10. Februar 2019

Höcke: Ein Fall für den Verfassungsschutz? - Teil 2

Teil 2: Mit dem Feuer Zündeln: wirklich problematische Aussagen

2.1 Übergang vom Völkischen zum Faschismus

Höckes Buch ist ja insgesamt recht lang. Irgendwann bin ich das erste Mal über eine Formulierung gestolpert, deren Kontext ich tatsächlich problematisch finde:

Höcke: "Man könnte noch ein paar weitere hinzufügen, wie Schutz und Pflege von Landschaft, Ökologie und Kultur, eine ausgewogene Sozialstruktur. In der Summe geht es um das »gute Leben« des Volkes. Allerdings nicht hedonistisch-materialistisch verstanden, sondern als »eudaimonía« im antiken Sinne – als sinnvolles, sittlich-tugendhaftes Leben."


Ich bin absolut zu hundert Prozent gegen jede Ideologie in der Politik. Egal, ob die Ideologie als "Religion" verpackt wird oder als "Ismus". Und diese letzte Formulierung stinkt nach Ideologie. Ein sinnvolles, sittlich-tugendhaftes Leben des Volkes? Das ist eine heftige Formulierung. Und dass ähnlich radikaler Unsinn auch aus der Ecke von Linksradikalen zu hören ist (zB im "Kampf gegen den Klimawandel") oder aus der Ecke des Islams macht es eher schlimmer als besser. Vor zwei Generationen hätte man solche Sprüche auch von der christlichen Kirche hören können. Aber ich hatte so gehofft, dass wir das in Deutschland überwunden haben.
Und dann bringt Höcke noch diese Aussage:

Hennig: Läßt sich denn im Umkehrschluß ableiten, daß Sie eine Lanze für den Faschismus brechen? Höcke: "Ganz und gar nicht, der Faschismus ist eine geschichtlich und räumlich begrenzte Erscheinung gewesen und könnte heute in Deutschland nur als bizarrer Fremdkörper existieren." 

Ich zitiere in diesem Artikel so ausführlich, damit der Leser sich eine eigene Meinung bilden kann. Aber eine glaubwürdige Ablehnung des Faschismus klingt für mich anders. Und weiter sagt Höcke:

Hennig: Aber schwirrt nicht gerade in manchen rechten Zirkeln die Idee herum, den Faschismus als »weichere« Variante gegenüber der harten, rassistischen NS-Ideologie neu zu etablieren? Höcke: "Davon halte ich nichts. Man wird wohl kaum seine historische Wirkkraft und seine ernsthaften Versuche, die liberalistischen Krisen Anfang des 20. Jahrhunderts zu überwinden, bestreiten können. Eine »Casa Pound-Bewegung« wie in Italien, auf die Sie anspielen, brauchen wir Deutschen aber nicht: wir haben Preußen als positives Leitbild." 

Das kann man meiner Meinung nach nicht mehr schön reden: Höcke zeigt hier Sympathie für den italienischen Faschismus. Faschismus als berechtigte Gegenreaktion auf den Liberalismus? So sieht Höcke das? Ich bin mir nicht sicher, ob das allein schon eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz rechtfertigt. Aber politisch kann und sollte man solche Denkweisen auf jeden Fall bekämpfen. (Rechts wie auch Links, selbstverständlich. Ein menschenfeindlicher, dummer Ismus wird nicht besser, weil das Etikett "Links" drauf klebt.)

Doch damit ist die Rezension nicht vollständig. Denn ein komplettes Kapitel von Höckes Buch ist überschrieben mit "VOLKSOPPOSITION GEGEN DAS ESTABLISHMENT".
Was kann man in so einem Kapitel wohl erwarten?

