21. Juni 2015

Marginalie: Die junge Union macht sich Gedanken ums Kinderkriegen


Eigentlich müsste diese Marginalie unter die Kategorie "Dummes, kurz kommentiert" fallen, aber da der Vorsitzende der jungen Union nur die Idee seiner ganzen Organisation weitergibt, passt das nur am Rande. Die Kategorie dumm würde es allerdings durchaus treffen.
Was also fordert die junge Union ? Sie fordert eine Kopfprämie von 1000 Euro für jedes neu geborene Kind. Und zahlen sollen das diejenigen, die halt keine Kinder haben. Tolle Idee. Vor allem da der Mechanismus in Deutschland ja bekanntlich seit Jahren so gut funktioniert, dass knapp 2000 Euro Kindergeld per annum ja dazu geführt haben, dass das Land -wow- schon knapp 1,4 Kinder pro Frau an Nachwuchs generiert.

19. Juni 2015

Bevor Europa zerbricht


Zum typischen Sprachgebrauch eines Europapolitikers dieser Tage gehört es unbedingt zu betonen, dass Griechenland in der Euro Zone bleiben muss, damit Europa nicht zerbricht. Es ist die gängige wie unterschwellige These, dass ein Ausscheiden von Griechenland aus der Eurozone gleichzeitig die Gefahr birgt, dass die europäische Einigung, ja die europäische Freundschraft generell, mit dem Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion bedroht ist, oder anders gesagt, dass die Freundschaft inzwischen vor allem durch eine gemeinsame Währung geprägt sein soll. 

17. Juni 2015

Deutscher Übersetzer tot: Jameson!

Der letzte noch lebende Mensch, der Harry Rowohlt nicht leiden konnte, hat sich in Person von Fritz J. Raddatz vor ein paar Monaten umgebracht. Damit ist sichergestellt, dass genügend nichtssagende Lobeshymnen (bevorzugt mit missglückten "Bären"-Wortspielen) über ihn im Umlauf sind.

So bleibt mir nur, ihm die Überschrift zu verehren, die er sich selbst (im großartigen Dialog mit Ralf Sotschek namens In-Schlucken-zwei-Spechte) für den Fall seines eventuellen Ablebens zugeschrieben hat.

Sláinte, Haeraidh!
 

­
Meister Petz

© Meister Petz. Titelvignette: Harry Rowohlt auf der Frankfurter Buchmesse 2003. Foto von Hans Weingartz, vom User Frau Olga unter CC-BY-SA-2.0-DE lizenziert. Für Kommentare bitte hier klicken.

13. Juni 2015

Martin Buber starb am 13. Juni vor 50 Jahren

Er blieb, so scheint es mir, immer ein Sucher und hatte den chassidischen Glauben seines Großvaters im galizischen Lemberg durch das Studium der Aufklärung verloren. Ältere erinnern sich vielleicht noch an Radiovorträge, in denen das Wort vom heutigen Schweigen Gottes vorkam. Damals liefen auch alle in Ingmar Bergmans Film „Das Schweigen“. Und fand der jüdische Sucher etwas?

Buber (1878-1965) berichtet über seine Suche nach der Wahrheit: „In jüngeren Jahren war mir das ‚Religiöse‘ die Ausnahme. (…) Das ‚Religiöse‘ hob einen heraus. Drüben war nun die gewohnte Existenz mit ihren Geschäften, hier aber waltete Entrückung, Erleuchtung, Verzückung, zeitlos, folgelos.“ Das Ereignis eines schicksalshaften Besuchs eines jungen verzweifelten Menschen habe ihn bekehrt. Er habe dessen Fragen zwar beantwortet, aber es unterlassen, „die Fragen zu erraten, die er nicht stellte“ und von denen er später durch einen Freund erfuhr. „Seither habe ich jenes ‚Religiöse‘, das nichts als Ausnahme ist, Herausnahme, Ekstasis, aufgegeben oder es hat mich aufgegeben. Ich besitze nichts mehr als den Alltag. (…) Ich kenne keine Fülle mehr als die Fülle jeder sterblichen Stunde an Anspruch und Verantwortung. (…) Wenn das Religion ist, so ist sie einfach alles, das schlichte gelebte Alles in seiner Möglichkeit der Zwiesprache.“ ( Zwiesprache, Traktat vom dialogischen Leben, Heidelberg 1978, 31-33)

30. Mai 2015

Kinderverwahranstalt, Indoktrinationsinsel oder doch ein Ort zum Lernen ? Ein Gedankensplitter zur real existierenden Bildungsgerechtigkeit.


