11. Juni 2018

The boy who cried Nazi

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Nahezu jeder kennt die Geschichte vom Hirtenjungen und dem Wolf, eine uralte Fabel, die noch auf Äsop vor mehr als 2500 Jahren zurückgeführt werden kann. Die Geschichte wird seit eben jener Zeit in tausenden von Abwandlungen erzählt, doch im Wesentlichen ist die Moral immer die selbe: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er die Wahrheit spricht. Es ist eine gute Geschichte für Kinder, wenn man ihnen erklärt, warum Lügen allenfalls einen kurzfristigen Nutzen bringen kann, auf die lange Bank aber recht unerwünschte Folgen nach sich zieht.



Letzte Woche hatte ich in Zettels Raum einen Artikel über eine äußerst dumme Äußerung von Alexander Gauland geschrieben, in dem ich im Wesentlichen meine Frustration darüber zum Ausdruck gebracht habe, wie jemand aus purer Dummheit heraus die mögliche Ablösung der Regierung Merkel behindert, bzw. sie ungewollt stützt. Meine Prognose ist aber, so scheint es, und das gebe ich auch gerne zu, nicht eingetreten. Soweit aktuelle Umfragen zeigen hat die Gauland-Äußerung nicht die Spur einer Wirkung auf das Wahlverhalten der AfD, ein Sturm im Wasserglas sozusagen, auf das die nächste Sau durchs Dorf getrieben werde.

Nun sind die Aussage von Gauland immernoch recht heftig (was sich ja nicht zuletzt darin zeigt, dass auch innerhalb der Fraktion massiv kritisiert wurde, ganz im Unterschied übrigens zu Weidels "Kopftuchmädchen"), Wirkung ist aber dennoch nahe null. Daher will ich jetzt mal den Experten geben (Experten sind ja bekanntlich die, die einem am besten erklären können, warum die von ihnen gemachten Prognosen nicht eingetreten sind) und die Frage stellen, warum das so ist. Und natürlich auch gleich eine Erklärung abgeben.

Ich glaube das sich das "Nazi!"-Rufen inzwischen einfach totgelaufen hat. Schon zu Luckes Zeiten war es in extrem linken Kreisen nicht unüblich die AfD als einen Haufen von Nazis zu bezeichnen. Als im Laufe der Flüchtlingskrise die AfD zur einzigen, politisch vertretenen Opposition in Deutschland auftstieg, setze sich diese Methode in den Mainstream fort. Kaum eine Tageszeitung, die von diesem Konzept abweicht, praktisch keine Partei, die darauf verzichtet. Somit wird die AfD seit mehreren Jahren praktisch überall in der Öffentlichkeit, mehr oder weniger verklausuliert, als Nazis dargestellt. Wer sich also bereits 2017 dafür entschied die AfD zu wählen, bzw. sich in Umfragen positiv zur AfD äussert, musste das bereits früher unter genau diesem Eindruck tun. Entweder weil es ihm egal war, oder weil er es nicht glaubte.

Wenn also heute die Presse und fast der komplette Mainstream auf die AfD einprügelt, eben jetzt wegen der Gauland Äusserungen, dann trifft das auf Leute, denen das seit Jahren um die Ohren gehauen worden ist. Und die hören nicht mehr hin. Die Glaubwürdigkeit ist einfach komplett im Eimer.

Und so passiert eine ganz lustige wie verheerende Rückkopplung: Wernn die AfD weiter nach rechts driften sollte (ich hatte bereits zu Luckes Zeiten beschrieben, dass das passieren wird, und es ist ja auch passiert), dann wird das schlicht nicht mehr auffallen. Der "Junge" der permanent "Nazi" gerufen hat, ist vollkommen diskreditiert. Und wenn wirklich die Nazis kämen, dem "Jungen" wird man es doch nicht mehr glauben. Selber schuld wer jahrelang "Nazi!" gebrüllt hat.

Llarian

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