Ich betone: viele der Probleme, mit denen Deutschland zu kämpfen hat, benennt Höcke aus meiner Sicht durchaus korrekt. Oder zumindest handelt es sich um Themen, über die auch andere engagiert streiten. Hat Merkel einen Rechtsbruch begangen - oder hat sie lediglich absurd dumm gehandelt, als sie ihren gesetzlichen Gestaltungsspielraum ausnützte und so die komplette deutsche Gesellschaft in Geiselhaft nahm? Was bedeutet die Islamisierung Deutschlands für unser Zusammenleben? Welche Konsequenzen hat es, dass die bisherige deutsche Bevölkerung (die den größten Teil der Kulturdeutschen ausmachen) kaum noch Kinder bekommen? Energiewende? Was ist mit dem aktuell spürbaren Übergang von überfälliger Gleichberechtigung zur Hyperventilation bei Gender-Themen? Der zunehmende Zerfall gemeinsamer Werte und Ziele in Deutschland?
All diese Probleme werden nicht plötzlich zum Vorteil, nur weil AUCH ein Höcke mit dem Finger darauf zeigt:

Höcke: "Genau, und diesem zunehmenden Widerstand setzt die politische Klasse nun ihre moralischen Overkill-Kapazitäten entgegen, indem sie alle mit der aktuellen »Flüchtlingskrise« zusammenhängenden Vorgänge auf menschliche Einzelschicksale reduziert. Damit soll die ganze Problematik entpolitisiert und auf eine rein humanitäre Dimension beschränkt werden. Folgerichtig darf es dann auch nur noch rein gesinnungsethische Lösungen geben, ..."

2.2 Postulat eines „Machtwechsels“

Im weiteren Verlauf bringt Höcke dann folgende Aussagen:

Höcke: "Angesichts der unhaltbaren Zustände in unserem Land und des Totalversagens der politischen Klasse kann Realpolitik nur auf fundamentaler Kritik des Bestehenden beruhen. Wer von Volksverächtern die Rettung des Volkes erwartet, ist ein hoffnungsloser Naivling. ... Jedwede Überlegung über ein Zusammengehen oder Koalieren mit Teilen des politischen Establishments setzt deren Läuterung und prinzipielle Neujustierung voraus. "

Höcke: "Ein verantwortungsvoller Politiker darf sich bei aller Bürgernähe nicht von den schwankenden Stimmungen des Volkes abhängig machen, zumal diese manipuliert sein können. Auch bei einer wiederhergestellten inneren Einheit muß er ein Sensorium für die »volonté generale« besitzen und notfalls auch gegen die aktuellen öffentlichen Befindlichkeiten und für das Volk die richtigen Entscheidungen treffen – also nicht selbstherrlich-autokratisch, sondern im dienenden Sinne. ... "

Hennig: Es wird aber auch in Ihrer Partei vor einem Abgleiten in »extremistische Positionen« gewarnt. Höcke: "Ich verstehe ja noch, daß das Establishment aus rein taktischen Erwägungen zu solchen Totschlagwörtern greift, aber nicht, wenn ein grundlegender Reformwille in den eigenen Reihen als gefährlich und extremismusverdächtig eingestuft wird. Wir brauchen in der existentiellen Krise keine falsche konservative Loyalität zu Institutionen, die die Zukunft unseres Volkes gefährden, sondern selbstbewußten, renitenten Bürgermut und einen kämpferischen Nonkonformismus, der heute wie gesagt in allen politischen Lagern zu finden ist."

Höcke: "Das von Schmitt geforderte »Interventionsverbot raumfremder Mächte« zum Beispiel ist hochaktuell, müßte allerdings nach den schlechten Erfahrungen der Vergangenheit um das »Investitionsverbot raumfremden Kapitals« und das »Migrationsverbot raumfremder Bevölkerungen« ergänzt werden. "

Hennig: Aber ist ein Volk überhaupt in der Lage, sich selbst aus dem Sumpf wieder herausziehen? Höcke: "Machiavelli bestritt das ja vehement. Er ging von einem »Uomo virtuoso« aus, der nur als alleiniger Inhaber der Staatsmacht ein zerrüttetes Gemeinwesen wieder in Ordnung bringen könne. Aber auch für eine plurale Führung wäre eine enge Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem Volk unabdingbar."

Das sind blos einige Zitate von Höcke. Ich habe mit maximal neutraler Haltung versucht, Höckes Buch zu beurteilen und repräsentative, jeweils sinnhaft vollständige Zitate gewählt. Auf Basis dieser Zitate kann man ein Urteil fällen.


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Frank2000

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