Der grosse Bildungskampf der siebziger Jahre ist inzwischen schon vielen nicht mehr vertraut, aber vor nicht ganz 40 Jahren tobte in Deutschland ein Grundsatzkampf um das zukünftige Schulsystem. In der sechziger Jahren konzeptionell aus der Taufe gehoben, versuchten diverse Politiker die Idee Gesamtschule in den siebziger Jahren als die einzige weiterführende Mittelschule durchzusetzen. 
Man kann sich die Größe dieses Kulturkampfes vorstellen, wenn man bedenkt, dass damals 3,6 Millionen Unterschriften zusammengebracht wurden (in einer Zeit vor dem Internet), um den Beschluss der damaligen NRW Regierung umzuwerfen, die Gesamtschulen als einzige Mittelschule einzuführen. Der Versuch ist gescheitert und seitdem dümpelt die Gesamtschule neben den anderen Schulformen her, in einigen Bundesländern dominanter, in anderen weniger dominant.

29. Mai 2015

Die Sonne scheint

Fußball-Fangesänge müssen nicht literarisch anspruchsvoll sein. Und wenn in Darmstadt die Fans ihr Lieblingslied anstimmen kann auch die große Begeisterung nicht verdecken, daß die meisten nur den Refrain wirklich können.
Aber egal wie das Wetter auch sein mag - derzeit scheint die Sonne über dem Sensationsaufsteiger. Ein echtes Fußballmärchen, wie die "Lilien" von der vierten in die erste Bundesliga aufgerückt sind.

Ebenfalls unabhängig vom realen Wetter läßt der Sonnenschein für manche Fußball-Funktionäre etwas weiter südlich zu wünschen übrig. Anstatt feudal im Baur au Lac zu residieren und den FIFA-Paten erneut zu inthronisieren, müssen sie wegen Korruptionsvorwürfen in eidgenössischen Gefängniszellen trauern.

Ein spannender Kontrast.

28. Mai 2015

"Die Caine war sein Schicksal" - Herman Wouk zum 100.

Wenn man die Literatur, zumindest die erzählende, die sich direkt mit der Erfahrung des Krieges auseinandersetzt, überfliegt, fällt auf, daß viele dieser Romane das übrige Werk ihres Autors überschatten, wenn sie nicht sogar das einzige Buch des Verfassers geblieben sind. Für Werke, die aus dem Abstand von einer oder zwei Generationen als umfangreiche tour d'horizon entstanden sind und den Gesamtverlauf des Konflikts, mit dem sie befasst sind, abschildern, gilt das nicht: Tolstois "Krieg und Frieden" oder auch Fontanes "Vor dem Sturm", die beide den zentralen Bruch der napoleonischen Kriege ins Auge fassen, sind nicht als Solitär im Œuvre ihrer Verfasser verblieben. Die Ausnahme bildet hier Margaret Mitchells "Gone with the Wind" von 1936, der nach dem Muster Tolstois den amerikanischen Bürgerkrieg als die Erfahrung zu schildern versucht, aus dem das Geschichtsbewußtsein des modernen Amerika hervorgegangen ist. (Daß das Ergebnis in diesem Fall zudem eine abstandslose Verklärung der Antebellum-Epoche der amerikanischen Südstaaten war und das Panorama mit dem breiten Weichzeichnerpinsel des sentimentalen Bestsellermodus ausgeführt wurde, hat dem Buch nicht eben gutgetan.) 





22. Mai 2015

Verkehr 2025 (Nachtrag)

Manchmal läuft technischer Fortschritt nicht nur schneller, sondern vor allem völlig anders als man vorher dachte.

