Posts mit dem Label Wahlen 2009 werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Wahlen 2009 werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

2. August 2009

Wahlen '09 (6): Steinmeiers Geistertruppe, Westerwelles Wankelmut, Merkels Schwachstellen

Acht Männer und zehn Frauen umfaßt das Schattenkabinett ("Kompetenzteam"), das Frank- Walter Steinmeier am Donnerstag der gar nicht sehr staunenden Welt präsentiert hat.

Rechnen wir ein wenig: Die SPD liegt in den Umfragen im Augenblick bei 23 bis 24 Prozent. Sie wird nach menschlichem Ermessen nach dem 27. September, wenn überhaupt, nicht allein regieren können, und auch nicht im Bündnis mit den Grünen. Wenn Steinmeier Kanzler werden will, dann wird er einen dritten Partner finden müssen; entweder die Liberalen oder die Kommunisten.

Zusammen werden diese beiden Partnerparteien mindestens ebenso viele Sitze im Kabinett erhalten wie die SPD. Gegenwärtig gibt es vierzehn Ressorts. Bleibt es dabei, dann stehen der SPD also maximal sieben zu.

Elf von jenen achtzehn, die sich jetzt Hoffnung darauf machen, Herr oder Frau Minister zu werden oder zu bleiben, werden also leer ausgehen.

Wollte ein Kanzler Steinmeier alle achtzehn Schattenleute ins Licht eines Ministeriums holen, dann müßte er schon sein Kabinett auf um die 35 Ressorts aufstocken. Das wird er wohl nicht tun können.

Also ist das, was er uns am Donnerstag vorgeführt hat, wenig mehr als eine Geistertruppe. Eine Riege der Hoffnungslosen. Leute, die wie von einer Laterna Magica kurz vor unsere Augen projiziert werden und dann wieder im Dunkel verschwinden. Gespenstisch. Passend freilich damit zu Steinmeiers geisterhaftem Versprechen, Deutschland in die Vollbeschäftigung zu führen.



Ach, wie war es doch vordem für Westerwelle so bequem.

Im ersten Quartal 2009 schien wahr zu werden, was der Herr des Guidomobils sich einst auf die Schuhsohlen hatte pinseln lassen. Am 5. März maß Infratest Dimap für die FDP 17 Prozent; bei Forsa lagen die Liberalen in drei aufeinanderfolgenden Umfragen (11., 18. und 25. Februar) gar bei 18 Prozent. Ähnlich oder nur wenig niedriger waren die Werte der anderen Institute.

Waren da plötzlich massenhaft deutsche Wähler zum Liberalismus bekehrt worden? Ach nein. Nur wurde damals in der CDU und in CDU- geführten Ressorts die Möglichkeit diskutiert, die Hypo Real Estate notfalls zu verstaatlichen. Viele CDU-Wähler sahen ihre Partei zu weit nach links gerückt und wechselten zur FDP. Anderes - etwa Ursula von der Leyens Vorstoß gegen die Freiheit des Internet - sorgte dafür, daß diese Stimmung eine gewisse Beständigkeit gewann.

Aber eben nur eine gewisse, wie sich inzwischen gezeigt hat. Denn längst ist der Höhenflug der FDP vorbei. Sie nähert sich wieder dem Wert leicht oberhalb von zehn Prozent, um den herum alle drei kleinen Parteien während der meisten Zeit der zu Ende gehenden Legislaturperiode pendelten. Nur die Kommunisten sind inzwischen deutlich abgerutscht.

Gegenwärtig liegt die FDP bei Forsa, Infratest Dimap und Allensbach nur noch einen Prozentpunkt vor den Grünen; lediglich Emnid und die Forschungsgruppe Wahlen geben ihr noch einen Vorsprung von drei oder vier Prozent.

Die FDP ist eben immer dann stark, wenn sie sich gegenüber der Union mit einem "ja, aber" profilieren kann. Das war schon in der ausgehenden Adenauer- Zeit so, als bei den Bundestagswahlen 1961 die Partei Erich Mendes mit dem Versprechen "Mit der CDU, aber ohne Adenauer" ihr in jenen Jahrzehnten mit Abstand bestes Ergebnis einfuhr.

Auch jetzt hätte die FDP mit einer analogen Wahlaussage vermutlich viele der Wähler, die ihr Anfang des Jahres zugewachsen waren, an sich binden können.

