29. Mai 2015

Die Sonne scheint

Fußball-Fangesänge müssen nicht literarisch anspruchsvoll sein. Und wenn in Darmstadt die Fans ihr Lieblingslied anstimmen kann auch die große Begeisterung nicht verdecken, daß die meisten nur den Refrain wirklich können.
Aber egal wie das Wetter auch sein mag - derzeit scheint die Sonne über dem Sensationsaufsteiger. Ein echtes Fußballmärchen, wie die "Lilien" von der vierten in die erste Bundesliga aufgerückt sind.

Ebenfalls unabhängig vom realen Wetter läßt der Sonnenschein für manche Fußball-Funktionäre etwas weiter südlich zu wünschen übrig. Anstatt feudal im Baur au Lac zu residieren und den FIFA-Paten erneut zu inthronisieren, müssen sie wegen Korruptionsvorwürfen in eidgenössischen Gefängniszellen trauern.

Ein spannender Kontrast.

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Aus dem Erfolg des Darmstädter Traditionsvereins könnte man einen wunderbaren Hollywood-Film machen. Alle üblichen Zutaten sind vorhanden:

Eine völlig katastrophale Ausgangssituation. Der ehemals stolze SV 98 spielt vor einer Handvoll Zuschauer irgendwo bei Dorfvereinen. Dann kommt der Gerichtsvollzieher - der Verein ist nicht nur sportlich, sondern auch finanziell bankrott.

Dann ein aufrüttelndes Ereignis - Bayern München kommt zu Hilfe und beim Benefizspiel werden 20.000 zahlende Fans gezählt. Mühsam findet der neue Vorstand wieder Sponsoren. Und engagiert den Trainer, der den Unterschied machen wird.

Der sucht sich ein Team zusammen, das aus Gescheiterten besteht. Spieler die noch einmal eine Chance bekommen zu zeigen, daß sie doch etwas können. Kapitän Aytac Sulu war bei einem Provinzverein in Österreich versackt, andere waren durch den Abstieg von Wiesbaden oder Dresden heimatlos geworden, Florian Jungwirth wurde in Bochum aussortiert, Leon Balogun war arbeitslos.
Zu Dirk Schusters unorthodoxen Trainingsmethoden gehört, daß der jeweils im Training schlechteste Spieler ein rosa T-Shirt mit Aufschrift "Fehleinkauf" tragen muß. Was nun kaum möglich ist - der SVD hat für keinen im Team eine Ablösesumme gezahlt. Wovon auch, mit dem niedrigsten Etat der Liga.

Die für Hollywood nötige emotionale Abrundung liefert dann die Geschichte des krebskranken Jonathan Heimes, dessen Motto "Du mußt kämpfen" zum Motto des Aufstiegs wurde. Völlig zur Recht wurde er bei der Siegesfeier von zehntausenden Fans mehr gefeiert als jeder Spieler.

Aber auch die Gegenseite hat Hollywood-Format. Gegen Sepp Blatter sieht Don Vito Corleone wie ein Amateur aus. Was sind schon ein paar Millionen Dollar und Einfluß in Teilen New Yorks gegen das weltumspannende Milliarden-Imperium der FIFA?

Schon seit vier Jahrzehnten baut Blatter als hauptberuflicher Verbandsfunktionär sein Netzwerk aus. Und die Korruption läuft so offen, daß ihm auch die aktuellen Ermittlungen wohl nichts anhaben werden. Seine Macht beruht darauf, daß er einen Teil der legalen FIFA-Einnahmen an Verbände verteilt, die im Weltfußball sportlich keine Rolle spielen, aber Blatter in der FIFA-Vollversammlung die Mehrheiten sichern. Blatter hat es gar nicht nötig, wie seine Stellvertreter auch noch Schmiergelder nebenbei anzunehmen. Er sitzt an der Quelle.

Was für ein Gegensatz!

Einerseits die armen Underdogs aus Darmstadt, die sich mit altdeutschen Fußballtugenden gegen Geschäftsmodelle wie Red Bull Leipzig durchsetzen.
Und andererseits die korrupten Funktionäre aus Zürich, die Millionengelder in die eigene Tasche leiten.

Aber irgendwie gehört das halt doch zusammen.
Fußball ist kein Amateursport mehr, sondern eine Milliardenbranche. Weil die Fans zwar die Fußballmärchen lieben, aber mit ihrem Geld hohe Gewinnmöglichkeiten schaffen. Und wo so viel Geld zu verdienen ist - da wird es auch immer Leute geben, die diese Gelegenheit nutzen.

R.A.

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