Wenn sich das so wie beschrieben bestätigt, dann wäre autonomes Fahren schon dieses Jahr (!) serienreif möglich.
Vorerst mit einem eingeschränkten Funktionsumfang, aber schon in wenigen Jahren soll dann weitgehend autonomes Fahren möglich sein. "Weitgehend", weil immer noch für den Notfall ein einsatzbereiter und fahrtüchtiger Mensch gebraucht wird:
Im Durchschnitt trifft die Software einmal alle 400.000 Kilometer auf eine unbekannte Situation und übergibt dann dem Fahrer die Kontrolle.

Damit wären dann noch nicht alle der in meiner Artikelserie beschriebenen gesellschaftlichen Veränderungen möglich, aber das wäre dann wohl nur noch eine Frage der weiteren Entwicklung. Die trotzdem deutlich schneller kommen wird als bisher absehbar.

Bemerkenswert finde ich den komplett anderen Ansatz gegenüber Google und anderen "konventionellen" Forschungsansätzen. Das ist wirklich innovativ.

R.A.

© R.A.. Für Kommentare bitte hier klicken.

11. Mai 2015

Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen

Man wählt und wählt, doch was man kriegt, das weiß man nicht.

9. Mai 2015

Das deutsche Ideal

"Das deutsche Schicksal: vor einem Schalter zu stehn. Das deutsche Ideal: hinter einem Schalter zu sitzen."

So lautet ein - tatsächlich belegtes - Zitat von Kurt Tucholsky. Die alte Aphorismenschleuder Tucholsky ist ein Phänomen in der deutschen Geisteswelt, weil er ständig zitiert (oft mit Sätzen, die er nie gesagt hat), aber kaum gelesen wird. Macht nix - es genügt zu wissen, dass Tucholsky ein großer Satiriker (aufgeregtes Schnipsen in der ersten Reihe: "Darf alles!") war und deshalb für die Königsdisziplin, ja die einzige überhaupt mögliche Disziplin deutschen Humors steht. 

8. Mai 2015

Zitat des Tages: Das kurze Gedächtnis des Jakob Augstein

Weselsky und seine Lokführer machen von ihrem Streikrecht Gebrauch. Bislang hat kein Arbeitsgericht sie aufgehalten. Wann wurde zuletzt jemand, der von seinem Recht Gebrauch macht, zum Gegenstand so einhelliger Verachtung wie dieser Mann? (Jakob Augstein, SPON vom 08.05.) 

­Diese Frage ist ganz leicht zu beantworten: Vor ungefähr dreieinhalb Monaten, an gleicher Stelle.

Da schimpfte Augstein nicht nur über die Pegida-Anhänger, sondern vor allem über jene in Politik und Medien, die sie nicht zum Gegenstand einhelliger Verachtung gemacht haben.

Nun ist es nicht das Thema, dass Augstein die einen unterstützt und die anderen ablehnt (zur Hälfte stimme ich ja mit ihm überein). Sondern dass er das Streikrecht als Argument anführt, warum die Lokführer nicht kritisiert werden sollen:
Vor Jahren haben die meisten Lokführer ihren Beamtenstatus verloren. Nun sollen sie - de facto - ihres Streikrechts beraubt werden. Das ist die höchste Vollendung der Privatisierung. Es geht dabei nicht nur um die Lokführer. Der Wirtschaftsflügel der CDU möchte die Gelegenheit nutzen, das Streikrecht grundsätzlich einzuschränken. Im Bereich der "Daseinsvorsorge" sollen strengere Regeln gelten. Das kann man weit fassen: Verkehr in der Luft und auf dem Land, Erziehung, was noch? Heute trifft es die Lokomotivführer. Morgen Lehrer und Erzieher. Und übermorgen?
­Abgesehen davon, dass diese Untergangsrhetorik durchaus an Pegida unter umgekehrten Vorzeichen erinnert und einige Ungereimtheiten enthält (als ob Lokführer als Beamte überhaupt ein Streikrecht gehabt hätten oder es mit einer einheitlichen Tarifgemeinschaft keine Mitbestimmung mehr gäbe): Es gibt noch eine andere Parallele.

5. Mai 2015

Quo vadis, Blogosphäre?

Über das Wochenende war es etwas ruhiger im kleinen Zimmer. Denn diverse Autoren und Forumsteilnehmer waren in Bamberg beim "Liberalen 1. Mai" der Blogger-Kollegen vom Antibürokratie-Team.

