20. März 2014

Marginalie: Krimsekt

Zu dieser kleinen Marginalie hat mich der großartige Text vom Kollegen Doeding inspiriert, der treffend die Boykottfarce um Produkte aus den "Siedlungsgebieten" beim Namen nennt.

In vielen Ländern der EU ist die anscheinend größte Sorge von politisch interessierten Verbrauchern, aus Versehen ein Produkt aus einer jüdischen Siedlung in der Westbank zu kaufen und - Gott bewahre - wömiglich gar zu verspeisen.

Die ansonsten mehr als unauffällige EU-Außenbeauftragte Lady Ashton tut, was eine Politikerin in Deutschland (vulgo: Claudia Roth) nicht besser tun könnte: Sie nimmt die Sorgen der Menschen ernst.

Nun ist aber die EU gerade von dieser Herzensangelegenheit abgelenkt und befasst sich mehr oder weniger intensiv mit den Geschehnissen in der Ukraine. Nachdem wir uns im vorigen Absatz erst daran erinnert haben, dass überhaupt über eine Außenbeauftragte verfügen, so tritt diese plötzlich wieder in Aktion:
European foreign policy chief Catherine Ashton has strongly condemned Russia for its role in the "so-called" referendum in Crimea, which she described as "illegal and in clear breach of the Ukrainian constitution".

Klare Worte. Dann erklärt Ashton, was daraus folgt:
"In the absence of positive steps and in line with the statement of EU leaders on 6 March, we have today decided to introduce additional measures, more specifically restrictive measures against 21 individuals responsible for actions which undermine or threaten the territorial integrity, sovereignty and independence of Ukraine." 
So weit, so typisch für die EU. Da schickt sich der russische Präsident an, einen nennenswerten Teil eines befreundeten Staates einzunehmen, und alles was der Hohen Vertreterin einfällt, ist, einer Handvoll von seinen Kumpels die Einreise ins Paradies (vulgo: EU-Territorium) zu versperren und ihr geparktes Geld einzufrieren. Aber sei es wie es sei, die geplante Annexion ist laut EU illegal.

Nun zum eigentlichen Thema: Die Krim ist außer als Konfliktherd vor allem bekannt als Herkunftsort einer schrecklich süßen Blubberbrause, die sich vor allem in der DDR (seligen Angedenkens) einer gewissen Beliebtheit erfreut haben soll.

Nun ist aber die Ukraine nicht die EU, und demzufolge auch "Krimsekt" keine geschütze Herkunftsbezeichnung:
Anders als bei Champagner ist der Name Krimsekt nicht mit einer bestimmten Herkunftsregion verbunden. Er ist rechtlich nicht geschützt. Die Trauben für Krimsekt dürfen auch außerhalb der Krim wachsen. Er wird nicht nur in Sudak und Sewastopol auf der Krim gekeltert, sondern auch in Odessa, Kiew, Charkiw und insbesondere in Artemiwsk. Dort werden jährlich rund 50 Millionen Flaschen produziert. 
Wie eben festgestellt: Wenn nun Putin seine Annexion durchführt, ist die Krim laut EU ein illegal russisch besetztes Gebiet. 

Nehmen wir nun weiter an (und das ist, was mich betrifft, eine völlig hypothetische Annahme), ich möchte eine Flasche Krimsekt erwerben. Da ich aber ein politisch interessierter Konsument bin, bin ich nur an einem Produkt aus der freien Ukraine interessiert. 

Müsste mich nicht die EU im Sinne der Ermöglichung informierter Kaufentscheidungen dringend vor einer möglicherweise nicht in Odessa oder Artemiwsk, sondern im besetzten Sewastopol abgefüllten Flasche warnen?

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mich die Baroness Ashton of Upholland dabei im Stich lassen wird...


­
Meister Petz

© Meister Petz. Titelvignette: Verschiedene Sorten Krimsekt. Vom Autor Sven Teschke gemeinfrei gestellt. Für Kommentare bitte hier klicken.