Man kann den Steuerhinterziehern nur gratulieren: Sie haben
es in die erste Liga der Kriminellen geschafft. Waren früher Mord und
Totschlag, Bankraub mit Geiselnahme, Kindesentführung, Sexualverbrechen oder
organisierter Menschenhandel erforderlich, um die für einen Krimi notwendige
Fallhöhe zu erreichen, taugt für das zwangsabgabefinanzierte
„Pädagogikfernsehen“ (Oliver Jungen in der FAZ)
nun auch derjenige als Bösewicht, der größere Summen am Fiskus vorbeischleust.
Historiker einer späteren Generation werden wohl mit Erstaunen feststellen, wie in unserer Zeit aus der lästigen Pflicht des Steuerzahlens eine moralische Verbindlichkeit gegenüber dem Vaterland und gleichsam ein Fetisch der veröffentlichten Meinung konstruiert wurde, ganz zu schweigen davon, dass es der Staat zur Aufklärung von Finanzdelikten mit dem Strafgesetzbuch nicht mehr so genau nimmt und die in seinem Namen tätigen Hehler auch noch für einen Orden vorgeschlagen werden.
Den vorläufig letzten Akt in diesem Stück absurden Theaters bildeten die den Mündern von Medienschaffenden und Politikern entströmenden Wortspenden zum Fall Uli Hoeneß. Vor wenigen Tagen hat nun die Saarbrücker Zeitung in einem (leider nicht online zugänglichen) Artikel geschrieben, dass Annette Schavan „den Hoeneß machen“ solle. Die Klage der ehemaligen Bundesministerin für Bildung und Forschung gegen die Aberkennung ihres Doktortitels war vom Verwaltungsgericht Düsseldorf abgewiesen worden.
Historiker einer späteren Generation werden wohl mit Erstaunen feststellen, wie in unserer Zeit aus der lästigen Pflicht des Steuerzahlens eine moralische Verbindlichkeit gegenüber dem Vaterland und gleichsam ein Fetisch der veröffentlichten Meinung konstruiert wurde, ganz zu schweigen davon, dass es der Staat zur Aufklärung von Finanzdelikten mit dem Strafgesetzbuch nicht mehr so genau nimmt und die in seinem Namen tätigen Hehler auch noch für einen Orden vorgeschlagen werden.
Den vorläufig letzten Akt in diesem Stück absurden Theaters bildeten die den Mündern von Medienschaffenden und Politikern entströmenden Wortspenden zum Fall Uli Hoeneß. Vor wenigen Tagen hat nun die Saarbrücker Zeitung in einem (leider nicht online zugänglichen) Artikel geschrieben, dass Annette Schavan „den Hoeneß machen“ solle. Die Klage der ehemaligen Bundesministerin für Bildung und Forschung gegen die Aberkennung ihres Doktortitels war vom Verwaltungsgericht Düsseldorf abgewiesen worden.
Mit ihrer flapsigen Formulierung legte die Gazette aus der
südwestdeutschen Stadt der – umstrittenen – Kandidatin für den
Botschafterposten im Vatikan offensichtlich nahe, den (rechtlich möglichen) Antrag auf Zulassung der Berufung nicht zu stellen, sondern das Urteil anzunehmen. Auch
die FAZ und der Tagesspiegel warteten mit einem „Geschieht-ihr-recht“-Beitrag auf,
während die ZEIT kritisierte, dass
das von der Heinrich-Heine-Universität gewählte, eher unaufwendige Überprüfungsverfahren
von der Justiz seinen Segen bekommen hat. Ähnliche Bedenken hegte übrigens auch
Zettel.
Unabhängig von der Frage, ob Schavan in ihrer Dissertation vorsätzlich getäuscht hat oder nicht, ist die Parallele zwischen dem ihr vorgeworfenen Plagiat und dem Anklagegegenstand im Fall Hoeneß einigermaßen frappierend. Wer in einer wissenschaftlichen Statusarbeit abschreibt oder Einkünfte nicht erklärt, der sichert sich durch Vorspiegelung falscher Tatsachen etwas, auf das er kein Anrecht hat. Natürlich kann man schon aus diesem Grund Plagiate und Steuerhinterziehungen als moralisch fragwürdig betrachten.
Überraschend ist dann aber doch, wie in den letzten Jahren aus den zuvor wenig beachteten Handlungen des Abkupferns und des Fiskalprellens eine mediale Obsession entstanden ist, zu der es wohl auch so etwas wie einen jeweils einleitenden Fall gibt: nämlich die Causa Zumwinkel für das Steuerhinterziehen und die Affäre Guttenberg für das Plagiieren.