Ein schönes Treffen, ein schönes Programm:
Freitag abend die Gründung des Hayek-Clubs Bamberg mit Einführung von Günter Ederer und einem Vortrag von Sascha Tamm zur liberalen Sozialpolitik.
Samstags eine Stadtführung mit Schwerpunkt "Hexenverfolgung" - dieses Thema werde ich bei Gelegenheit hier vertiefen. Nachmittags dann zwei sehr gute Vorträge von Christian Hofmann ("Lügenpresse? Wahrheitsblogger?") und Igor Ryvkin ("Liberalismus und Libertarismus in Rußland"). Und noch einer zur Währungspolitik, bei dem ich mal "nil nisi bene" anwende.
Abends eine Podiumsdiskussion mit Frank Schäffler, dem bayrischen FDP-Vize Körber und dem Politikwissenschaftler Saalfeld aus Bamberg zum aktuellen Stand der Schuldenkrise.
Und am Sonntag dann einen leckeren Brunch mit einer Diskussion zwischen dem Öko-Autor Michael Miersch und einem Ex-Bio-Landwirt.

Wichtiger als das offizielle Programm waren aber die persönlichen Gespräche mit Kollegen aus der deutschen Blogger-Szene.

30. April 2015

Literarisches Neuland

Deutschland hat so seine Schwierigkeiten mit Innovationen. Jedenfalls das aktuelle Deutschland, früher galt die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Entwicklungen als eine Hauptstärke unseres Landes.
Ein Beispiel, an dem sich die Überforderung der Verantwortlichen (oder sich verantwortlich Fühlenden) immer wieder zeigt, ist der Umgang mit "E-Books". Sind das jetzt "richtige" Bücher?

Sind sie, meinen die Verbraucherschutzorganisationen (die sich völlig unabhängig von Sachkenntnis immer gerne verantwortlich fühlen). Und fordern von den Verlagen, daß man "E-Books" genauso weiterverkaufen können sollte wie gedruckte Bücher.
Vor Gericht sind sie damit wieder einmal gescheitert. Die deutsche Justiz scheint also technisch schon etwas weiter zu sein als die Streitparteien. Denn ein "Weiterverkauf" ist bei einer Datei eigentlich kaum möglich. Die wird kopiert, und ist dann beim "Verkäufer" immer noch vorhanden. Selbst wenn er sie - eine eher unrealistische Annahme - nach dem "Verkauf" ordentlich löscht: In seinen Datensicherungen ist sie natürlich immer noch vorhanden.

24. April 2015

Wahl im UK: Die Last der Vergangenheit

Großbritannien ist das Land der Traditionen - und die politischen machen einen nicht geringen Teil davon aus. Wo sonst sitzt der Sprecher einer Parlamentskammer nicht auf einem nach neuesten Ergonomierichtlinien konstruierten Bürostuhl, sondern auf einer ca. 650 Jahre alten Matratze? Auch die beiden großen Parteien, die Tories und die Labour Party können auf eine lange Tradition zurückblicken. Vor dem Hintergrund der anstehenden Wahl zum House of Commons zeigt sich aber, dass sie sich beide im Umbruch befinden. 

Der Wahlkampf für die general election im Vereinigten Königreich am 7. Mai geht in die heiße Endphase. Nach den aktuellen Umfragen steht ein Kopf-an-Kopf-Rennen an. 

Wieso es überhaupt so knapp wird, mag man sich fragen - sitzt doch die aktuelle Koalitionsregierung alles andere als fest im Sattel. Cameron schlingert in der Europa-Frage, und vor allem Juniorpartner Nick Clegg von den LibDems trug bis vor kurzem regelmäßig die rote Laterne als unbeliebtester Politiker und verliert möglicherweise sogar sein Mandat in Sheffield, das er 2010 mit über 15.000 Stimmen Vorsprung gewonnen hat. 

Schauen wir uns also die aktuelle politische Situation im UK etwas genauer an. Ich glaube nämlich, dass sie sowohl in den Gemeinsamkeiten als auch in den Unterschieden ein interessanter Spiegel zu Deutschland ist.

23. April 2015

Es kommt, wie es kommen muss. Ein kurzes Streiflicht zur AfD.


