27. Februar 2011

Marginalie: Was in Frankreich schon reicht, damit eine Ministerin gehen muß. Michèle Alliot-Marie und der Guttenberg-Skandal

Die Affäre Guttenberg ist nicht mehr nur eine Affäre Guttenberg. Sie wird zunehmend eine Affäre Merkel.

Es ist unbegreiflich, wie die Kanzlerin an einem Minister festhalten kann, der vom Inhaber just jenes Lehrstuhls, an dem er promovierte, öffentlich ein Betrüger genannt wird (siehe "Für mich steht außer Frage, daß Herr Guttenberg ein Betrüger ist"; ZR vom 27. 2. 2011). Was muß denn noch passieren, bis ein Minister zurücktritt; oder, falls er auf seinem Stuhl hockt wie die Henne auf ihrem Nest, vom Bundespräsidenten entlassen wird? Auf Vorschlag der Kanzlerin; so, wie es das Grundgesetz vorsieht.



In Frankreich wird heute die Außenministerin Michèle Alliot-Marie sehr wahrscheinlich zurücktreten oder - nach anderen Quellen - im Rahmen einer Kabinettsumbildung ihr Amt verlieren. Für 20 Uhr hat Präsident Sarkozy eine Rede angekündigt. Als ihr wahrscheinlicher Nachfolger wird Alain Juppé gehandelt; derzeit Verteidigungsminister.

Alliot-Marie hat gewisse Ähnlichkeiten mit Guttenberg. Auch sie gilt als brillant und durchsetzungsstark. So, wie der Freiherr zu Guttenberg vom Wirtschafts- ins Verteidigungsministerium wechselte, ist sie eine Art Allzweckwaffe der gaullistischen Regierung. Sie hat schon fünf Ressorts vorgestanden: Erst dem Ministerium für Jugend und Sport, dann dem Verteidigungs-, dem Innen- und dem Justizministerium. Im vergangenen Jahr wurde sie als Nachfolgerin von Bernard Kouchner Außenministerin (siehe Der außerordentliche Außenminister Bernard Kouchner wird sehr wahrscheinlich zurücktreten; ZR vom 11. 10. 2010).

Warum tritt sie zurück oder wird sie abgelöst? Ihr wird im wesentlichen dies vorgeworfen:
  • Am 11. Januar, als in Tunesien Ben Ali noch an der Macht war und niemand mit einem Erfolg der Revolution rechnen konnte, sagte Alliot-Marie vor der Nationalversammlung:
    Nous proposons que le savoir-faire, reconnu dans le monde entier, de nos forces de sécurité, permette de régler des situations sécuritaires de ce type.

    Wir bieten an, daß die weltweit anerkannten Fähigkeiten unserer Sicherheitskräfte es erlauben, mit Sicherheits-Situationen dieser Art fertig zu werden.
    Frankreich hat bekanntlich immer wieder in Afrika interveniert, in zahlreichen Ländern. Das wurde kaum jemals beanstandet. Alliot-Marie hatte nur das Pech, daß Ben Ali floh und die Revolution siegte.

  • Zu ihrem Weihnachtsurlaub 2010 ist die Ministerin im Privatjet eines tunesischen Geschäftsmanns geflogen; von Aziz Miled, einem langjährigen Freund der Familie ihrer Eltern. Er flog ohnehin von Paris nach Tabarka in Tunesien, hatte in dem Flieger noch Plätze frei und lud die Ministerin und Familienangehörige ein, mitzufliegen. Azis Miled gilt als jemand, der gute Kontakte zu Ben Ali hatte.
  • Das ist alles. Dafür muß in Frankreich eine Ministerin gehen. Und in Deutschland darf ein Minister bleiben, der von jemandem, der Einblick hat, ein Betrüger genannt wird.

    Es ist beschämend. Mit ihrem Verhalten schadet die Kanzlerin nicht nur ihrer Regierung, sondern auch dem internationalen Ansehen Deutschlands.

    Was soll man denn von der politischen Kultur eines Landes halten, in dem ein Guttenberg in seinem Amt bleiben darf? Sind wir eine Bananenrepublik?



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