Zettel fällte über Guttenberg ein harsches Urteil:
Unabhängig von der Frage, ob Schavan in ihrer Dissertation vorsätzlich getäuscht hat oder nicht, ist die Parallele zwischen dem ihr vorgeworfenen Plagiat und dem Anklagegegenstand im Fall Hoeneß einigermaßen frappierend. Wer in einer wissenschaftlichen Statusarbeit abschreibt oder Einkünfte nicht erklärt, der sichert sich durch Vorspiegelung falscher Tatsachen etwas, auf das er kein Anrecht hat. Natürlich kann man schon aus diesem Grund Plagiate und Steuerhinterziehungen als moralisch fragwürdig betrachten.
Überraschend ist dann aber doch, wie in den letzten Jahren aus den zuvor wenig beachteten Handlungen des Abkupferns und des Fiskalprellens eine mediale Obsession entstanden ist, zu der es wohl auch so etwas wie einen jeweils einleitenden Fall gibt: nämlich die Causa Zumwinkel für das Steuerhinterziehen und die Affäre Guttenberg für das Plagiieren.
Zettel fällte über Guttenberg ein harsches Urteil:
Dieser Mann, der schamlos lügt, ist eine Schande für das Bundeskabinett. Er ist eine Schande für unser Land.
Die verschiedenen Aspekte des Plagiatsverbots hat Zettel in einem anderen Beitrag beleuchtet:
Das [Plagiatsverbot] gilt auf der juristischen Ebene: Wer plagiiert, dem kann der durch das Plagiat erworbene akademische Titel aberkannt werden. Es gilt auf der moralischen Ebene; Plagiate und das Fälschen von Daten verstoßen gegen den Geist der Wissenschaft, der auf Offenheit und Ehrlichkeit basiert. Und es hat ja auch einen ökonomischen Aspekt. Akademische Grade befördern die Karriere. Wer sich einen akademischen Grad erschleicht, der verschafft sich widerrechtlich einen wirtschaftlichen Vorteil.
Ähnliche Überlegungen könnte man für das Steuerhinterziehen
anstellen: Dieses ist verboten (und wird schwer bestraft) und zeitigt für den
Täter gegenüber seinem ehrlichen Konkurrenten einen ökonomischen Vorteil. In
moralischer Hinsicht ließe sich argumentieren, dass – wenn man die Existenz des Staates nicht grundsätzlich ablehnt – dieser auch über Mittel
verfügen muss, die ihm das Erfüllen seiner Aufgaben ermöglichen, und dass es im
Sinne des kategorischen Imperativs nicht richtig ist, etwas zu tun, das man als
allgemeine Handlungsmaxime nicht wollen kann. Abgesehen davon wäre es das Ende
jeder Rechtsordnung, wenn die ihr Unterworfenen nach Willkür entschieden,
welche Gesetze sie einhalten und welche nicht.
Andererseits könnte man sich fragen: Was ist schon so schlimm am Steuerhinterziehen und am Plagiieren? Wer abschreibt, trägt zwar zum Fortschritt der Wissenschaft nichts bei, er enthält ihr aber keine Ergebnisse vor, wie dies etwa der Datenfälscher oder der Studienzurückhalter tut. Und der Steuerhinterzieher ist nach allem kein Subventionserschleicher, der rechtswidrig beim Staat abkassiert, sondern jemand, der sein (legal erworbenes) Eigentum nicht geschmälert sehen möchte. Und letztlich wird das Manko, das der einzelne Steuerhinterzieher verursacht, statistisch kaum ins Gewicht fallen.
Die Steuer nimmt sich wirtschaftlich nicht anders aus als eine Geldstrafe. Während diese jedoch die Sanktion für ein Fehlverhalten des Zahlungspflichtigen darstellt, muss jene auch der gesetzestreue Bürger berappen, der – was ja sozial erwünscht ist – einer Berufstätigkeit nachgeht oder zum Beispiel Wohnraum vermietet. Die Steuer ist also ein ganz massiver, in ihren Auswirkungen strafähnlicher Eingriff in das Hab und Gut eines Menschen, weshalb in allen Kulturen (mit Ausnahme der Berliner Republik unserer Tage) die Begehrlichkeiten des Fiskus als wiewohl notwendige, so doch äußerst lästige Zumutungen gelten.
Wer Steuern hinterzieht, wendet lediglich einen Nachteil von seinem Eigentum ab, während sich der Plagiator eine Position verschafft, die ihm nur Vorteile bringt. Die Steuer ist eine von außen herangetragene Pflicht, während ein akademischer Titel aus freien Stücken angestrebt wird. Man könnte mit diesem faktischen Unterschied begründen, warum man das Steuerhinterziehen im Vergleich zum Plagiieren als moralisch weniger verwerflich betrachtet.