Schon der Rücktritt von Dagmar Metzger war ein ziemlich klares Signal in welche Richtung die AfD in Zukunft nicht segeln will. Luckes klare Positionierung, dass er eben kein Liberaler sei, tat da ein übriges. Jetzt ist mit Hans-Olaf Henkel wohl der letzte von Bord gegangen, dem man noch ein liberales Profil abgenommen hätte, somit hat sich die AfD von ihren liberalen Einschlägen erst einmal deutlich getrennt.

22. April 2015

Meckerecke: Nach zweihundert Metern nationalsozialistisch abbiegen

Hitler und sein Chauffeur überfahren ein Schwein. Der Chauffeur geht zum Bauern, kommt nach drei Stunden zurück. Mit Geschenken überladen. ,Was hast du gesagt', fragt der Führer. Fahrer: ,Heil Hitler, das Schwein ist tot!'

An diesen Klassiker unter den politischen Witzen musste ich heute denken, nachdem ich über eine Entscheidung des Amtsgerichts in Bremen gelesen habe. Es hat einen Betreiber einer Facebook-Seite zu 1.500 Euro Geldstrafe wegen übler Nachrede verurteilt, weil er einen Politiker der "Bürger in Wut" als "rechtes Schwein" bezeichnet hat. 

21. April 2015

Russisches Roulette im Mittelmeer

Und wieder einmal kommt einer der Schiffsuntergänge im Mittelmeer groß in den Medien. Nicht zum ersten Mal, wohl auch nicht zum letzten Mal - es scheint ziemlicher Zufall zu sein, wenn eines dieser Unglücke plötzlich in den Schlagzeilen erscheint. Und dann beginnt wieder einmal die übliche Diskussion. Wahrscheinlich auch diesmal wieder ohne wesentliche Folgen.

Denn Europa hat es sich recht bequem in der Realitätsverweigerung eingerichtet.

18. April 2015

Großmutti for President?

Bei erfahrenen Politikern, die seit Jahrzehnten in den verschiedensten Rollen im politischen Geschäft unterwegs sind, sollte man eigentlich meinen, genau zu wissen, wofür sie stehen, und was man von ihnen erwarten kann, wenn sie sich anschicken, ein neues Amt zu übernehmen. Mal stillschweigend vorausgesetzt, es handelt sich nicht um Horst Seehofer. Oder um Hillary Clinton. 

Hillary Diane Rodham Clinton als erfahrene Politikerin zu bezeichnen, ist schon untertrieben. Sie war jahrelang demokratische US-Senatorin für den Bundesstaat New York, dann Secretary of State - und zwar die deutlich kompetentere der beiden Amtsinhaber in der außenpolitisch allgemein recht chaotischen Ära Obama. Glaubt man ihrem aktuellen Buch, wäre den USA unter einer Präsidentin Clinton im Vergleich zu Obama einiges erspart geblieben.

Und für ihren anstehenden Präsidentschaftswahlkampf bringt sie nicht nur die Erfahrung mit, schon einmal an einer primary teilgenommen zu haben, sondern ist auch als ehemalige first lady bestimmt die Einzige, die schon acht Jahre lang den berühmten west wing bewohnt hat, noch bevor sie selbst in ein Amt gewählt wurde.

16. April 2015

Das Stigma

Und wieder einmal eine neue Runde mit den altbekannten Stellungnahmen.
Auf der einen Seite diesmal der Papst himself und das Europäische Parlament. Ein Papst, der aus seiner theologischen Stellung offenbar schließt, er wäre auch in Wirtschaftsfragen, Pädagogik und nun Geschichte und Justiz unfehlbar. Und ein EP, das sonst dem Beitritt der Türkei entgegenfiebert - aber doch der Versuchung erliegt, seinen eigenen Popularitätsproblemen mit großen Vorwürfen nach außen zu begegnen.
Auf der anderen Seite gewohnt uneinsichtig und mit hysterischen Gegenvorwürfen konternd die türkische Regierung. Die auch nach Jahrzehnten nicht einsehen will, daß man das Armenier-Thema nicht mit blind wiederholten Dementis aus der Welt schaffen wird.

