Teil 2: Mit dem Feuer Zündeln: wirklich problematische Aussagen
2.1 Übergang vom Völkischen zum Faschismus
Höckes Buch ist ja insgesamt recht lang. Irgendwann bin ich
das erste Mal über eine Formulierung gestolpert, deren Kontext ich tatsächlich
problematisch finde:
Höcke: "Man
könnte noch ein paar weitere hinzufügen, wie Schutz und Pflege von Landschaft,
Ökologie und Kultur, eine ausgewogene Sozialstruktur. In der Summe geht es um
das »gute Leben« des Volkes. Allerdings nicht hedonistisch-materialistisch
verstanden, sondern als »eudaimonía« im antiken Sinne – als sinnvolles,
sittlich-tugendhaftes Leben."
Ich bin absolut zu hundert Prozent gegen jede Ideologie in
der Politik. Egal, ob die Ideologie als "Religion" verpackt wird oder
als "Ismus". Und diese letzte Formulierung stinkt nach Ideologie. Ein
sinnvolles, sittlich-tugendhaftes Leben des Volkes? Das ist eine heftige
Formulierung. Und dass ähnlich radikaler Unsinn auch aus der Ecke von
Linksradikalen zu hören ist (zB im "Kampf gegen den Klimawandel")
oder aus der Ecke des Islams macht es eher schlimmer als besser. Vor zwei
Generationen hätte man solche Sprüche auch von der christlichen Kirche hören
können. Aber ich hatte so gehofft, dass wir das in Deutschland überwunden
haben.
Und dann bringt Höcke noch diese Aussage:
Hennig: Läßt sich
denn im Umkehrschluß ableiten, daß Sie eine Lanze für den Faschismus brechen? Höcke:
"Ganz und gar nicht, der Faschismus ist eine geschichtlich und räumlich
begrenzte Erscheinung gewesen und könnte heute in Deutschland nur als bizarrer
Fremdkörper existieren."
Ich zitiere in diesem Artikel so ausführlich, damit der
Leser sich eine eigene Meinung bilden kann. Aber eine glaubwürdige Ablehnung
des Faschismus klingt für mich anders. Und weiter sagt Höcke:
Hennig: Aber
schwirrt nicht gerade in manchen rechten Zirkeln die Idee herum, den Faschismus
als »weichere« Variante gegenüber der harten, rassistischen NS-Ideologie neu zu
etablieren? Höcke: "Davon halte ich nichts. Man wird wohl kaum seine
historische Wirkkraft und seine ernsthaften Versuche, die liberalistischen
Krisen Anfang des 20. Jahrhunderts zu überwinden, bestreiten können. Eine »Casa
Pound-Bewegung« wie in Italien, auf die Sie anspielen, brauchen wir Deutschen
aber nicht: wir haben Preußen als positives Leitbild."
Das kann man meiner Meinung nach nicht mehr schön reden:
Höcke zeigt hier Sympathie für den italienischen Faschismus. Faschismus als
berechtigte Gegenreaktion auf den Liberalismus? So sieht Höcke das? Ich bin mir
nicht sicher, ob das allein schon eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz
rechtfertigt. Aber politisch kann und sollte man solche Denkweisen auf jeden
Fall bekämpfen. (Rechts wie auch Links, selbstverständlich. Ein
menschenfeindlicher, dummer Ismus wird nicht besser, weil das Etikett
"Links" drauf klebt.)
Doch damit ist die Rezension nicht vollständig. Denn ein
komplettes Kapitel von Höckes Buch ist überschrieben mit "VOLKSOPPOSITION
GEGEN DAS ESTABLISHMENT".
Was kann man in so einem Kapitel wohl erwarten?
Ich betone: viele der Probleme, mit denen Deutschland zu
kämpfen hat, benennt Höcke aus meiner Sicht durchaus korrekt. Oder zumindest
handelt es sich um Themen, über die auch andere engagiert streiten. Hat Merkel
einen Rechtsbruch begangen - oder hat sie lediglich absurd dumm gehandelt, als
sie ihren gesetzlichen Gestaltungsspielraum ausnützte und so die komplette
deutsche Gesellschaft in Geiselhaft nahm? Was bedeutet die Islamisierung
Deutschlands für unser Zusammenleben? Welche Konsequenzen hat es, dass die
bisherige deutsche Bevölkerung (die den größten Teil der Kulturdeutschen
ausmachen) kaum noch Kinder bekommen? Energiewende? Was ist mit dem aktuell
spürbaren Übergang von überfälliger Gleichberechtigung zur Hyperventilation bei
Gender-Themen? Der zunehmende Zerfall gemeinsamer Werte und Ziele in
Deutschland?