Guido Westerwelle hat in seiner ausgezeichneten Rede auf dem Dortmunder Parteitag die Gründe für eine solche Wahlaussage genannt: Die Notwendigkeit eines Bündnisses mit der Union ("Es geht darum, die Werte, die Deutschland groß gemacht haben, zu verteidigen. (...) Wir müssen dafür sorgen, dass die geistige Achse nicht weiter nach links verschoben wird"); zugleich aber auch die Notwendigkeit, in diesem Bündnis ein starkes liberales Korrektiv zu haben.

Auf dieser Grundlage hätte die FDP einen exzellenten, einen sehr wahrscheinlich erfolgreichen Wahlkampf führen können. Aber Guido Westerwelle entschied sich anders. Was er noch wenige Tage vor dem Parteitag angekündigt hatte - eine klare Absage an die Ampel -, das kam auf einmal in seiner Rede auf dem Parteitag nicht mehr vor. Westerwelle beugte sich denen in seiner Partei, die just diese Möglichkeit einer Ampel offenhalten wollten.

Jetzt rächt sich dieser Wankelmut. Warum sollte ein CDU- Wähler, dem die CDU zu weit nach links gerückt ist, die FDP wählen, wenn er damit rechnen muß, daß er mit seinem Kreuz auf dem Stimmzettel am Ende einen Kanzler Steinmeier gewählt hat? Dann doch lieber zähneknirschend CDU.

Auch ich stelle für meine Wahlentscheidung diese Überlegung an. Würde am nächsten Sonntag gewählt, dann bekäme diese nach links schielende FDP meine Stimme nicht.

Die FDP will eine Woche vor den Wahlen einen Bundesparteitag abhalten, auf dem sie sich vielleicht auf eine Koalition mit der Union festlegen wird. Nur haben sich dann die meisten Wähler ihrerseits schon festgelegt.

Viele werden sich nicht für eine Partei entscheiden, die monatelang herumeiert, bis sie sich vielleicht auf den letzten Metern doch noch zu einer eindeutigen Aussage durchringt. Welches ist, wird man sich fragen, die Halbwertzeit einer solchen im letzten Augenblick halbherzig getroffenen Festlegung? Warum nicht früher? Man kann es keinem Wähler verdenken, wenn er da skeptisch ist.



Im Augenblick scheint alles zugunsten der Union zu laufen. So sehr, daß sie - glaubt man dem, was Sebastian Fischer in "Spiegel- Online" schreibt - sich entschieden hat, erst einmal gar nichts zu tun und zuzusehen, wie die SPD sich abzappelt. Erst im September soll es mit dem Wahlkampf richtig losgehen.

Indessen liegt der Vorsprung von Schwarzgelb nach wie vor bei nur wenigen Prozentpunkten. Sowohl 2002 als auch 2005 stand das bürgerliche Lager Ende Juli besser da. Die Union wird also kämpfen müssen.

Dabei hat sie zwei Schwachstellen: Erstens verfügt sie zwar jetzt über einen präsentablen, ja einen beliebten Wirtschaftsminister; aber in der Finanzpolitik hat sie der Kompetenz von Peer Steinbrück nichts und niemanden entgegenzusetzen. Ausgerechnet auf diesem Feld, auf dem der SPD traditionell wenig zugetraut wird ("Die Genossen können nicht mit Geld umgehen"), läuft ihr derzeit die SPD den Rang ab.

Zweitens hat die Linksentwicklung der CDU ja nicht nur Liberale, sondern auch viele Konservative dieser Partei entfremdet. Während die FDP bereitsteht, die Liberalen aufzufangen, bleiben die Konservativen heimatlos; es sei denn, daß sie zu einer extremen Partei abdriften, wofür es aber zum Glück kaum Anzeichen gibt.

Die Antwort auf beide Probleme hat einen Namen: Friedrich Merz. Wäre er dazu zu bewegen, in die aktive Politik zurückzukehren, dann hätte die Union zugleich einen ausgezeichneten Finanzpolitiker und jemanden, der auch Konservative anspricht.

Ja, gewiß, das Verhältnis zwischen Merkel und Merz gilt als zerrüttet. Aber sowohl Merkel als auch Merz sind ja Profis genug, darüber hinwegzusehen. Sie sollten sich zusammenfinden können, wenn ein starkes gemeinsames Interesse das verlangt. Man muß einander ja nicht lieben.

Sehr wahrscheinlich wird es das aber nicht geben; vielleicht hat Merz in seiner Lebensplanung inzwischen auch längst die Weichen definitiv weg von der Politik gestellt. Zum Bundestag kandidiert er jedenfalls nicht mehr.

Aber ein wenig sinnieren wird man ja dürfen. Wäre Friedrich Merz wieder an Bord, dann könnte die Kanzlerin nicht nur getrost auf ein "Kompetenzteam" verzichten. Dann wäre, anders als jetzt, der Sieg von Schwarzgelb wirklich zum Greifen nah.



Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Der Reichstag. Vom Autor Norbert Aepli unter Creative Commons Attribution 2.5 - Lizenz freigegeben. Ausschnitt.

27. Juli 2009

Marginalie: Dienstwagen-Affäre? Ich sehe keine

Diesem Wahlkampf fehlt es bisher an Themen. Also holt die SPD das Thema AKW aus der Mottenkiste; nur kann sie mit diesem verstaubten Wullewatz niemanden mehr schrecken. Also stürzen sich jetzt Opposition und CDU gleichermaßen auf das, was sie gern zu einer "Dienstwagen- Affäre" machen würden.

Kommunisten und solche, die es einmal waren, scheinen allerdings eine Vorliebe für schnieke, schwere Limousinen zu haben; vielleicht ein kleines Stücklein vorweggenommenen Nomenklatura- Daseins.

Sarah Wagenknecht (früher SED, jetzt "Die Linke") ließ sich im Wahlkampf in einem Audi A8 mit Chauffeur durch die Lande fahren. Jürgen Trittin (früher Kommunistischer Bund, jetzt "Die Grünen") hatte als Minister einen Audi A8 sowie einen Volkswagen Phaeton als Dienstwagen zur Verfügung.

Und die Ministerin Ulla Schmidt (früher Kommunistischer Bund Westdeutschlands, jetzt SPD) benutzt, so ist es zu lesen, wohl einen Mercedes der S-Klasse als Dienstwagen; die Bezeichnung "Luxuslimousine" scheint da nicht verkehrt. Oder vielmehr: Sie benutzte ihn, bevor er abhanden kam und damit den jetzigen Trouble auslöste.

Es war übrigens ein Sondermodell, die gepanzerte Ausführung. Es könnte ja sein, daß erboste Ärzte ihn mit Mullbinden bewerfen.

Bisher gab es diesen Versuch wohl nicht. Aber erboste Ärzte, die offenbar nur auf eine Gelegenheit warteten, schlossen sich bereitwillig denen an, die jetzt unisono auf die Ministerin eindreschen. Der Präsident der "Freien Ärzteschaft", Martin Grauduszus, laut "Spiegel- Online": "Eine Ministerin, die nicht müde wird, auf angeblich korrupte Ärzte hinzuweisen, kann es sich keinesfalls erlauben, auch nur einen Hauch des Verdachts auf Missbrauch von Steuergeldern auf sich zu ziehen".

Peng! Da ist sie, die Retourkutsche. Und da sind die Äußerungen der Wahlkämpfer ringsum. Aber was ist Ulla Schmidt vorzuwerfen? Exakt nichts.

Es gelten die "Richtlinien der Bundesregierung gemäß § 52, Satz 2, Bundeshaushaltsordnung vom 2. Juli 1975 in der Fassung vom 14. Mai 1976". Danach werden Minister und Staatssekretäre als immer im Dienst betrachtet; sie haben "Dauerdispositionsbefugnis über ihr Dienstkraftfahrzeug".

Private Nutzung muß allerdings selbst bezahlt werden. Es gibt bisher keinen Hinweis darauf, daß Ulla Schmidt das unterlassen hätte. Mag sein, daß noch etwas herauskommt, das ihr vorgeworfen werden kann. Das, was bisher bekannt wurde, ist jedenfalls nicht vorwerfbar.

Nur heiße Luft, hineingepumpt in einen Wahlkampf, der bisher vor sich hin schlappt.



Nachtrag am 28.7., 10.30: Als ich den Artikel schrieb, lag eine Mitteilung des Ministeriums von Ulla Schmidt vor: "Bei privaten Fahrten wird das selbstverständlich gemäß den Bestimmungen auch privat abgerechnet". Darauf hatte ich mich mit der Aussage "Private Nutzung muß allerdings selbst bezahlt werden" bezogen.

Inzwischen haben Journalisten sich die einschlägigen Bestimmungen besorgt, und es stellte sich heraus, daß Bundesminister, anderes als ihre Beamten, für die private Nutzung ihrer Dienstfahrzeuge gar nichts zahlen. Sie müssen lediglich den geldwerten Vorteil versteuern.

Jetzt darf man gespannt sein, ob Ulla Schmidt Zahlungen leistet, die in den Bestimmungen gar nicht vorgesehen sind (wenn ja, wie wird das dann verbucht?), oder ob man in ihrem Ministerium die Bestimmungen über die Nutzung von Dienstfahrzeugen nicht kennt.



Für Kommentare bitte hier klicken.

