2. Februar 2019

War auch wieder falsch.

Das Ritual ist inzwischen reichlich eingefahren, auch wenn es in Details schon einmal variiert wird:

Der Sozialismus/Kommunismus wird irgendwo mit großen Pauken und Trompeten eingeführt. Die vereinigte Linke ist sich einig, dass jetzt endlich(!) für das betreffende Volk die große Zeit der Freiheit und wirtschaftlichen Verbesserung eintritt, man sammelt Grußadressen, bejubelt die großen "Helden" der Freiheit und ist ganz außer sich vor Freude, wenn alle Verbindung zu vermeintlich "imperialistischen" Systemen umgehend gekappt werden. Demonstrationen werden im ganzen Landes abgehalten, um sich und der Welt so richtig zu beweisen das jetzt die Zeit des Glücks anfangen hat.

Diese Phase der totalen Euphorie dauert dann so ungefähr zwischen zwei und fünf Jahren. Dann wirds etwas ruhiger. Gut, der Kommunismus muss ja auch erst zur Blüte geführt werden und ganz so schnell wird man ja die alten Muster nicht los. Die Wirtschaft zeigt erste Auflösungserscheinungen, den Sozialisten geht das Geld der anderen aus und die Begeisterung reduziert sich mehr und mehr auf diejenigen, die ja schon immer der Meinung waren, dass Kommunismus das Weltallheilmittel ist. 

Auf die Ernüchterung folgt dann der Niedergang. Die Wirtschaftsdaten brechen massiv ein, der Druck von oben wird größer und zur Ernüchterung gesellt sich Frustration. Es werden Sündenböcke gesucht, entweder im Ausland ("böse imperialistische Mächte") oder im Inland ("Konterrevolutionäre", "Agenten der Imperialisten", "Kapitalisten", etc.). Das Regime wird autoritärer und reagiert zunehmend repressiv auf Unzufriedenheit. Demokratische Elemente gehen zunehmend verloren, freie Berichterstattung wird verboten, eine eventuell noch vorhandene Opposition wird kalt gestellt. Am Ende der Kette steht ausnahmslos Gewalt. Gewalt gegen alles was nicht mehr mitmachen will, aber auch Gewalt gegen diejenigen, die einfach nur artikulieren, dass es ihnen zunehmend schlechter geht. Vorhandene Reisefreiheiten werden aufgehoben, die private Autonomie eingeschränkt und eventuell noch vorhandenes Privatkapital hemmungslos umverteilt oder geraubt. Auch die sichtbare Nomunklatura verliert zunehmend ihre Hemmungen und verhält sich zunehemend diktatorisch. Sie fängt an Geld beiseite zu schaffen und bereitet sich im Stillen auf den eigenen Machtverlust vor. Die Grußadressen der Sozialisten aus anderen, vor allem freien Ländern, werden seltener. 

Wenn der Niedergang nicht mehr aufzuhalten und offenkundig wird, mutiert das System endgültig zur gewalttätigen Diktatur. Der Nomunklatura geht es nicht mehr darum ein vermeintlich überlegendes System zu etablieren, sondern nur noch um die Erhaltung der persönliche Machtposition, bzw. vor allem auch darum nicht für das zur Rechenschaft gezogen zu werden, was die letzten Jahre zunehmend geschehen ist. Diese Entwicklung findet ein Spiegelbild in den westlichen Demokratien. Die Salonsozialisten westlicher Prägung wollen mit dem System nichts mehr zu tun haben. Sie distanzieren sich von "den Diktatoren", waren eigentlich schon immer Gegner von eben jenem und suchen die Schuld bei den bösen Imperialisten, die vorgeblich diese Diktatoren installiert haben.

Dann kommt (oftmals, nicht immer) der Zusammenbruch. Die sozialistischen Diktatoren werden entmachtet, sterben oder fliehen. Einigen gelingt es, mit der Androhung andernfalls das ganze Land im Blut zu ertränken, Amnestien für sich und ihre Mannen zu erreichen. Andere entkommen ins Ausland und schlüpfen bei anderen Autokraten unter. Die Länder liegen am Boden und haben einen langen, langen Weg vor sich, wieder den Standard zu etablieren, den sie hatten, bevor die Sozialisten die Macht eroberten. 