Dabei ist die Sachlage nicht wirklich umstritten. Es gab 1915 systematische Massenmorde durch türkische Truppen und Zivilisten an Armeniern und anderen Minderheiten. Die Massaker und die unmenschliche Behandlung während der "Umsiedlung" forderten viele hundertausend Menschenleben. Das Alles wird grundsätzlich von der türkischen Regierung auch anerkannt und als massive Menschenrechtsverletzung eingestuft. Es hat auch offizielle Entschuldigungen gegeben und Versuche, sich mit den Armeniern auszusöhnen.
Aber was die Türkei nicht akzeptiert, und was diesen wütenden Protest verursacht, das ist das Etikett "Völkermord", auf dem europäische Politiker bei ihrer Einschätzung der Ereignisse von 1915 bestehen.

13. April 2015

Günter Grass (1927-2015)

 "In dreißig Jahren wird niemand mehr von der deutschen Literatur der letzten dreißig Jahre sprechen" (Johannes Gross, 1985)



In Nachrufen, Elogen, Gedenkreden, Nekrologen, nicht zuletzt Obituarien gilt als oberste Richtschnur das klassische Motto: "De mortuis nil nisi bonum". Das griechische  Vorbild, dem diese Sentenz nachgebildet ist, das dem griechischen Weisen zugeschriebene "Τὸν τεθνηκότα μὴ κακολογεῖν, γῆρας τιμᾶν", gebietet nicht nur, von den Toten nur Gutes zu reden, sondern auch das Alter zu ehren.
Zum anderen gebietet es der Anlaß, keine Unwahrheiten zu verbreiten. Diesen Grundsätzen verpflichtet, sei hiermit dem Andenken an Herrn G. Genüge getan.

12. April 2015

Aus der Schwalbenperspektive: Kulturpessimismus

„Elf Freunde müsst ihr sein, wenn ihr Siege wollt erringen“
(Gravur auf der "Victoria", dem Meisterschaftspokal des DFB von 1901 bis 1944)


Die Debatte in Zettels Raum und Zimmer zum Thema "Kulturpessimismus" hat mich dazu veranlasst, dieses Phänomen mal aus der Schwalbenperspektive zu betrachten. Denn auch wenn culture crumbles and religion stumbles (Bob Geldorf), gibt es in Deutschland noch einen Hort des Wahren, Guten und Schönen. Für die einen ist er das aufgrund seiner integrativen Wirkung auf Menschen mit Migrationshintergrund ("Özil" etc.) - für die anderen aufgrund seiner integrativen Wirkung auf Menschen ohne Migrationshintergrund ("Der Stolz einer ganzen Region", diese meistens strukturschwach). Und wofür braucht die Friedensmacht Deutschland funktionierende Sturmgewehre, wenn Jogis Buben den Brasilianern jederzeit völlig gewaltfrei sieben Buden einschenken können? 

11. April 2015

Von Feiertagen und Laternenfesten. Ein Gedankensplitter zu Kulturpessimismus und dem Kitt des Zusammenlebens.


„Frohe Feiertage“, ersatzweise auch nur ein „schönes, langes Wochenende“ ist das, was einem letzte Woche gerne gewünscht wurde, wenn man sich noch die Mühe gemacht hat einkaufen zu gehen. Ich habe dazu meistens eine ziemlich deutliche Antwort: Ich wünsche frohe Ostern. Explizit und das auch in einer Lautstärke, das man mich versteht (sprich: es ist nicht hingenuschelt). Erstaunlich oft ernte ich dann einen ganz freundlichen Blick und ein „Ebenfalls“. Zu Weihnachten erlebe ich dasselbe, nur eben ein paar Tage länger. Der Wunsch ist gerne „Frohe Feiertage“ oder „Schönen Urlaub“, aber das simple „Frohe Weihnachten“ höre ich nur dann, wenn ich es selber deutlich sage. Ich sage es auch deutlich, denn es ist eben Weihnachtszeit. Und nicht Jahresendfest. Die Kinder gehen auch zum Martinszug. Und nicht zum Laternenfest. 

9. April 2015

Seidenstraße auf russisch

In China plant man langfristig. Auch in der Außenpolitik. Die Strukturierung der künftigen Außenhandelspolitik wird daher von der Regierung unter dem Titel "Neue Seidenstraße" unter die Medien gebracht. Ein sehr geschickt gewähltes Etikett für eine im Kern produktive Infrastrukturinitiative, gemischt mit solider Machtpolitik. Unter anderem kommt dabei auch Rußland als eines der vielen Länder vor, denen eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit in Aussicht gestellt wird.