10. Mai 2009

Zitat des Tages: "Weichenstellung im September". Ein bemerkenswertes Interview von Guido Westerwelle

Dieses Land aber erlebt im September eine Weichenstellung für die nächsten zwölf Jahre. Die Deutschen sind vor die Entscheidung gestellt: Gibt es noch eine strukturelle Mehrheit für eine bürgerliche Regierung oder geht der Linksrutsch weiter? Es geht um die Frage, ob die Mehrheit in Deutschland noch hinter unserer Grund- und Werteordnung einschließlich sozialer Marktwirtschaft steht. (...)

Das Programm von SPD und Grünen unterscheidet sich, von einigen sprachästhetischen Unterschieden abgesehen, nur noch in zwei Punkten von dem der Linken: Auslandseinsätze und Lafontaine. Sonst sind sie praktisch inhaltsgleich. Deshalb wird es keine Ampel geben.


Guido Westerwelle in einem Interview mit T. Jungholt und A. Posener in "Welt- Online".

Kommentar: Klare Worte, erfreulich klare Worte. Sind es schon die Worte, auf die ich im Februar gehofft hatte? Wird die FDP wirklich den Avancen der Grünen und den nicht minder eindeutigen Avancen der SPD endgültig widerstehen, also auf dem Parteitag in Hannover am kommenden Wochenende bindend beschließen, daß sie nicht in eine Regierung Steinmeier eintreten wird?

In dem Interview verweist Westerwelle zu Recht darauf, daß er auch von der CDU eine klare Koalitionsaussage erwartet. Allerdings wäre es aus meiner Sicht unrealistisch, von der CDU die Absage an eine Große Koalition zu erwarten. Auch Westerwelle räumt das ein, wenn er in dem Interview sagt: "Wenn es keine bürgerliche Mehrheit gibt, bekommen wir ein Linksbündnis – vielleicht mit der Schamfrist von einem weiteren Jahr großer Koalition".

In der Tat ist es ja etwas anderes, ob, falls Schwarzgelb die Mehrheit verfehlt, die FDP in eine Ampel einsteigt, oder ob die CDU noch einmal in eine Große Koalition geht. Sie wird dort, nach Lage der Dinge, anders als jetzt eine deutliche Mehrheit haben; hoffentlich damit auch eine Kanzlerin, die endlich von ihrer Richtlinien- Kompetenz Gebrauch macht.

In einer Ampel hingegen wäre die FDP von zwei sozialistischen Parteien majorisiert; was die "Grünen" an diesem Wochenende als "neuen grünen Gesellschaftsvertrag" beschlossen haben, ist mit "gelenkte Wirtschaft" noch freundlich umschrieben. Es ist die Absage an die Marktwirtschaft.

Warten wir also noch eine Woche ab. Falls der Parteitag der FDP wirklich die Ampel ausschließt, würde ich mich sehr freuen, mit meiner bisherigen Skepsis Unrecht gehabt zu haben.



Es gibt noch eine andere bemerkenswerte Passage in dem Interview:
Westerwelle: (...) Wenn der normale Bürger mit seinem Auto für fünf Minuten falsch parkt, hat er sofort ein Ticket. Aber wenn kriminelles Pack ein paar Ecken weiter Autos anzündet, dann entscheidet sich der Innensenator der rot- roten Regierung für eine Höflichkeitsstrategie, nach dem Motto: Man darf diese armen, erregten Männer nicht noch mehr reizen. Statt diese Kriminellen festzunehmen, werden Wasserwerfer abgezogen. Das legt die Axt an die Wurzel des Rechtsstaates.

Welt am Sonntag: Ein Liberaler als Law- and- Order- Mann?

Westerwelle: Nein, es geht um Law and Liberty. Ich bin fassungslos, an was wir uns gewöhnen. Da erzählen uns Pappnasen von links, diese kriminellen Steinewerfer seien Teil einer sozialen Aufstandsbewegung. Unsinn! Für mich ist das Appeasement gegenüber den Feinden einer zivilisierten Demokratie der Mitte. Das alarmiert uns als Bürgerrechtspartei.
Goldene Worte. Liberalität hat nach meinem Verständnis nichts mit Nachsicht gegenüber Kriminellen zu tun; im Gegenteil ist Freiheit nur in dem Maß möglich, in dem der gesetzestreue Bürger vom Staat gegen Kriminelle geschüzt wird.

Daß Guido Westerwelle das so klar ausgesprochen hat, hat mich sehr gefreut. Es läßt vermuten, daß die FDP im Wahlkampf auch liberalkonservative Wähler ansprechen will.



Für Kommentare bitte hier klicken.