19. Januar 2012

Marginalie: Haussuchung bei Glaeseker. Wann ist eine Haussuchung zulässig? Nebst (wieder einmal) etwas zu Wulffs eklatanter Ungeschicklichkeit

Mehr als das, was alle Agenturen melden, scheint noch nicht bekannt zu sein; auch die in solchen Dingen stets wohlinformierte Hannoversche "Neue Presse" weiß offenbar noch nichts weiteres: Bei Bundespräsident Wulffs ehemaligem (bis zu seiner abrupten Entlassung am 22. Dezember 2011) Pressesprecher Olaf Glaeseker hat es heute eine Haussuchung gegeben; in privaten und geschäftlichen Räumen. Es geht um den Verdacht der Bestechlichkeit.

Wie sieht in einem solchen Fall die Rechtslage aus?

Eine Haussuchung ist (außer in dem eng begrenzten Fall von Gefahr im Verzuge) nur auf richterliche Anordnung hin erlaubt. Dabei muß der Richter durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses sicherstellen, dass dieser Eingriff in die Grundrechte - hier vor allem die Unverletzlichkeit der Wohnung - "messbar und kontrollierbar" bleibt. Der Betroffene muß, mit anderen Worten, nachvollziehbar und konkret in Kenntnis darüber gesetzt werden, warum bei ihm die Haussuchung durchgeführt wird.

Eine Haussuchung ist möglich, wenn gegen jemanden ein Anfangsverdacht besteht. Das ist die niedrigste Stufe des Verdachts; es folgen der Tatverdacht und der dringende Tatverdacht. Ein Anfangsverdacht besteht, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen.

Gibt es einen Anfangsverdacht, dann kann die Durchsuchung angeordnet werden, wenn zu vermuten ist, daß sie zur Auffindung von Beweismitteln führt.

Es kann sein, daß im jetzigen Fall die Durchsuchung ergeben wird, daß der Anfangsverdacht gegen Glaeseker sich nicht erhärtet; daß er also unschuldig ist. Dessen sollte man sich bei der Kommentierung bewußt sein.



In dem Bericht der Hannoverschen "Neuen Presse" heißt es, daß die jetzigen Vorwürfe in keinem "direkten" Zusammenhang mit dem stehen, was Wulff vorgeworfen wird. Indirekt aber doch:
Den Verdächtigen würden Bestechlichkeit beziehungs­weise Bestechung vorgeworfen, hieß es. Glaeseker soll demnach 2007 bis 2009 den von Manfred Schmidt organisierten Nord-Süd-Dialog, eine Veranstaltungs­reihe, "gefällig gefördert" haben. Im Gegenzug habe er mehrere unentgeltliche Urlaube verbracht.

Die Vorwürfe gegen Glaeseker stehen nicht direkt in Verbindung mit der Kredit- und Medienaffäre des Bundespräsidenten. Allerdings wurde auch Wulff mit dem umstrittenen Eventmanager Schmidt in Verbindung gebracht.
Wenn das so ist, dann haben wir es schon wieder mit einer eklatanten Ungeschicklichkeit von Wulff zu tun.

Am 22. Dezember hat der Chef des Präsidialamts, Lothar Hagebölling, Glaeseker von seinen Aufgaben entbunden. In seiner Erklärung dazu "bedauerte" Wulff ohne weitere Begründung, Glaeseker "entlassen zu müssen".

Wieso "müssen"? Und wieso ausgerechnet diesen engen Vertrauten, der schon sein Mitarbeiter war, als Wulff noch als Oppositionsführer im Landtag von Hannover saß? (Über das Verhältnis zwischen Wulff und Glaeseker berichtet in FAZ.NET inzwischen der zu solchen Themen stets bestens informierte Robert von Lucius Interessantes; auch, was den Einfluß Bettina Wulffs auf den Präsidenten angeht).

Damals, kurz vor Weihnachten, gab es Kopfschütteln und Rätselraten. Jetzt ist es also raus: Über Glaesekers Haupt schwebte das Damoklesschwert eines Anfangsverdachts der Bestechlichkeit.

Und wieder steht Wulff als einer da, der nicht die volle Wahrheit gesagt hat. Mag sein, daß er nicht befugt war, sich über den wahren Hintergrund zu äußern, oder daß er andere Gründe hatte, ihn zu verschweigen. Aber es hätte andere Wege geben können - etwa den Rücktritt Glaesekers mit Hinweis darauf, daß er den Ausgang der Ermittlungen gegen sich abwarten wolle; eine Suspendierung bis zur Klärung der Vorwürfe, oder was immer.

So, wie Wulff die Sache zu regeln versuchte, hat er eine Zeitbombe gelegt. Es mußte ihm doch am 22. Dezember klar sein, daß der Hintergrund seiner Entscheidung herauskommen würde.

Es ist quälend, es wird immer quälender. Wann endlich macht Wulff diesem unwürdigen Zustand ein Ende?­
Zettel



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