In Rußland hat Putin wohl auch langfristige Ziele, aber mit der taktischen Umsetzung ist er aktuell ziemlich im Sumpf steckengeblieben.
Das führte dann zu einer recht eigenartigen Reaktion auf die "Seidenstraße"-Initiative in Form eines fiktiven Rückblicks aus dem Jahr 2025. Sie zeigt, wie weit sich die russische Politik von der Realität entfernt hat.

8. April 2015

Unbestellte Leistungen

Nachdem es mit dem Sparen traditionell nicht klappt, probiert es der marode Bremer Senat nun mit Einnahmenerhöhungen. Und am einfachsten - so die rot/grüne Kalkulation - kassiert es sich dort, wo ordentlich Geld vorhanden ist. Also z. B. beim Profi-Fußball.

Wie Medienberichte und Internet-Kommentare zeigen, kommt dieser populistische Vorstoß bei einigen Leuten auch gut an. Hilft ja vielleicht bei den anstehenden Bürgerschaftswahlen.

Sollte der Versuch dann hinterher bei den Gerichten scheitern, ist die Wahl schon lange vorbei.

4. April 2015

Zitat des Tages: Eine Frage der Zeit


Islamische Beschneidungsfeiern in einer Gaststätte sind bei uns am Karfreitag untersagt. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden. Die Richter verweisen darauf, solche Feiern seien auch unterhaltsam, weil unter anderem getanzt werde. Der Karfreitag sei als christlicher Feiertag so schützenswert, dass die Religionsfreiheit von Muslimen zurückstehen müsse (Aktenzeichen 20 L 1916/14).


Kommentar: Es war ja eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis die Einschränkungen an den sogenannten "stillen Feiertagen" (die entgegen ihres Namens nichts mit der Lautstärke von Geräuschen zu tun haben, sondern freudige Ereignisse und Handlungen unterbinden sollen, wenn sie außerhalb von Privatwohnungen stattfinden) mit religiösen Riten anderer Religionen kollidieren. Mit Atheisten und Agnostikern kann man es ja machen. Offenbar versucht man es bei Muslimen auch.

Dabei macht sich der Staat und (nicht kulturrelativistische) Politik lediglich absolut überflüssig angreifbar. Wir reden hier nicht über regelmäßige Muizin-Rufe, durch die sich Anwohner belästigt fühlen könnten. Wir reden hier nicht über eine öffentliche, staatliche Förderung von Moschee-Bauten. Wir reden hier nicht über Versuche Religionskritik zu diffamieren oder das Christentum zu dämonisieren. Wir reden hier nicht über eine Forderung, die Mehrheitsgesellschaft müsse sich an den Islam anpassen. Wir reden hier nicht über eine Verteidigung von Ehrenmorden, Tötung von Apostaten oder Veranstaltungen, auf denen zur Gewalt aufgerufen wird. Wir reden hier nicht über Akte der Barbarei (es sei denn, man hält schon die Beschneidung an sich für einen Akt der Barbarei, worum es hier aber eindeutig nicht geht). Das Verbot dient nicht der Verteidigung der aufgeklärten, freiheitlichen und westlichen Kultur.

Es geht hier darum, ein Fest zu verbieten, weil Christen an diesem Feiertag nicht Feiern wollen. Das Verbot ist nicht mit Ruherstörung zu begründen. Lärm ist ja grundsätzlich in dem selben Maße wie an normalen Feiertagen und Sonntagen auch erlaubt. Verboten ist es, außerhalb von Privatwohnungen, sich zu einer fröhlichen Veranstaltung zu treffen. Zumindest versucht man einem solchen Verbot nahe zu kommen. Ob jemand durch den Lärm belästigt wird, interessiert dabei gar nicht. Es ist nicht der Grund des Verbotes. Der Grund ist, dass sich eine  Minderheit in diesem Land immer noch daran stört, wenn Andere manche Tage ihres Leben anderes gestalten, als es dem Idealbild dieser Kulturpessimisten in diesem Fall von Rechts entspricht.



Techniknörgler



© Techniknörgler. Für Kommentare bitte hier klicken.