So alt, so langweilig. Diesmal trifft es Venezuela. Doch halt! Stimmt das denn auch? Als Chavez 1998 an die Macht kam lag das BIP von Venezuela bei roundabout 120 Milliarden US$. Und 2010, also 12 Jahre später lag es bei fast 300 Milliarden Dollar. Ist das nicht gerade ein Beleg für den Erfolg der Sozialisten? Nein, leider ganz und gar nicht. Der Grund für den massiven Anstieg liegt viel simpler. War der Ölpreis 1998 noch bei um die 25 Euro pro Barrel, lag er 2010 bei über 80 Dollar, also gut dem Dreifachen. Wenn man bedenkt, dass die Wirtschaft Venezuelas fast ausschließlich auf Öl aufgebaut ist (was unter Chavez noch massiv verstärkt wurde), dann sind die Zahlen naheliegend. Der Ölpreis "maskierte" lange die darunter liegende Misswirtschaft. Die Herstellungskosten für das Öl stiegen unter dem Ölpreis massiv an (und werden auch von keinem BIP erfasst), es reichte noch um Gewinne zu machen, aber die 55 Euro "zusätzlicher" Preis pro Barrel wurden eben nicht vereinnahmt sondern weit weniger. Das Geld wurde verfrühstückt und verschleudert, die Abhängigkeit von Importen massiv verstärkt. Das dumme war nur: Der Ölpreis blieb eben nicht bei jenen 80 Dollar (oder gar über 100 Dollar im Jahr 2011), er sank 2016 auf unter 50 Dollar. Und plötzlich konnte man nichts mehr verdienen, denn die Misswirtschaft hatte die Wettbewerbsfähigkeit so weit ruiniert, dass sie damit nicht mehr arbeiten konnte.Trotz einer Geldflut war keine reguläre Industrie im Sozialismus entstanden und man war massiv von Importen abhängig, die man aber auch bezahlen musste. In der Folge traten massive Einnahmeverluste und damit Zahlprobleme ans Ausland ein. Und das Schicksal nahm seinen Lauf. Konnte man Öl in Venzuela im Jahr 1998 noch für 25 Euro mit Gewinn produzieren, gelang das im Jahr 2016 beim doppelten Preis schon nicht mehr. 
Heute herscht in Venezuela zunehmender Hunger. Das Land mit dem größten Erdölreserven der Welt hungert im sprichwörtlichen Sinne. Und das in einer Zeit wo das Öl deutlich mehr wert ist als vor 20 Jahren, als noch nicht gehungert wurde.

Wir erleben derzeit (mal wieder) die vorletzte Phase einer sozialistischen "Periode", der Zusammenbruch ist kaum mehr zu verhindern und Maduro versucht irgendwie lebend aus der Nummer raus zu kommen (es ist nahe liegend dass er es versucht, er möchte auch nicht am nächsten Baum enden). Ich neige zu der Vermutung er wird demnächst das Land verlassen (vielleicht Richtung Russland?) und dann wird Venezuela erst einmal ein paar Monate (oder Jahre) in einem geordneten Chaos versinken mit der Hoffnung da irgendwie wieder raus zu finden. 

Vorletzte Phase? Ja. Vorletzte Phase. Die letzte Phase ist dann die der Verklärung. Das geht natürlich derzeit nur begrenzt, zumal Maduro ja immer noch den sozialistischen Geist beschwört und sich vielleicht noch zu viele daran erinnern, wer ihn alles noch vor wenigen Jahren gelobt hat. Aber das kommt dann auch in wenigen Jahren: Das war ja kein Sozialismus. Das war ja Gewalt (und links und Gewalt schliesst sich ja bekanntlich durch die Erkenntnis von Sankt Martin aus). Und schuld sind eigentlich die Imperialisten. War halt auch wieder falsch. Jada. Jada. Jada. Auch das ist nicht neu.

Und wenn der nächste Strahlemann kommt und den Sozialismus auf die Erde bringt, beginnt das ganze Spiel von vorn. Irgendwie passt das Honnecker Zitat hervorragend dazu: Den Sozialismus in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf. Na hallamarsch!


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Llarian

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