5. Februar 2019

Thema verfehlt

Die SPD hat schon länger das Problem, daß sie ihre Stammwähler nicht mehr zufrieden stellen kann und diese enttäuscht abwandern. Diese Stammwähler wären an mehr Wohnungsbau interessiert, an niedrigeren Strom- und Benzinpreisen, sie wollen weiter mit ihrem Diesel zur Arbeit fahren können und etwas mehr Netto im Geldbeutel würden sie auch gerne nehmen. Aber das sind alles keine Themen, bei der die SPD in der Bundesregierung echte Aktivitäten entwickeln würde.

Stattdessen versucht sich noch "sozialer" zu werden. Was im Zweifelsfall bedeutet, daß sie die Forderungen irgendwelcher Lobbyverbände oder der SED-Konkurrenz erfüllt - unabhängig davon, welche Folgen das hat.

Konkret bastelt Minister Heil derzeit an einer "Respekt-Rente". Die vor allem kompliziert und teuer ist - und zu sehr merkwürdigen und ungerechten Effekten führt.
Was genau ist eigentlich das Problem, das er beseitigen will?

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Von den 17,5 Millionen Ruheständlern in Deutschland bezieht derzeit eine halbe Million Grundsicherung, im Prinzip ist das eine Sozialhilfe ohne weitere Auflagen. Das sind letztlich gar nicht so viele Menschen, die Quote der Hilfebezieher in der aktiven Bevölkerung liegt deutlich höher.
Die Zahl der Grundrente-Bezieher ist auch die einzige verläßliche Größe wenn es um die angebliche "Altersarmut" geht, denn nur bei diesen Leuten wird wirklich geprüft, ob sie hilfsbedürftig sind. Ansonsten gibt es nur dubiose Prognosen diverser Lobby-Organisationen aus der Sozialbranche, die immer einen Grundfehler haben: Sie betrachten ausschließlich die Ansprüche der Betroffenen an die staatliche Rentenversicherung, ignorieren also alle übrigen Einkommensarten und Vermögen. Diese Prognosen sind also de facto völlig unbrauchbar.

Ein Problem sehen Heil und Genossen nun bei einer sehr kleinen Gruppe von Grundsicherungsbeziehern. Nämlich denen, die 35 Jahre gearbeitet haben, aber dennoch nur einen Rentenanspruch unterhalb der Grundrente haben. Wieviele das wirklich sind, habe ich nirgends gefunden - vielleicht weiß das Ministerium das selber nicht. Es ist aber eigentlich seltsam, hier ein Gerechtigkeitsproblem zu behaupten.

Wir haben ja zwei verschiedene Sozialsysteme, mit denen der Staat für alte Leute sorgt.
Einmal die staatliche Rente. Da bekommt man Leistungen genau in Proportion zu den Einzahlungen, die man während seines Erwerbslebens geleistet hat. Insbesondere wird genau berücksichtigt, wieviele Jahre jemand gearbeitet hat. Das ist gerecht.
Und dann haben wir eben die Grundsicherung. Die prüft die Bedürftigkeit - und wer zu wenig hat, dem wird entsprechend geholfen. Das ist auch gerecht.

Die beiden Systeme (beide maßgeblich von der SPD mitgestaltet) sind also aus verschiedenen Perspektiven heraus gestaltet, aber beide logisch und gerecht. Es ist eigentlich schwer nachzuvollziehen warum es plötzlich ungerecht werden soll, wenn jemand aus beiden Systemen Leistungen bezieht.

Nun will die SPD plötzlich ein drittes System einführen, das wieder einer ganz anderen Logik folgt. Und das in sich überhaupt nicht gerecht ist: Wer die völlig willkürlich gesetzten 35 Jahre erfüllt, bekommt einen ordentlichen Zuschuß, wer nur einen Tag darunter bleibt, dessen Lebensleistung wird überhaupt nicht "respektiert" - wie im SPD-Jargon diese zusätzlichen Zahlungen heißen.

Genau die Einführung einer dritten Logik, die zu keinem der beiden bestehenden Systeme kompatibel ist, führt zu den grotesken Einzelbeispielen wie oben vom Spiegel vorgerechnet. Die "Respekt-Rente" schafft massive Ungerechtigkeit.

Dabei wäre die Lösung so einfach und naheliegend: Bei der Riester-Rente ist bereits vorgesehen, daß diese nur teilweise auf die Grundsicherung angerechnet wird. Wer "riestert", bekommt also immer etwas mehr als jemand, der nur Grundsicherung bezieht.
Es wäre überhaupt kein Problem und ohne jeden bürokratischen Aufwand machbar, auch die normale staatliche Rente nur teilweise anzurechnen und damit einen gewissen Bonus gegenüber der schlichten Grundsicherung zu ermöglichen. Das wäre auch transparent, gerecht und würde nur zu wenig Mehrkosten führen.

Aber das will die SPD offenbar nicht. Das wäre wohl zu schlicht, um als "große Reform" Propagandatauglich zu sein. Also lieber eine Variante, die bestimmt keinen Wähler überzeugen wird.

R.A.

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