Andererseits bleibt festzuhalten, dass eine hinterzogene Steuer in der Staatskasse einfach fehlt, während sich bei einer abgekupferten Dissertation (oder auch Diplom-/Magister-/Masterarbeit) der Schaden nicht immer konkret messen lässt, weil er hypothetischer Natur ist: Der einzelne Konkurrent des Plagiators wird kaum nachweisen können, dass er (und nicht ein anderer redlicher Mitbewerber) eine bestimmte Stelle in der Wissenschaft oder der Praxis bekommen hätte, wenn der Abschreiber seinen Hut nicht in den Ring geworfen hätte. Und die Schummelei bei der Abschlussarbeit sagt in materieller Hinsicht ja noch nichts Negatives über die fachliche Befähigung ihres Urhebers aus, sodass dieser den Anforderungen seiner Aufgabe durchaus gewachsen sein kann.
Alle diese Überlegungen münden nun in die folgende Frage: Sind das Steuerhinterziehen und das Plagiieren bei universitären Abschlussarbeiten in moralischer Hinsicht gleich verwerflich?
Ich bitte die geschätzten Leserinnen und Leser von Zettels Raum, ihre begründeten Antworten in diesem Thread in Zettels kleinem Zimmer anzubringen oder von der dort näher erläuterten Möglichkeit des Einsendens einer Antwort per E-Mail Gebrauch zu machen.
Andererseits könnte man sich fragen: Was ist schon so schlimm am Steuerhinterziehen und am Plagiieren? Wer abschreibt, trägt zwar zum Fortschritt der Wissenschaft nichts bei, er enthält ihr aber keine Ergebnisse vor, wie dies etwa der Datenfälscher oder der Studienzurückhalter tut. Und der Steuerhinterzieher ist nach allem kein Subventionserschleicher, der rechtswidrig beim Staat abkassiert, sondern jemand, der sein (legal erworbenes) Eigentum nicht geschmälert sehen möchte. Und letztlich wird das Manko, das der einzelne Steuerhinterzieher verursacht, statistisch kaum ins Gewicht fallen.
Die Steuer nimmt sich wirtschaftlich nicht anders aus als eine Geldstrafe. Während diese jedoch die Sanktion für ein Fehlverhalten des Zahlungspflichtigen darstellt, muss jene auch der gesetzestreue Bürger berappen, der – was ja sozial erwünscht ist – einer Berufstätigkeit nachgeht oder zum Beispiel Wohnraum vermietet. Die Steuer ist also ein ganz massiver, in ihren Auswirkungen strafähnlicher Eingriff in das Hab und Gut eines Menschen, weshalb in allen Kulturen (mit Ausnahme der Berliner Republik unserer Tage) die Begehrlichkeiten des Fiskus als wiewohl notwendige, so doch äußerst lästige Zumutungen gelten.
Wer Steuern hinterzieht, wendet lediglich einen Nachteil von seinem Eigentum ab, während sich der Plagiator eine Position verschafft, die ihm nur Vorteile bringt. Die Steuer ist eine von außen herangetragene Pflicht, während ein akademischer Titel aus freien Stücken angestrebt wird. Man könnte mit diesem faktischen Unterschied begründen, warum man das Steuerhinterziehen im Vergleich zum Plagiieren als moralisch weniger verwerflich betrachtet.
Andererseits bleibt festzuhalten, dass eine hinterzogene Steuer in der Staatskasse einfach fehlt, während sich bei einer abgekupferten Dissertation (oder auch Diplom-/Magister-/Masterarbeit) der Schaden nicht immer konkret messen lässt, weil er hypothetischer Natur ist: Der einzelne Konkurrent des Plagiators wird kaum nachweisen können, dass er (und nicht ein anderer redlicher Mitbewerber) eine bestimmte Stelle in der Wissenschaft oder der Praxis bekommen hätte, wenn der Abschreiber seinen Hut nicht in den Ring geworfen hätte. Und die Schummelei bei der Abschlussarbeit sagt in materieller Hinsicht ja noch nichts Negatives über die fachliche Befähigung ihres Urhebers aus, sodass dieser den Anforderungen seiner Aufgabe durchaus gewachsen sein kann.
Alle diese Überlegungen münden nun in die folgende Frage: Sind das Steuerhinterziehen und das Plagiieren bei universitären Abschlussarbeiten in moralischer Hinsicht gleich verwerflich?
Ich bitte die geschätzten Leserinnen und Leser von Zettels Raum, ihre begründeten Antworten in diesem Thread in Zettels kleinem Zimmer anzubringen oder von der dort näher erläuterten Möglichkeit des Einsendens einer Antwort per E-Mail Gebrauch zu machen.
Noricus
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