sehen; als einen Vorboten seiner möglichen Desintegration. Ich werde auf den Artikel Friedmans in der genannten Serie zurückkommen.
Zettel
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