12. November 2011

Kurioses, kurz kommentiert: Das Paar des Jahres. Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine haben sich gefunden












Sie finden es abgeschmackt, Sie finden es unter dem Niveau von ZR, daß ich diese heutige Meldung kommentiere, die doch in die Sparte "Wer mit wem?" gehört; oder unter "Gesellschaft" oder "People"? Sie finden es fehl am Platz, daß ich diese Meldung darüber, daß sich zwei Menschen gefunden haben, auch noch in die Rubrik "Kurioses, kurz kommentiert" stelle?

Dann übersehen Sie vielleicht die politische Dimension dieser Liaison:
  • Der einstige Sozialdemokrat und die überzeugte Kommunistin sind nun ein Paar. Hat er sie zur Demokratie bekehrt, oder sie ihn zum Kommunismus? Die Antwort ist einfach: Lafontaine ist längst Kommunist. Bereits im März 2007 hat er für die damalige Kandidatin der Kommunisten für die Präsidentschaft Frankreichs, Marie-George Buffet, Wahlkampf gemacht (siehe Oskar Lafontaine und die französischen Kommunisten; ZR vom 21. 3. 2007).

    Bemerkenswert an seinem politischen Lebensweg ist allerdings, daß Lafontaine als Sozialdemokrat begonnen hatte und als Kommunist endet. Die meisten - Ernst Reuter beispielsweise, Herbert Wehner - sind den entgegensetzten Weg gegangen. Sie haben die Demokratie schätzen gelernt. Lafontaine hat sie vermutlich nie verstanden, die Demokratie (siehe Oskar Lafontaines Verständnis von Demokratie. Eine Spurensuche; ZR vom 21. 10. 2008).

  • Es gibt meines Wissens keinen Fall in der deutschen Parteiengeschichte, wo der mächtige Mann einer Partei seine Bettgenossin so ungehemmt politisch protegiert hat. Das verdient schon das Prädikat "kurios".

    Kurios nicht nur wegen des Sachverhalts selbst, sondern weil dieser vermutlich hingenommen werden wird. 1987 legte Willy Brandt den Parteivorsitz der SPD nieder, nachdem er Margarita Mathiopoulos - deren Verhältnis zu ihm wohl eine rein platonische Freundschaft gewesen war - protegiert hatte und deswegen in die Kritik geraten war.

  • Und drittens ist bemerkenswert, daß Lafontaine sich mit dieser neuen Liebschaft nun endgültig in die Riege der prominenten Linken einreiht, die in der Ehe so etwas wie einen Durchlauferhitzer sehen. Gerhard Schröder ist bekanntlich in gegenwärtig vierter Ehe verheiratet. Joschka Fischer hat es auf bisher fünf Ehen gebracht. Oskar Lafontaine hat jetzt seine dritte Ehe - die mit Christa Müller - durch ein neue quasi-offizielle Liaison ersetzt.
  • Ist es Zufall, daß es ein derartiges Bindungsverhalten à la Hollywood derart gehäuft auf der Linken gibt; während kaum ein prominenter liberaler oder konservativer Politiker sich so verhält?

    Ich halte das nicht für einen Zufall. Diese Unfähigkeit, sich an einen Menschen zu binden, ihm lebenslang zu vertrauen, verläßlich zu sein und auch gerade dann zum Partner zu stehen, wenn die Beziehung einmal in einer Krise ist - diese Unfähigkeit ist das, was man, ins Politische übertragen, auch sonst bei vielen Protagonisten der Linken findet.

    Sie sind nicht verläßlich. Sie entscheiden taktisch. Sie "häuten" sich, wie es sie gerade juckt. Als Schröder und Fischer abgewählt worden waren, vertraten sie ihre politische Überzeugung nicht etwa weiter in der Opposition, sondern sie machten sich vom Acker; Richtung Geldverdienen.

    Beide wechselten ihre Überzeugungen so wie ihre Lebenspartnerinnen. Fischer wurde vom kriminellen Sponti zum Ökologen und vom Ökologen zum Elder Statesman; mal dick und mal dünn und dann wieder dick; mal in der Lederjacke und mal im Nadelstreifen.

    Schröder machte 1998 die bescheidenen neoliberalen Reformen Kohls rückgängig und betrieb eine Politik nach dem Gusto der Gewerkschaften. Im März 2003 verwandelte er sich, als ihm das Wasser bis zum Hals stand, von einem Tag auf den anderen in einen liberalen Reformer.

    Lafontaine war zu Beginn seiner Karriere auf dem rechten Flügel der SPD angesiedelt gewesen. Als seine Generationsgenossen als ideologisierte Jusos nach links drifteten, machte der Pragmatiker Lafontaine Karriere im Saarland; mit 27 war er im Landtag, mit 31 Bürgermeister in Saarbrücken. Und heute nun ist er bei den deutschen Kommunisten Chef des linken Flügels.

    Das paßt schon zusammen; die Flatterhaftigkeit, die fehlende Berechenbarkeit in der Politik und diese Unfähigkeit zu Bindungen im Privaten. Wer Menschen wie Schröder, Fischer und Lafontaine vertraut, der ist naiv; ob in der Politik, ob im Privatleben.
    Zettel



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Foto von Sahra Wagenknecht vom Autor Goronin unter GNU Free Documentation License, Version 1.2 oder später freigegeben. Foto von Oskar Lafontaine als Pressefoto von der Partei "Die Linke" freigegeben.