All diese Probleme werden nicht plötzlich zum Vorteil, nur
weil AUCH ein Höcke mit dem Finger darauf zeigt:
Höcke: "Genau,
und diesem zunehmenden Widerstand setzt die politische Klasse nun ihre
moralischen Overkill-Kapazitäten entgegen, indem sie alle mit der aktuellen
»Flüchtlingskrise« zusammenhängenden Vorgänge auf menschliche Einzelschicksale
reduziert. Damit soll die ganze Problematik entpolitisiert und auf eine rein
humanitäre Dimension beschränkt werden. Folgerichtig darf es dann auch nur noch
rein gesinnungsethische Lösungen geben, ..."
2.2 Postulat eines „Machtwechsels“
Im weiteren Verlauf bringt Höcke dann folgende Aussagen:
Höcke:
"Angesichts der unhaltbaren Zustände in unserem Land und des
Totalversagens der politischen Klasse kann Realpolitik nur auf fundamentaler
Kritik des Bestehenden beruhen. Wer von Volksverächtern die Rettung des Volkes
erwartet, ist ein hoffnungsloser Naivling. ... Jedwede Überlegung über ein
Zusammengehen oder Koalieren mit Teilen des politischen Establishments setzt
deren Läuterung und prinzipielle Neujustierung voraus. "
Höcke: "Ein
verantwortungsvoller Politiker darf sich bei aller Bürgernähe nicht von den
schwankenden Stimmungen des Volkes abhängig machen, zumal diese manipuliert
sein können. Auch bei einer wiederhergestellten inneren Einheit muß er ein
Sensorium für die »volonté generale« besitzen und notfalls auch gegen die
aktuellen öffentlichen Befindlichkeiten und für das Volk die richtigen
Entscheidungen treffen – also nicht selbstherrlich-autokratisch, sondern im
dienenden Sinne. ... "
Hennig: Es wird aber
auch in Ihrer Partei vor einem Abgleiten in »extremistische Positionen«
gewarnt. Höcke: "Ich verstehe ja noch, daß das Establishment aus rein
taktischen Erwägungen zu solchen Totschlagwörtern greift, aber nicht, wenn ein
grundlegender Reformwille in den eigenen Reihen als gefährlich und
extremismusverdächtig eingestuft wird. Wir brauchen in der existentiellen Krise
keine falsche konservative Loyalität zu Institutionen, die die Zukunft unseres
Volkes gefährden, sondern selbstbewußten, renitenten Bürgermut und einen
kämpferischen Nonkonformismus, der heute wie gesagt in allen politischen Lagern
zu finden ist."
Höcke: "Das von
Schmitt geforderte »Interventionsverbot raumfremder Mächte« zum Beispiel ist
hochaktuell, müßte allerdings nach den schlechten Erfahrungen der Vergangenheit
um das »Investitionsverbot raumfremden Kapitals« und das »Migrationsverbot
raumfremder Bevölkerungen« ergänzt werden. "
Hennig: Aber ist ein
Volk überhaupt in der Lage, sich selbst aus dem Sumpf wieder herausziehen? Höcke:
"Machiavelli bestritt das ja vehement. Er ging von einem »Uomo virtuoso«
aus, der nur als alleiniger Inhaber der Staatsmacht ein zerrüttetes Gemeinwesen
wieder in Ordnung bringen könne. Aber auch für eine plurale Führung wäre eine
enge Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem Volk unabdingbar."
Das sind blos einige Zitate von Höcke. Ich habe mit maximal
neutraler Haltung versucht, Höckes Buch zu beurteilen und repräsentative,
jeweils sinnhaft vollständige Zitate gewählt. Auf Basis dieser Zitate kann man
ein Urteil fällen.
Frank2000
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